Fünf besondere Oliver-Glasner-Momente Wie ein "Langweiler" in einen ganzen Klub eintauchte
Mit dem verlorenen Pokalendspiel endet die Zeit von Oliver Glasner bei Eintracht Frankfurt. Er geht als einer der erfolgreichsten Trainer in die Klub-Geschichte ein. Rückblick auf zwei Jahre voller Volleyschüsse, Diver und bemerkenswerter Ansagen.
Nach dem 0:2 im Endspiel gegen Leipzig endet die Amtszeit von Oliver Glasner bei Eintracht Frankfurt. Hier kommen fünf besondere Momente aus den vergangenen zwei Jahren.
1. Der Volleyschuss von Piräus
Es lief die 68. Minute im Europa-League-Gruppenspiel zwischen Olympiakos Piräus und Eintracht Frankfurt im Herbst 2021, als Glasner nicht nur den Ball, sondern sein komplettes Image in den griechischen Nachthimmel drosch. Nach einem misslungenen Angriff sprang die Kugel zu ihm an die Seitenlinie, und Glasner schoss sie mitten in einer Schimpftirade volley weg. Bis dahin hatte der Österreicher als "Langweiler" gegolten, wie er kürzlich selbst erzählte. Die Eintracht habe ihn erst emotionalisiert. In diesem Jahr wäre ihm eine solche Aktion als "Dünnhäutigkeit" ausgelegt worden - wie beim Schuss auf den Rasen in Hoffenheim geschehen.
In jenen Anfangsmonaten seiner Tätigkeit taugte sie aber zu einem echten Befreiungsschlag, zu einem Zeichen an Spieler wie Fans. "Oli, trink 'nen Ouzo", skandierten die mitgereisten Eintracht-Fans in Piräus seinerzeit. Nach dem unterkühlten Coach Adi Hütter packte sie der neue Trainer mit seiner Emotionalität. Und auch umgekehrt beflügelte den Trainer das für den Klub pulsierende Umfeld. Glasner suchte den Kontakt in den Apfelweinkneipen, er zeigte aufrichtiges Interesse am Gesamtverein. Mit anderen Worten: Er tauchte ein in Frankfurt und in die Eintracht.
2. Der Diver von Barcelona
Richtig buchstäblich geschah dies in der magischen Nacht von Barcelona mit dem Diver auf dem Rasen. Mit 3:2 hatte die Eintracht den großen FC Barcelona ausgeschaltet, nur folgerichtig wanderte die Hose des Coaches später ins Vereinsmuseum. Die Spieler um ihn herum johlten, er hatte ihnen nicht nur den richtigen Plan für die Sensation an die Hand gegeben, sondern auch die Mentalität. Als das Los Barcelona aufgeploppt war, hielt er seine aufgebrachten Spieler im Kinosaal des neuen Campus auf den Sitzen: "Jetzt wird noch der Gegner im Halbfinale ausgelost." Glasner und auch Vorstand Markus Krösche ließen in der Öffentlichkeit keinen Zweifel daran, dass sie felsenfest ans Weiterkommen glaubten - wohlgemerkt gegen ein Barca, das in dieser Zeit Real Madrid auswärts mit 4:0 wegfidelte.
Auch diese Erinnerung wirkt in der Nachbetrachtung wie ein Gegensatz zur aktuellen Saison. Krösche hielt an hohen Zielen wie Platz vier fest, während Glasner vor diesen zu hohen Erwartungen warnte. Sie sprachen nicht mehr mit einer Stimme. Und: Beim nächsten "Diver" von Glasner nach dem DFB-Pokalhalbfinalsieg in Stuttgart rutschte er alleine, ohne Mannschaft um ihn herum. Von Einheit war da schon im ganzen Klub nicht mehr viel zu spüren - dabei war genau diese der entscheidende Faktor für den Europapokalsieg gewesen.
