Eintracht einmal durch den Spurs-Schleudergang und wieder raus
Eintracht Frankfurt bekommt bei der Auswärts-Niederlage bei Tottenham in der ersten Hälfte die Grenzen aufgezeigt. Die Abwehr ist komplett überfordert, im zweiten Abschnitt gibt es in Unterzahl aber eine Reaktion. Die Analyse in fünf Punkten.
Eintracht Frankfurt hat in der diesjährigen Champions-League-Saison im vierten Spiel die zweite Niederlage kassiert. Bei den Tottenham Hotspur verloren die Hessen am Mittwoch mit 2:3 (1:3). Die Tore für die Eintracht erzielten dabei Daichi Kamada (14. Minute) und Faride Alidou (87.), für die Gastgaber trafen der Ex-Bundesliga-Profi Heung-min Son (20./36.) und Harry Kane per Elfmeter (28.).
1. Spurs zeigen der Eintracht im ersten Abschnitt die Grenzen auf
Es hätte für die Eintracht im Londoner Norden eigentlich nicht besser starten können. Jesper Lindström luchste in der 14. Minute Eric Dier den Ball ab, über Sebastian Rode landete das Spielgerät schließlich bei Daichi Kamada, der ungestört zum 1:0 einschieben konnte. Frühes Tor, Ruhe im Spiel, Gegner kommen lassen - von wegen. Nach diesem Treffer gerieten die Frankfurter direkt in den Spurs-Schleudergang und wurden mit Wucht zum Halbzeit-Pfiff wieder ausgespuckt.
Das Ergebnis nach einseitigen 25 Minuten im zweiten Abschnitt der ersten Hälfte: drei Gegentreffer, lange Gesichter und eine Gewissheit. "Wir waren in manchen Situationen von der Qualität von Tottenham überfordert", betonte Eintracht-Coach Oliver Glasner offen. Sportvorstand Markus Krösche formulierte es ähnlich: "Tottenham ist eine richtig gute Mannschaft und noch auf einem anderen Level." Der Eintracht wurden kurzzeitig gnadenlos die Grenzen aufgezeigt.
2. Abwehr phasenweise völlig überfordert
Den Hessen ging dabei vor allem in der Defensive alles eine Spur zu schnell. Klar, Tottenham hat mit Kane, Son und Richarlison in der Offensive eine Klasse, die in Europa in das alleroberste Regal gehört, so taumelnd hat man die Eintracht-Abwehr aber länger nicht mehr gesehen. Phasenweise waren besonders Tuta und Evan N'Dicka völlig überfordert.
"Wenn du diese Weltklasse-Spieler verteidigst, musst du dich auf Weltklasse-Niveau bewegen", analysierte Glasner hinterher treffend. "Und das waren wir teilweise nicht." Beim 1:1 agierten die Hessen zu passiv, vor dem Elfmeter wurde Kane vor dem Strafraum nicht richtig attackiert, beim dritten Treffer sah niemand den freistehenden Son. Am Ende kam so zu viel zusammen.
3. Trapp bewahrt Frankfurt vor Schlimmerem
Ehrlicherweise muss aber auch hinzugefügt werden, dass die Eintracht mit dem 1:3 zur Pause noch gut bedient war. Gleich mehrere Male verhinderte Schlussmann Kevin Trapp, in dieser Phase mit Abstand der beste Frankfurter, einen noch höheren Rückstand. In der 42. Minute hielt er sensationell gegen Son, in der Nachspielzeit des ersten Abschnittes rettete er gegen Cristian Romero und nach Wiederanpfiff scheiterte Ryan Sessegnon am DFB-Keeper.
"Meine Mannschaft hat mich beeindruckt bei vielen Sachen, die ich gesehen habe", sagte Glasner nach der Partie und meinte vor allem alles, was nach diesen Glanzparaden von Trapp noch in der Begegnung passierte. Der Eintracht-Schlussmann darf sich bei diesem Lob aber getrost mitgemeint fühlen.
4. Eine Reaktion in der Schlussphase
Denn spätestens ab der 60. Minute sprach eigentlich alles gegen die Hessen. Tuta, der weiter mit Son seine liebe Müh' und Not hatte, sah berechtigterweise die Gelb-Rote Karte und die Eintracht war nun nicht nur zwei Tore in Rückstand, sondern auch in Unterzahl. Aber: Wer nun ein Debakel befürchtet hatte, sah sich getäuscht. Im Gegenteil: Die Hessen nahmen ihr Herz in die Hand und die Spurs wurden gleichzeitig merkwürdig passiv. Eine Melange, die für eine hochdramatische Schlussphase sorgte.
Denn auf einmal zeigten sich die Frankfurter wieder. Erst zaghaft durch ein paar Fernschüsse, dann konsequent durch den Anschlusstreffer von Faride Alidou. Aus dem eigentlich entschiedenen Spiel wurde postwendend ein hochspannendes - völlig wilde Schlussphase inklusive. Erst vergab Kane einen Foulelfmeter in der Nachspielzeit, dann hatte Alidou wenige Sekunden vor Abpfiff tatsächlich noch den Ausgleich auf dem Fuß, scheiterte aber an Spurs-Keeper Hugo Lloris.
"Wie wir später reagiert haben, hat mich beeindruckt. Wir haben immer wieder den Weg nach vorne gesucht und hatten sogar Situationen, um den Ausgleich zu erzielen", lobte Glasner berechtigterweise. "Wenn die Jungs so auftreten, stimmt mich das sehr zuversichtlich. Ich werde ihnen sagen, dass sie mit erhobenem Haupt ins Bett gehen sollen. Sie können stolz darauf sein, wie sie sich präsentiert haben."
5. Weiter alles drin
Allzu viel Frust ist auch gar nicht nötig. Denn die Gruppe D ist an diesem Spieltag noch näher zusammengerückt. Durch den Sieg von Marseille im Parallelspiel ist die Eintracht zwar nun Gruppenletzter, dennoch aber weiter mittendrin. Von Champions-League-Achtelfinale über Europa-League-Teilnahme bis Europa-Aus vor Weihnachten ist alles drin.
"Die Gruppe ist weiter offen. Wir müssen jetzt natürlich sehen, dass wir die beiden Spiele gewinnen", betonte Krösche. Und Kapitän Sebastian Rode ergänzte: "Noch ist alles in unseren Händen. Wir können mit zwei guten Auftritten die Tabelle drehen. Das wollen wir zeigen, wir glauben an uns." Treten die Hessen da so wie in der Schlussphase auf, gibt es auch genügend Hoffnung. Treten sie jedoch so auf wie in Abschnitt eins, eher nicht.