Eintracht Frankfurt am Scheideweg Auf der Suche nach den 100 Prozent

Standard-Schwäche, wackelige Abwehr, fehlende Intensität: Es hakt ein wenig bei Eintracht Frankfurt, das Bundesliga-Saisonziel ist in Gefahr. Zu selten kommen die Hessen aktuell an 100 Prozent Leistungsvermögen.

Eintracht-Abwehr unter sich: Tuta, Hasebe und N’Dicka
Eine Abwehr-Variante unter sich: Tuta, Hasebe und N’Dicka. Bild © picture-alliance/dpa
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Köpfe frei, sonst Saison vorbei!

Heimspiel vom 27.02.23
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Bei Eintracht Frankfurt legt man großen Wert auf Traditionen. Vor den Spielen laufen stets dieselben Lieder in stets derselben Reihenfolge, in der Loge sitzen die Meister von 1959, es gibt eine Vielzahl alter Legenden, die mittlerweile als Markenbotschafter auch offiziell Gesichter des Klubs sind.

In den vergangenen Jahren aber ist eine Tradition hinzugekommen, auf die man bei den Hessen gut verzichten könnte: Die traditionell schlechtere Rückrunde.

Seit der Relegations-Saison 2015/16 waren die Frankfurter in der Rückrunde nur zweimal besser als in der Vorrunde, in den übrigen Spielzeiten wurden Chancen auf eine bessere Platzierung durch enttäuschende Ergebnisse teils spektakulär vergeben. Auch in der Saison 2022/23 belegte die Eintracht in der Hinrundentabelle den vierten Platz – in der bisherigen Rückrundentabelle ist der amtierende Europa-League-Sieger Achter.

"Wir müssen lernen, über 90 Minuten bei 100 Prozent zu sein"

Nun sind in der Rückrunde noch einige Spiele zu absolvieren, auch haben die Hessen erst einen Punkt weniger geholt als zum gleichen Zeitpunkt der Hinrunde. Dennoch ist im Frühjahr 2023 eine leichte Tendenz erkennbar, ein wenig Sand ist im Getriebe der Hessen. Von der Form des Herbstes, als die Eintracht ihre Gegner teils überrollte, ist sie aktuell ein gutes Stück entfernt. Oder wie es Djibril Sow nach der 1:2-Niederlage in Leipzig ausdrückte: "Die erste Halbzeit war null Prozent Eintracht Frankfurt."

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Highlights: RB Leipzig - Eintracht Frankfurt
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Ein Fazit, das sich auch für weitere Spiele der Hessen im laufenden Kalenderjahr ziehen ließe, selbst für gewonnene. Schon nach dem Sieg gegen Hertha mahnte Sportvorstand Markus Krösche: "Wenn wir glauben, mit 60 oder 70 Prozent unsere Ziele zu erreichen, wird das nicht funktionieren. Wir müssen lernen, über 90 Minuten bei 100 Prozent zu sein."

Aktuell aber sind die Hessen zu oft davon entfernt, zu wenig konsequent in den Zweikämpfen, mit zu wenig Überzeugung auf dem Platz. Die breite Brust, das Selbstverständnis scheint den Hessen ein wenig abhanden gekommen.

"Friedensnobelpreis für unsere Offensivstandards"

Hinzu kommt eine Vielzahl von Problemen. Die Schwäche bei Standards etwa, die Eintracht ist mit 13 Gegentoren nach Standards, allein sieben davon nach Ecken, ligaweites Schlusslicht in dieser Statistik. Und verlor dadurch beispielsweise das Spiel in Köln.

Oder die Kopfballschwäche, ligaweit sind die Hessen Vorletzter bei gewonnenen Kopfballduellen und kassierten die meisten Gegentore per Kopf. Ein Manko, das sich auch in der Offensive bemerkbar macht, die Eintracht ist bei Standards zu ungefährlich. "Wir bekommen den Friedensnobelpreis bei unseren Offensivstandards“, unkte Glasner nach der Niederlage gegen Neapel.

Eine echte Stammformation gibt es nicht

In der Vergangenheit war das durchaus eine Stärke der Hessen, auch wegen Martin Hinteregger. Der Österreicher, der im Sommer seine Karriere beendete und nicht ersetzt wurde, fehlt aber nicht nur bei Offensivstandards, sondern ganz generell als Abwehrchef.

Sein designierter Nachfolger Tuta hat in dieser Saison ebenso mit Formschwankungen zu kämpfen wie Evan N’Dicka, der zuletzt sogar auf der Bank Platz nehmen musste. Für ihn verteidigte Hrvoje Smolcic, in der Mitte Makoto Hasebe, wo zuvor auch Kristijan Jakic randurfte. Eine echte Stammformation gibt es nicht wirklich.

Zu viele Baustellen?

N’Dickas Leistungen könnten möglicherweise auch von seiner ungeklärten Zukunft herrühren, der Vertrag des Franzosen läuft im Sommer aus, der FC Barcelona soll interessiert sein. Vielleicht eine zu große Ablenkung. Ähnliches gilt für Daichi Kamada, dessen ablösefreier Wechsel zu Borussia Dortmund seit Wochen thematisiert wird.

Djibril Sow geht im Sommer ins letzte Vertragsjahr, Jesper Lindström und Kolo Muani werden immer wieder als Wechselkandidaten genannt. Sind das zu viele Baustellen?

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Quo vadis, Eintracht Frankfurt?

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Und vor allem: Sind das – Standard-Schwäche, wackelige Abwehr, fehlende Intensität – möglicherweise zu viele Schwachstellen, um eine sehr gute Saison zu spielen? Will die Eintracht unter die ersten Vier rutschen, ist eine sehr gute, nicht nur eine gute Saison nötig. Dafür muss jedoch dringend die ein oder andere Schwachstelle behoben werden.

"In Wolfsburg drei Punkte holen"

Dennoch ist die Klasse der Hessen freilich unbestritten, die Eintracht hat den besten Kader seit Jahren, auch in 2023 haben Kolo Muani, Lindström und Co. Spiele alleine entschieden. Und nichts spricht dagegen, dass sich die Hessen wieder steigern, den Sand aus dem Getriebe entfernen. "Wir möchten eine gute Trainingswoche hinlegen und in Wolfsburg die drei Punkte holen", so Glasner.

Die wären umso wichtiger, da Wolfsburg nur noch fünf Punkte hinter der Eintracht auf Platz sieben liegt. Freiburg als Fünfter liegt drei Punkte vor der Eintracht, der vierte aus Leipzig ist vier Punkte entfernt. Jener vierte Platz ist auch das offizielle Saisonziel, "wir wollen mit aller Macht Platz vier verteidigen", gab Krösche die Marschrichtung vor der Rückrunde aus.

Bruch mit der Tradition?

Noch ist alles drin, zumal die Eintracht im DFB-Pokal ihre Saison unabhängig von der Rückrunde krönen könnte. In der Liga werden die Spiele gegen Wolfsburg, Stuttgart, Union Berlin und Bochum aber zu Wochen der Wahrheit. In denen man in Frankfurt zu 100 Prozent Leistungsfähigkeit zurückfinden sollte. Um so den Grundstein zu legen, mit einer unliebsamen Tradition zu brechen.

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Sendung: hr-fernsehen, heimspiel, 27.02.2023, 23.15 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Stephan Reich