Hacke, Spitze, Eintracht Frankfurt
Eine teilweise berauschend spielende Eintracht schlägt Hoffenheim. Vor dem Spiel wird es emotional, im Spiel überrollen die Hessen die TSG und die Fans singen Lieder, die man seit 30 Jahren nicht mehr gehört hat. Die Analyse in fünf Punkten.
Eintracht Frankfurt schlägt die TSG Hoffenheim überzeugend mit 4:2 (3:1). Für die Frankfurter trafen Djibril Sow (6.), Randal Kolo Muani (8.), Junior Dina Ebimbe (29.) und Jesper Lindström (56.), die Treffer für Hoffenheim erzielten Christoph Baumgartner (38.) und Ozan Kabak (46.).
1. Vor dem Spiel wird es emotional
Die erste Runde Gänsehaut gab es bereits vor der Partie. Ex-Innenverteidiger und Publikumsliebling Martin Hinteregger war aus Österreich angereist, um vor heimischem Publikum offiziell und standesgemäß verabschiedet zu werden. Und so stand Hinteregger, der im Sommer seine Karriere im Alter von nur 29 Jahren beendet hatte, sichtlich gerührt vor der Kurve und sagte: "Ich bin in meine Heimat zurückgegangen, doch das hier ist mein Zuhause.
Ich bin mega dankbar." Dem anschließenden Applaus nach zu urteilen, sind auch die Fans dankbar – und Hinteregger in Frankfurt auch in Zukunft stets ein gern gesehener Gast.
2. Frankfurt spielt Fußball 3000
Vielleicht wollten die Ex-Kollegen ihrem ehemaligen Abwehrchef einen besonders schönen Abschied bereiten, vielleicht hatten sie auch einfach nur einen besonders guten Tag. Aber was die Hessen am Mittwochabend und vor allem in der ersten halben Stunde abrissen, dürfte mit das Beste gewesen sein, was überhaupt je im Waldstadion gespielt wurde. Nach sechs Minuten traf Sow nach Kamada-Vorarbeit, nach acht Minuten Kolo Muani, der einen zweiten Ball gnadenlos verwertete. Das Sahnehäubchen dann in der 29. Minute, als Lindström den Ball per Hacke zu Götze spielte, der den Ball per Hacke weiter zu Kamada und der zu Kolo Muani, der schließlich die TSG-Abwehr mit einem Pass auf Dina Ebimbe aus den Angeln hob, der Uwe Bein die Tränen in die Augen getrieben hätte. Ein Meisterwerk von Tor.
"Die erste Halbzeit war fantastisch", sagte Keeper Kevin Trapp nach dem Spiel, Sow meinte richtigerweise: "Wir haben die Hoffenheimer phasenweise schwindelig gespielt." Und es ist tatsächlich erstaunlich, welche Qualität die Hessen in der Offensive haben. Der blitzschnelle Lindström. Der geschmeidige Daichi Kamada, der brillante Mario Götze, der absolut außergewöhnliche Kolo Muani, auch Ansgar Knauff, Dina Ebimbe, Sow, und, und, und. Eine Mannschaft, die derart vor Spielfreude sprüht, gab es in Frankfurt zuletzt in den frühen Neunzigern, zur Zeit des Fußball 2000. Gut möglich, dass gerade die Zeit des Fußball 3000 angebrochen ist.
3. Götze? Zu gut für die WM!
Auch Mario Götze hätte sich beim Chancenfeuerwerk durchaus in die Torschützenliste eintragen können, verpasste aber die ein oder andere gute Gelegenheit. Das ändert aber nichts daran, dass der Weltmeister auch an diesem Abend eine fantastische Vorstellung aufs Parkett zauberte. Clever, spielintelligent, mit traumhafter Ballbehandlung und Ruhe am Ball: Man hat bei Götze jederzeit das Gefühl, dass er die allermeisten Dinge in diesem Spiel schlicht besser kann als der Rest.
Was ihn absolut zu Recht zu einer ernsthaften Option für die WM in Katar macht, Nationaltrainer Hansi Flick gibt am Donnerstag um 12 Uhr seinen Kader bekannt. Eine Teilnahme wäre sportlich sicherlich gerechtfertigt, aber ob sie auch Sinn macht? Nach fünf Jahren Nationalelf-Pause würde Götze wahrscheinlich nicht als Stammspieler in Katar reüssieren, für vier Wochen Bank ist er aber zu schade. Und so klingt es kurios, aber vielleicht ist es unter diesen Vorzeichen so: Götze ist einfach zu gut für die WM.
4. Zweimal unaufmerksam, zweimal bestraft
Ein wenig Wasser in den Wein? Bei aller Dominanz und Spielfreude wurde es auch am Mittwoch kurzzeitig noch einmal spannend. Das lag sicher nicht an biederen Hoffenheimern, sondern viel eher an zwei arg einfachen Gegentoren, die die Eintracht kassierte. Erst passten die Hessen bei einem langen Diagonalball von Angelino nicht auf, der zum 1:3 führte. Kurz nach der Pause verteidigte die Eintracht eine Flanke zu kurz und ermöglichte ein nach diesem Spielverlauf fast absurd anmutendes zwischenzeitliches 2:3.
"Wir haben wahnsinnig schöne Tore erzielt und große Spielfreude gehabt, und trotzdem müssen wir kritisch bleiben: Nach 47. Minuten steht es 3:2 – also ein offenes Spiel, obwohl wir sehr dominant waren. Da müssen wir konsequent bleiben", tadelte Glasner nach dem Spiel milde. An der guten Laune konnten die beiden Gegentore aber auch nichts ändern. "Natürlich sind wir sehr zufrieden. Es war ein hochverdienter Sieg. Wir freuen uns, dass wir so einen Heim-Abschluss hatten", so Glasner.
5. Und jetzt?
Als die Uhren schnell auf 2:0 standen und sich die Eintracht anschickte, die TSG einfach zu überrollen, erklang in der Kurve ein Lied, das man in Frankfurt auch schon länger nicht mehr gehört hat. "Deutscher Meister wird nur die SGE", sangen die Fans immer wieder, ein Song, der wohl in den frühen Neunzigern das letzte Mal gesungen wurde.
Wahrscheinlich wird es eher nicht so kommen, sowieso wird eine Prise Ironie beim Singen dabeigewesen sein. Aber dennoch ist das Leistungsniveau der Eintracht absolut bemerkenswert, eine so starke Mannschaft hat es in Frankfurt selten gegeben, was sich auch in der Punktebilanz niederschlägt: 26 Zähler nach 14 Spielen sind die Bilanz einer Spitzenmannschaft, der Hinrunden-Rekord von 30 Zählern ist deutlich in Reichweite. Und wenn es auch nichts mit dem Titel wird, hat man zumindest bei einem anderen Gesang der Eintracht-Fans das Gefühl, dass er mit dieser Offensive jederzeit realistisch ist: "Einer geht noch, einer geht noch rein."