Rückrundenauftakt bei den Bayern Eintracht-Trainer Oliver Glasner: Vom Propheten zum Mahner
Eintracht-Coach Oliver Glasner wehrt sich gegen eine zu hohe Erwartungshaltung von außen. Trotzdem will er mit seiner Elf in München gewinnen. Der Gegner scheint verwundbar wie lange nicht.
"Wir wollen bei den Bayern gewinnen", sagte Frankfurts Cheftrainer Oliver Glasner. Er tat dies am Freitag vor dem Rückrundenauftakt der Saison 2022/23. Aber eben auch vor dem siebten Spieltag der Vorsaison - und löste damals fast schon Erheiterung aus. Wenn man sich die beiden Partien und Ausgangslagen genauer anschaut, wird deutlich: Die Eintracht hat in den knapp anderthalb Jahren dazwischen unter Glasner eine beeindruckende Entwicklung genommen. Im Fußball kann es schnell gehen.
Damals hatte Frankfurt in der Bundesliga keinen einzigen Sieg gelandet und war im Pokal in Mannheim ausgeschieden. Die Bayern hatten bis dahin von zehn Pflichtspielen neun gewonnen. Der letzte Sieg der Hessen in München hatte über 20 Jahre zurückgelegen. Doch Glasner wiederholte seinerzeit: "Wir fahren nach München, um dort zu gewinnen. Das sage ich voller Überzeugung." Die Eintracht siegte tatsächlich dank eines überragenden Kevin Trapp mit 2:1. Filip Kostic und Martin Hinteregger trafen, von der Bank kamen Jens Petter Hauge, Danny da Costa, Sam Lammers und Ajdin Hrustic.
Der Trainer wehrt sich gegen aufkommende Kritik
Nun ist Glasner bei weitem nicht mehr der einzige, der im Vorfeld von einem Sieg der Eintracht in München spricht. Viele Fans und Medien haben die Frankfurter bereits als Bayern-Jäger auserkoren, der mit einem Auswärtssieg den Rückstand auf den Rekordmeister auf gerade einmal zwei Punkte verkürzen könnte. "Deutscher Meister wird nur die SGE", sangen die Anhänger bereits beim Heimsieg gegen Schalke euphorisiert.
Der österreichische Trainer behält die Marschroute bei, drei Punkte als Ziel auszugeben. Und dennoch befindet sich auch er mittlerweile in einer anderen Rolle. Statt motivieren muss er mahnen. "Es ist wichtig, dass wir alle mal wieder Boden unter den Füßen bekommen", reagierte er auf die kritischen Stimmen nach zwei leistungsmäßig durchwachsenen Partien gegen Schalke und in Freiburg. "Im Herbst war auch nicht jedes Spiel ein Fußballfest. Die Kritik wird der Leistung der Spieler nicht gerecht. Das ärgert mich", sagte der Trainer.
WM-Fahrer noch nicht in Form
Die Eintracht befindet sich im Zwiespalt: zwischen Stolz auf die Rekord-Hinrunde, die auch Glasner noch einmal betonte, und berechtigter Sorge, die ganz große Chance zu vergeben. In den ersten beiden Spielen im neuen Jahr wackelte die Abwehr, Leistungsträger wie Randal Kolo Muani, Mario Götze oder Daichi Kamada befanden sich noch nicht wieder auf dem Niveau aus dem Herbst. "Der Trainerfuchs Carlo Ancelotti hat bereits vorausgesagt, dass es darum geht, die ersten Spiele nach der WM zu überstehen", meint Glasner. Die WM-Fahrer bräuchten noch etwas Zeit, um wieder in den Rhythmus zu finden.
Ähnliches lässt sich eben auch beim FC Bayern beobachten, der mit zwei Remis ins Jahr startete. Nicht nur die Resultate sorgten für Aufregung: Joshua Kimmich bemängelte jüngst die Einstellung, Serge Gnabry sorgte mit einem Ausflug für Ärger, die Personalie des verletzten Manuel Neuer beschäftigt die Verantwortlichen noch immer. Zwar wurden die Münchner wieder Herbstmeister - doch mit der schlechtesten Punkteausbeute seit dreizehn Jahren. Es ist keine Fan-Schwärmerei zu sagen: Der Branchenprimus wirkt derzeit so verwundbar wie lange nicht.
Böse Erinnerungen ans Hinspiel
Glasner formulierte dann auch einen klaren Plan für die Partie: in der Defensive die Räume eng halten, den Gegner nicht ins Tempo kommen lassen, Spiel verlagern, in eigenem Ballbesitz schnell nachrücken und umschalten. Alle diese Punkte hatten im Hinspiel nicht funktioniert, als die Bayern beim 6:1 die Eintracht "am Nasenring durch die Arena zogen" (Glasner). Doch selbst jene Partie im August wirkt Ewigkeiten her. Damals wurde ein vielversprechendes Talent bei der Eintracht eingewechselt und erzielte sein erstes Tor: Kolo Muani.