3. Die Rede auf dem Römer
An dieser Stelle stand nach dem Europa-League-Sieg die Schlagzeile "SG Einheit Frankfurt" über den Triumph der Hessen. Und die Beobachtung zur Feier auf dem Balkon am Römer: "Zum ersten Mal im gesamten Jahr verfiel Glasner in seinen österreichischen Dialekt. So wie es nur Menschen passiert, wenn sie sich richtig wohl fühlen, betrunken oder besonders bewegt sind. Oder alles zusammen. Und deswegen muss man sie formschön in seinem Duktus belassen, die treffendsten Worte zum Europa-League-Sieg der Eintracht:
Man kann Titel gwinnen, indem ma goanz vü Geld oasgibt. Oder ma kann Titel gwinnen, indem ma a ganza große Einheit bildet. A große Einheit in da Mannschaft, a große Einheit im Verein, a große Einheit mit aich. Und nur so hama des gschafft. Danke. Zitat von Oliver Glasner, Mai 2022Zitat Ende
4. Die Gala gegen Hoffenheim
Die wohl größten Erfolge der gerade abgelaufenen Spielzeit mögen das Erreichen der Königsklassen-K.O.-Runde und des Pokalendspiels gewesen sein. Doch den fußballerischen Peak von Glasners Lehre erreichte die Mannschaft wohl beim 4:2-Heimspielsieg gegen die TSG Hoffenheim (oder auch beim 5:1 gegen Leverkusen). Es war "poetry in motion", wie der Engländer sagt. Sie überfiel den Gegner mit Tempo, mit Pressing, mit Ballstafetten, mit Effizienz - mit einer Mischung aus heißem Herz und kühlem Kopf. In diesen Tagen berauschte das Team sich und alle Beobachter so sehr am Spielstil, dass selbst ein Eingriff ins Meisterrennen nicht mehr wie eine Utopie wirkte.
Der detailversessene Glasner malte schon bei Vorstellungsrunden weit vor seiner Frankfurter Zeit Spielzüge auf, wie Gegner mit Verlagerungen auszuhebeln seien. Ein Beispiel: Der Angriff nach einem Einwurf, der in Barcelona zum 3:0 durch Filip Kostic geführt hatte. Wer Glasner in diesen zwei Jahren in den Trainingseinheiten beobachtete, wie er unterbrach, Spieler am Arm packte und verschob, wie er an herbeigeschafften TV-Geräten sein Ideal vom Pressing aufzeigte und im Kauderwelsch aus Englisch wie Deutsch dirigierte, erkannte die Früchte seiner Detailliebe in den Gala-Auftritten vom Herbst. Doch auch dieser Perfektionismus trug wohl zu seinem Ende in Frankfurt bei.
5. Die Wut in Hoffenheim
Ob es seine Detailversessenheit war, die vielleicht zur Pedanterie ausgewachsen sein mochte; die Erwartungen aus dem Herbst, die zu Enttäuschungen führen mussten; die Zwistigkeiten mit dem Vorstand; der Riss im (Selbst-)Vertrauen der Mannschaft - es gab wohl viele Gründe, die aus dem einnehmenden Trainer einen zornigen werden ließen. In Berlin wütete er über die Qualität der Mannschaft, in Dortmund brüskierte er einen Nachwuchsspieler, in Leverkusen gab er sich zugeknöpft. Und in Hoffenheim attackierte er verbal einen Journalisten mit einer Rede, die eigentlich an andere Personen im Vorstand adressiert war: "Hört mir auf mit diesem Müll!" Spätestens mit diesem Ausbruch erschien trotz aller fachlichen Expertise unklar, wie Glasner und die Eintracht noch weiter zusammenarbeiten sollten. Drei Tage später verkündete der Klub die Trennung zum Saisonende.
Seine Suada von Hoffenheim wird also in keinem Rückblick auf Glasners Zeit in Frankfurt fehlen, dabei gab es auch ausreichend amüsante Sequenzen aus seinen Presserunden.
Warum die Eintracht denn gerade so sexy sei, wurde er gefragt. "Kann nur an Bartosz (dem Pressesprecher) und mir liegen, wir sitzen am häufigsten hier."
Was im Herbst so viel besser lief? "Der Herbst wird ein bisschen verherrlicht, es ist wie bei der Bundeswehr-Zeit. Während man da ist, denkt man ,O mein Gott!' und im Nachhinein war es doch ganz cool."
Über fehlendes Selbstvertrauen seiner Elf sagte er: "Ein Model, das schlank ist, sich aber dick fühlt, ist in seinen Augen dick."
Und formschön über den Europa-League-Sieg: "Diese Fahrt zum Römer, die kannst du dir nicht kaufen. Das musst du erleben, das musst du dir verdienen. Diese Verbundenheit von uns als Gruppe wird immer bleiben."