Krösches Einkäufe überzeugen Eintracht-Defensive wandelt sich zurück zum Prunkstück
Die Fan-Lieblinge von Eintracht Frankfurt spielen im Angriff, die Basis des Erfolgs bildet aber die Abwehr. Dass die Defensive nach schwacher Rückrunde und wackliger Vorbereitung plötzlich wieder sattelfest ist, liegt vor allem an zweieinhalb Neuzugängen.
Es ist ungefähr einen Monat her, da schrillten in der Defensive von Eintracht Frankfurt die metaphorischen Alarmglocken. Willian Pacho weg, zwei Gegentore im Testspiel gegen den FSV Frankfurt, eklatante Fehler bei der Generalprobe in Valencia und dann platzte auch noch der angedachte Transfer des griechischen Innenverteidiger-Kolosses Konstantinos Koulierakis. Die Frankfurter Abwehr wackelte schon, da war noch nicht ein Pflichtspiel absolviert. Die Saison schien früh zum Scheitern verurteilt. Von wegen.
Nach vier Pflichtspielen mit drei verdienten Siegen und einer unglücklichen 0:2-Niederlage in Dortmund ist es für ein aussagekräftiges Zwischenfazit zwar noch zu früh. Die Probleme der Rückrunde, in der die Eintracht 30 Gegentreffer kassierte und damit die siebtschlechteste Abwehr der Liga stellte, sind aber erst einmal Geschichte. Die Hessen treten bislang sehr kompakt auf und lassen wenig zu, das Fundament steht also. "Die Stabilität ist sehr gut", fasste Trainer Dino Toppmöller zusammen. Von der ruckligen Vorbereitung spricht niemand mehr - und das hat Gründe.
Kristensen überzeugt direkt
Allen voran hat es Sportvorstand Markus Krösche, der in der Vergangenheit bei Defensivspielern nicht immer goldrichtig lag, geschafft, die Lücken in der letzten Reihe zu schließen und die Schwächen zu beheben. Der neue Rechtsverteidiger Rasmus Kristensen ist qua Natur zwar eher ein Manndecker als ein die Außenbahnen beackernder Flügelflitzer. Seine Einstellung und seine Erfahrung helfen dem Team aber enorm.
Der dänische EM-Fahrer kann sowohl in einer Dreier- als auch in einer Viererkette den rechten Part übernehmen und erledigt seine Aufgaben stets grundsolide. Ein Attribut, das seine Vorgänger auf dieser Position – Aurelio Buta, Junior Dina Ebimbe, Tuta oder auch mal Ansgar Knauff – zu selten zeigten. Der 27-Jährige ist trotz zweier kleinerer Fehler ein absolutes Upgrade auf der rechten Seite.
Auch Theate schlägt ein
Kristensens linksfüßiger Pendant heißt Arthur Theate. Der Belgier, ebenfalls bei der Europameisterschaft im Einsatz, ist der Ersatz für den zu Paris St. Germain abgewanderten Pacho und in dieser Rolle wohl schon jetzt der Königstransfer des Sommers. Der 24-Jährige, der von Stade Rennes ausgeliehen ist und nach der Saison für 12,5 Millionen Euro fest verpflichtet werden kann und wird, ist eine Bank. Der Innenverteidiger überzeugt durch Zweikampfstärke, Übersicht und angeborene Autorität. Sollte seine Entwicklung so weitergehen, könnte er die Qualitäten von Pacho sogar noch übertreffen.
"Mit Kristensen und Theate haben wir zwei Spieler, die auf qualitativ hohem Niveau als Innenverteidiger oder Außenverteidiger agieren können", lobte Sportdirektor Timmo Hardung. Das Duo macht die Eintracht gleichzeitig flexibler und gefestigter.
Tuta wieder da
Doch damit nicht genug der positiven Erscheinungen in der Defensive. Neben Kristensen und Theate sowie dem ohnehin über alle Zweifel erhabenen Abwehrchef Robin Koch überzeugte bislang auch einer, der vor der Spielzeit eigentlich schon abgeschrieben war: Tuta.
Der Brasilianer, der so viel kann, aber oft zu wenig zeigt, profitiert aktuell von seinen starken Nebenleuten und ist auf dem Weg zurück zu seiner Topform. Nachdem Tuta aufgrund seiner schwankenden Leistungen als Verkaufskandidat galt und zwischenzeitlich in der Hierarchie hinter Youngster Nnamdi Collins abrutschte, ist er aktuell gesetzt und fast so etwas wie ein weiterer Neuzugang. "Er ist total wichtig für uns", so Hardung.
Amenda muss sich strecken
Lediglich Aurèle Amenda, seines Zeichens ein echter Neuzugang, konnte die Erwartungen an ihn bislang noch nicht erfüllen. Nach einer langwierigen Verletzung tat er sich zu Beginn seines Engagements in Frankfurt sichtlich schwer mit dem höheren Tempo, in den Testspielen gegen den Regionalligisten FSV Frankfurt und vor allem in Valencia wirkte der junge Schweizer teilweise überfordert.
Immerhin: In Wolfsburg sicherte er mit einer starken Rettungstat nach Einwechslung den Sieg, der Weg in die Startelf ist aber noch weit. "Natürlich macht er noch Fehler, aber man merkt, dass er versucht, sich in unsere Spielidee reinzuarbeiten", bat Hardung um Geduld. Amenda braucht wohl noch Zeit, könnte durch den straffen Spielplan und die vielen Europa-League-Partien aber irgendwann wichtig werden.
Vom Sorgenkind zum Prunkstück
So oder so: Die Abwehr, in der vergangenen Hinrunde noch das Prunkstück, dann das Problemkind, schiebt sich aktuell an, wieder zum Prunkstück zu werden und somit den Weg zum Erfolg zu ebnen. Die Offensive um Omar Marmoush und Hugo Ekitiké hat zwar schon jetzt die Fanherzen erobert und gehört ligaweit mit Sicherheit zu den gefährlichsten Angriffsreihen. Auf lange Sicht ist eine funktionierende Defensive aber mindestens genauso viel wert.
Jetzt heißt es, die guten Leistungen aus den ersten vier Spielen weiter zu bestätigen und auch gegen stärkere Gegner als Wolfsburg zu überzeugen. Der Gladbacher Sturm um Tim Kleindienst und Kevin Stöger wird am Samstag (18.30 Uhr) ein echter Gradmesser.