Europa League gegen Budapest Eintracht-Charaktertest auf der großen Bühne
Nach dem furiosen Sieg gegen den BVB muss sich Eintracht Frankfurt vor der Europa-League-Partie gegen Ferencvaros Budapest vor allem emotional wieder hochfahren. Der gesperrte Trainer Dino Toppmöller richtet sich auf ein einsames Stadionerlebnis ein.
Gesperrte Trainer, die Spiele ihrer Teams aus weiter Ferne verfolgen müssen, haben bei Eintracht Frankfurt fast schon Tradition. Willi Reimann blickte im Frühjahr 2004 leicht bedröppelt aus einem gelben Bauwagen in Richtung Spielfeld. Oliver Glasner, der im Mai 2023 von einer Loge aus zuschaute, sorgte vor allem durch innige Busserl mit seiner Ehefrau für Aufsehen. "Zum Glück habt ihr nicht alles gesehen", scherzte der Österreicher damals. Nächster Kandidat in der Reihe der Frankfurter Trainer auf ungewöhnlichen Sitzplätzen ist nun Dino Toppmöller.
Der 44-Jährige, der nach seiner Roten Karte wegen Schiedsrichterbeleidigung in Lyon für eine Partie gesperrt wurde, darf beim Europa-League-Heimspiel am Donnerstag (ab 21 Uhr im Audio-Livestream bei hessenschau.de) gegen Ferencvaros Budapest nicht auf der Bank Platz nehmen und muss sich im Stadion anderweitig umsehen. "Ich habe mir schon einen Platz ausgesucht", verriet er auf der Pressekonferenz am Mittwoch. Boulevardeske Bilder wie bei "Container-Willi" soll es dabei aber ebenso wenig geben wie romantische Kuss-Szenen mit der Gattin. "Ich habe meiner Frau strikt untersagt, sich dazuzusetzen." Voller Fokus, ist doch klar.
Eintracht vor Charaktertest
Und genau darum geht es im vorletzten Gruppenspiel gegen den ungarischen Rekordmeister auch für die Spieler. Nach dem furiosen 2:0-Sieg am Freitagabend gegen Borussia Dortmund und der aufwühlenden Verabschiedung von Omar Marmoush muss sich die Eintracht emotional wieder hochfahren. Die Partie auf europäischer Bühne gegen Ferencvaros ist, so komisch es klingt, im Gegensatz zum vergangenen Wochenende fast schon schnöder Alltag. Kein prominenter Gegner, kein weinender Superstar, kein Trainer auf der Bank. Es gibt sogar noch Resttickets.
Ob die Eintracht reif genug ist, diese Umstände auszublenden und einfach weiterzumachen? "Das ist eine gute Frage", sagte Trainer Toppmöller angesprochen auf genau diese Thematik. "Aber wir fühlen uns so, dass wir das hinbekommen." Mit drei Siegen in den ersten drei Spielen haben die Hessen bereits bewiesen, dass sie gefestigt sind und den schwachen Dezember scheinbar mühelos aus den Klamotten geschüttelt haben. Nun geht es darum, den (noch immer nicht offiziellen) Wechsel von Marmoush zu verdauen und den nächsten Schritt in Richtung Spitzenteam zu gehen. Der klassische Charaktertest.
Keane neuer Trainer bei Budapest
Ob das gelingt, wird sich zeigen. Dass die Aufgabe gegen die Grünen Adler aus Ungarn nicht leicht wird, ist aber allen klar. Ferencvaros, das in Frankfurt erstmals vom neuen Trainer Robbie Keane betreut wird, hat drei der vergangenen vier Europa-League-Spiele gewonnen und beste Chancen auf die K.o.-Phase. Der Wechsel auf der Trainerbank verkompliziert die Sache zusätzlich. "Ein neuer Trainer ist immer eine Herausforderung", so Toppmöller.
Ein klarer Vorteil für die Eintracht ist aber, dass die Gäste seit dem 15. Dezember kein Pflichtspiel mehr absolviert haben und sich eigentlich noch in der Winterpause befinden. Kaltstart im Stadtwald.
Toppmöller will nur dosiert rotieren
Bliebe die Frage nach dem kickenden Frankfurter Personal. Klar ist, dass der nichtnominierte Nathaniel Brown ebenso fehlen wird wie die erkrankten Oscar Höjlund und Mo Dahoud, auch Junior Dina Ebimbe fällt wegen muskulärer Probleme im Oberschenkel aus.
Toppmöller stellte zudem klar, dass es trotz der zweiten Englischen Woche in Folge nicht viele Wechsel geben wird. Im Gegensatz zur Hinrunde, als die Eintracht ständig mit einer veränderten Startelf auflief, soll sich die Rotation künftig in Grenzen halten. Toppmöller setzt auf eine klare Achse und eingespielte Abläufe. "Wir wollen die Jungs in den Flow bringen und nicht permanent wechseln." Heißt: Der Stamm steht, einzig Tuta wird wohl in die Anfangsformation rücken, Theate dafür die Linksverteidiger-Position übernehmen. In der Offensive könnte Can Uzun eine Chance erhalten.
Fießer macht den Toppmöller
An der Seitenlinie, und das ist die größte Veränderung, wird am Donnerstag Co-Trainer Jan Fießer die Aufgaben von Toppmöller übernehmen. Der Chefcoach darf vor dem Spiel und in der Halbzeit zur Mannschaft sprechen, dazwischen und danach geht er auf Tauchstation. "Ich habe da totales Vertrauen. Und wenn das gleiche Resultat rauskommt wie damals bei Oliver Glasner, sind wir alle zufrieden." Der Österreicher sah vor knapp 20 Monaten hinter dem vermeintlich verspiegelten Logen-Glas einen 3:0-Sieg gegen Mainz. Die Jubel-Küsse müssten dieses Mal dann eben nachgeholt werden.