Kunstrasen, kleines Stadion, Verletzte Eintracht sucht in Helsinki das Europacup-Gefühl
Eintracht Frankfurt spürt vor dem Gastspiel bei HJK Helsinki wieder einmal, dass die Conference League kein Wohlfühl-Wettbewerb ist und kämpft mit allerlei Widrigkeiten. Die Fans bemühen sich um Europapokal-Atmosphäre.
Beim Landeanflug auf Helsinki mühten sich einige Fans von Eintracht Frankfurt am Mittwoch wirklich redlich. Auf Wunsch des Piloten und angeheizt von einer Bord-Durchsage sowie einigen Whiskey-Cola-Mischungen gaben die hinteren Reihen des vollständig besetzten Fliegers den wohl bekanntesten Frankfurter Europapokal-Gassenhauer zum Besten und stimmten "Europacup in diesem Jahr" an.
Das Fanlied, das in den vergangenen Jahren durch Barcelona, Sevilla oder London geschallt war und ganze Innenstädte akustisch in Beschlag genommen hatte, wirkte am Tag vor dem Conference-League-Gruppenspiel in Helsinki aber nur wie ein netter Versuch. Die neutralen Fluggäste schüttelten verwundert mit den Köpfen, einige sprachen sogar von einem Rohrkrepierer. Kurze Zeit später war dann wieder Ruhe. Die Eintracht in Europa hat sich schon mal anders angefühlt.
Eintracht zieht Scheuklappen an
Ein Eindruck, der sich auch vor Ort bestätigte. Das mit 10.770 Plätzen ausgestattete Stadion des HJK Helsinki, das genau zwischen dem deutlich größeren Olympiastadion und einigen Plattenbau-ähnlichen Wohnhäusern liegt, versprüht zwar durchaus Charme und dürfte vor allem die Herzen von Groundhoppern höherschlagen lassen. Nach Spielen im Camp Nou, bei Tottenham Hotspur oder im Stadio Diego Armando Maradona spürt aber auch die Eintracht, dass die Conference League nicht mehr viel mit dem glamourösen internationalen Fußball der vergangenen Jahre zu tun hat. Früher war mehr Hochglanz.
Nun ist es nicht so, dass die Eintracht und ihre Fans die Reisen auch in kleinere europäische Städte nicht zu schätzen wüssten. Gerade in Helsinki wird aber sehr deutlich, dass die Hessen körperlich und mental einiges leisten müssen. "Ich erwarte, dass wir konzentriert an die Aufgabe herangehen und maximalen Respekt vor dem Gegner haben", fasste Trainer Dino Toppmöller die aus seiner Sicht wichtigsten Punkte zusammen. Der 6:0-Erfolg im eigenen Stadion dürfe ebenso keine Rolle spielen wie irgendwelche externen Faktoren, betonte er. "Wir müssen das ausblenden." Die Eintracht versucht, die Spannung hochzuhalten.
Kunstrasen stellt Eintracht vor Herausforderung
Erschwerend hinzu kommt, dass das Spiel am Donnerstagabend (18.45 Uhr, live bei hr-iNFO und im Audiostream auf hessenschau.de) nicht auf echtem, sondern auf Kunstrasen stattfinden wird. Da die Winter in Helsinki lang und eisig sind – auch das wird die Eintracht schon in Ansätzen zu spüren bekommen –, trägt der HJK seine Heimspiele traditionell auf einem Teppich aus. Eine kurze Begehung am Mittwochabend zeigte: Das Spielfeld ist nass und schwer einzuschätzen, das Granulat dürfte vor allem bei Grätschen zu einem unangenehmen Faktor werden. Im Norden viel Neues, ein Wimbledon-Rasen sieht definitiv anders aus.
"Ich kenne das nur aus der Jugend. Der Ball rollt anders, springt anders, ist schneller, wenn der Rasen nass ist", fasste Ansgar Knauff die zu erwarteten Schwierigkeiten zusammen. Um keine böse Überraschung zu erleben, verlegte die Eintracht sogar das Abschlusstraining entgegen ihrer Gepflogenheiten ins Stadion und testete am Mittwochabend schon mal vorsichtig an. Ein paar Passübungen hier, ein paar lange Bälle da. "Wir müssen uns dran gewöhnen", so Knauff. "Wir müssen wissen, was auf uns zukommt." Auch hier entscheidend: das richtige Gefühl.
Das Abwehrbollwerk bröckelt
Zu all den äußeren Umständen gesellten sich am Mittwoch bei der Eintracht dann auch noch personelle Probleme. Neben Tuta, dessen Einsatz wegen einer Schulterverletzung ohnehin ausgeschlossen war, meldete sich kurzfristig auch noch Abwehrchef Robin Koch ab. Der Innenverteidiger musste die Reise nach einem Schlag auf die Wade im Training absagen.
Heißt: Von drei Stamm-Innenverteidigern ist plötzlich nur noch Willian Pacho übrig. "Wir müssen das so annehmen", betonte Toppmöller. Hrvoje Smolcic, genau wie Pacho ein Linksfuß, dürfte in die Startelf rücken. Sollte die Eintracht mit einer Dreierkette agieren, wäre auch Makoto Hasebe eine Option. "Wir werden uns Gedanken machen", so Toppmöller.
Fans finden kreative Bier-Lösungen
Die letztlich dann doch knapp 2.500 Fans, von denen der Großteil erst am Donnerstag in Finnland eintraf wird, tat derweil alles, um die Stimmung bis zum Anpfiff doch noch richtig anzuheizen. Der Plan einer besonders durstigen Reisegruppe, die hohen Alkoholpreise in Helsinki mit selbst mitgebrachtem und in einem Koffer aufgegebenen Bier zu umgehen, ging zwar nicht auf und endete in einer großen Pfütze.
Ein zum Fantreff auserkorenes Pub lockte aber bereits am Mittwochabend mit einem Bier-Sonderangebot zahlreiche Frankfurter Anhänger an und ließ dann doch noch etwas Europapokal-Atmosphäre aufkommen. Am Donnerstagabend gab es dann den obligatorischen Fanmarsch, im Stadion herrschte weit vor Anpfiff Heimspiel-Atmosphäre.
"Jeder weiß, was internationaler Fußball bei Eintracht Frankfurt auslöst", unterstrich Knauff. "Die Motivation ist da immer hoch." In Helsinki muss man für das besondere Gefühl aber definitiv etwas mehr tun.