Die verdammten 46 Sekunden
Eintracht Frankfurt zeigt bei Borussia Dortmund lange eine ordentliche Leistung, verliert das Spiel dann aber innerhalb von nur 46 Sekunden. Die Analyse in fünf Punkten.
Eintracht Frankfurt hat das Auswärtsspiel zum Saisonauftakt bei Borussia Dortmund mit 0:2 verloren. Die Tore für die Westfalen erzielte Einwechselspieler Jamie Gittens (72./90.+3).
1. Angstgegner Dortmund
Es bräuchte einen tiefergehenden Blick in die Geschichtsbücher, um zu eruieren, ob es im deutschen Fußball einen weiteren Verein gibt, gegen den Eintracht Frankfurt ähnlich ungern und erfolglos antritt wie Borussia Dortmund. Von den letzten 16 Partien gewannen die Hessen gerade eine, 2021 vor coronabedingt leeren Rängen traf André Silva spät zum 2:1-Sieg.
Mal fehlte das Spielglück, mal hatte der Schiedsrichter einen schlechten Tag, oft war der BVB auch einfach besser. Es hätte also durchaus einfachere Gegner für die Eintracht gegeben, um erfolgreich in die Saison zu starten. Wobei man aber sagen muss …
2. Eintracht mit ordentlicher Leistung
… dass sich die Eintracht in Dortmund über weite Strecken der Partie ordentlich präsentierte. Der BVB hatte zwar oft den Ball, wusste damit aber meist nicht sonderlich viel anzufangen. Was vor allem daran lag, dass die Eintracht konzentriert verteidigte und wenig zuließ. Die 20 Torschüsse des BVB, die in der Statistik stehen, fühlten sich zumindest nicht danach an. "Wir hatten schon das Gefühl, dass wir hier die Kontrolle hatten, auch wenn Dortmund deutlich mehr Ballbesitz hatte. Aber wir hatten nie das Gefühl, dass es richtig gefährlich wird", lobte Toppmöller nach der Partie.
Offensiv hingegen verpasste es die Eintracht, ihre Nadelstiche auch in Zählbares umzumünzen. Hugo Ekitiké traf in einer Kontersituation die falsche Entscheidung, als er auf Omar Marmoush passte anstatt auf den besser postierten Ellyes Skhiri. Hugo Larsson wählte bei einem zweiten Ball nach Ecke die Innenseite anstelle des Vollspanns. Und Rasmus Kristensen versuchte frei auf rechts das Dribbling in den Strafraum, wo eine Flanke vielversprechender gewesen wäre. Und dann war da noch die Szene in der 71. Minute…
3. 46 verdammte Sekunden
Bis zu diesem Zeitpunkt war es ein Spiel, das in beide Richtungen hätte kippen können. Und die Eintracht hauchzart dran war, in Dortmund in Führung zu gehen. Der eingewechselte Igor Matanovic behauptete den Ball in der Mitte, legte auf den mitgelaufenen Niels Nkounkou auf Links, der scharf vors Tor flankte – wo Farés Chaibi das Kunststück fertig brachte, den Ball aus kurzer Distanz über das leere Tor zu schießen. Eine sehr harte Hereingabe, keine Frage. Dennoch muss aus dieser Chance ein Tor resultieren.
Tat es dann auch, nur auf der falschen Seite. Der folgende Angriff der Dortmunder landete nämlich beim eingewechselten Jamie Gittens, der von links in den Strafraum vordrang, mit einem doppelten Übersteiger Kristensen vernaschte und zum 1:0 für den BVB ins lange Eck abschloss. Genau 46 Sekunden nach Chaibis Großchance. "Der Schlüsselmoment war die 71. Minute. Da haben wir die Chance zum 1:0 und machen die nicht. Im Gegenzug trifft dann Jamie Gittens mit einer fantastischen Einzelaktion", fasste Toppmöller zusammen. "Das ist leider Gottes Fußball", grämte sich Kevin Trapp.
4. Die Neuzugänge machen Mut
Dass es ausgerechnet Kristensen war, der von Gittens zum Würstchenstand geschickt wurde, ist ärgerlich. Der Däne, Eintrachts neuer Rechtsverteidiger Nummer eins, bot bis dahin nämlich eine ansprechende Leistung, präsentierte sich zweikampfstark und war stets auch um Impulse nach vorne bemüht. Auch wenn er Gittens nicht stoppen konnte, zeigte er, dass er eine absolute Bereicherung sein kann.
Selbiges gilt fast noch mehr für Arthur Theate auf der anderen Seite. Der Belgier, im DFB-Pokal vorige Woche noch nicht im Kader, zeigte ein gutes erstes Spiel für die Eintracht, zweikampfstark, wuchtig und mit gutem Offensivdrang. Zwar sieht Toppmöller Theate eher in der Innenverteidigung, der Mann kann es offensichtlich aber auch als Linksverteidiger. Da scheint die Eintracht zwei Qualitätsspieler geholt zu haben.
5. Eintracht sieht sich auf einem guten Weg
Und so fuhren die Hessen ohne Punkte im Gepäck nach Hause, dennoch aber auch zuversichtlich. Denn gegen den BVB, im vergangenen Jahr noch Champions-League-Finalist, verkauften sich die Hessen über weite Strecken teuer. "Wir haben heute viel gezeigt, auf dem wir aufbauen können. Die Jungs haben sich verausgabt und mutig Fußball gespielt", lobte Toppmöller. "Wenn wir so weiter machen, wenn wir eine gute Aktivität gegen den Ball haben, dann werden wir noch viel Freude haben in der Saison."
"Über weite Strecken war es ein sehr gutes Auswärtsspiel von uns, auch wenn wir keine Punkte mit nach Hause nehmen", sagte auch Trapp. "Wir setzen schon sehr viel von dem um, was wir in der Vorbereitung gemacht haben. Wir sind auf einem guten Weg." Schon am kommenden Wochenende geht dieser Weg im Heimspiel gegen Hoffenheim weiter. Da wird eine ordentliche Leistung indes nicht reichen, sondern nur etwas Zählbares.