Zwei Siege in Folge Verwandelte Lilien bestehen den Bundesliga-Crashkurs
Der SV Darmstadt 98 hat nach schmerzhaften Wochen mit Problemen auf und abseits des Platzes seine Bundesliga-Tauglichkeit unter Beweis gestellt und kann in der Länderspielpause etwas durchschnaufen. Jetzt warten Highlight-Spiele.
Es ist gerade einmal zwei Wochen her, da überwogen beim SV Darmstadt 98 noch die Durchhalte-Parolen. Nach gerade einmal einem Punkt aus fünf Spielen standen die Lilien gemeinsam mit dem punktgleichen 1. FSV Mainz 05 auf einem Abstiegsplatz und waren auf der Suche nach sich selbst und der Bundesliga-Form.
Routinier Tobias Kempe sprach von einem weiter andauernden Prozess und gab zu, dass die schlechten Ergebnisse an der Mannschaft kratzten. Trainer Torsten Lieberknecht schob die Schuld in seiner jetzt schon legendären Cluburlaub-Wutrede erst einmal auf die Schiedsrichter. Die Lilien wankten nach ihrer Bundesliga-Bruchlandung bedenklich.
Darmstadt 98 ist in der Liga angekommen
Zwei Spiele später sieht die Welt in Südhessen plötzlich jedoch komplett anders aus. Der von Kempe angesprochene und dann mit gleich zwei eigenen Treffern angekurbelte Prozess scheint vorerst abgeschlossen. Die Mannschaft von Coach Lieberknecht, der nach seiner übertriebenen externen Kritik zumindest intern offenbar genau die genau richtigen Worte wählte, ist in der Liga und der Saison angekommen. "Wir sind erwachsener geworden", fasste Kapitän Fabian Holland nach dem 2:1-Sieg in Augsburg passend zusammen.
Und so dürfen die Lilien, die sich nach der 1:3-Pleite beim VfB Stuttgart noch wie ungebetene Gäste gefühlt hatten, die Länderspielpause im Kreise hochdekorierter Bundesliga-Stammkunden im Tabellen-Mittelfeld genießen. Als Tabellenelfter stehen sie aktuell vor Borussia Mönchengladbach, Champions-League-Teilnehmer Union Berlin oder auch Werder Bremen. Eine Umgebung, an die sich Darmstadt 98 wohl gewöhnen könnte. "Wir haben uns als Mannschaft gefunden und werden unseren Weg weiter gehen", betonte Neuzugang Andreas Müller am Dienstag. "Wir können eine gute Saison spielen."
Lilien verändern ihr Spiel
Doch was genau ist passiert? Im Gegensatz zu den ersten Saisonspielen – mit Ausnahme der ersten Hälfte gegen Gladbach – trauten sich die Lilien beim 4:2-Sieg gegen Bremen und beim Erfolg in Augsburg endlich mehr zu. Gegen Werder dominierten die Südhessen, die zuvor oft etwas zu brav und zurückhaltend agiert hatten, das Spiel mehr als eine Stunde lang komplett. In Augsburg erspielten sie sich vor allem in den ersten 45 Minuten einen Ballbesitz von knapp zwei Dritteln. "Peinlich", fand das Ex-FCA-Kapitän Jeffrey Gouweleeuw aus Augsburger Sicht. "Nur so geht es", attestierte Kempe aus Darmstädter Sicht.
Das Erstaunliche an den bisherigen Auftritten des Aufsteigers: Sobald die Lilien selbst die Initiative ergriffen und ihr Heil in der Offensive suchten, stiegen die Chancen auf Zählbares. Spiele, bei denen sich die Darmstädter erst einmal auf die Defensive konzentrierten, gingen in die Hose. Zum Beweis: Zwölf eigene Tore in sieben Spielen sind eine sehr ordentliche Ausbeute. 19 Gegentreffer sind im Gegensatz dazu aber auch der schlechteste Wert der Liga.
"Wir schießen schon extrem viele Tore. Jetzt haben wir das Ziel, auch mal zu Null zu spielen", umriss Müller, der in Augsburg sein Bundesliga-Debüt gefeiert hatte, die Stärken und Schwächen seines Teams. Vorne gefährlich, hinten anfällig. In Darmstadt kennt man das eigentlich genau andersrum.
Jetzt geht's gegen Leipzig und Bayern
Inwieweit die Lilien mir ihrer neuen Spielweise auch die kommenden beiden Gegner in die Bredouille bringen können, wird sich allerdings zeigen müssen. Der nächste Gegner im heimischen Stadion am Böllenfalltor ist RB Leipzig (21. September, 15.30 Uhr), danach geht es zu Abonnement-Meister Bayern München. "Uns ist bewusst, dass das nochmal ganz andere Kaliber sind", sagte deshalb auch Müller.
Dass den Lilien, die einen sehr gefestigten Eindruck machen, auch gegen die beiden Topteams etwas zuzutrauen ist, steht nach der Wandlung der jüngsten Vergangenheit aber außer Frage. Wer hätte das vor zwei Wochen gedacht?