Eintracht-Ultras wie Zweijährige in der Trotzphase
Einige Eintracht-Fans verzögern in Bochum den Anpfiff des Spiels bald um eine Stunde. Vordergründig treten sie für die Werte ihres Fußballs ein, hintergründig vor allem für sich selbst. Eine absurde Machtdemonstration.
Die meisten Eltern, vermutlich alle, werden sie schon mal gespürt haben, diese aus dem tiefsten Innern aufsteigende Verzweiflung, dem eigenen Limit spürbar näher zu kommen, so gefährlich nahe sogar, womöglich doch bald an der Dickköpfigkeit der Kleinsten zu verzagen. Das ständige Erklären, das Wiederholen, das möglichst ruhige Vorbeten der simpelsten Regeln auf der einen Seite, und auf der anderen die pure Ignoranz, mitunter mit einem Lächeln garniert. Voller Freude, die Grenzen auszutesten und auszudehnen.

Ja, ganz ähnlich werden sich auch die Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt gefühlt haben am Sonntag in Bochum, zudem die Ordnungskräfte und das Sicherheitspersonal. 50 Minuten verspätete sich der Anpfiff des Bundesliga-Spiels zwischen dem heimischen VfL und der Eintracht, weil einige Gästefans, federführend die Ultras, ihr Banner erst wider einer Erlaubnis vor ein Fluchttor spannten und schließlich darauf pochten, dieses dort weiterhin hängen zu lassen.
Diskussionen über Diskussionen, anfangs mit Fan-Vertretern, später mit Sportdirektoren, letztlich mit Vorständen. Das verbale Eingreifen von SGE-Sportchef Markus Krösche vor dem Block darf durchaus als letztes dem Club zur Verfügung stehendes Mittel in dieser Situation begriffen werden. Der Nicht-Anpfiff der Partie war nicht mehr weit entfernt. Nochmals: wegen eines Banners! Ein absurdes Schauspiel, das für Menschen fernab der Fußball-Bubble schlicht unerklärlich bleibt.
Kleine Gruppe mit großem Einfluss
Nun sei erwähnt, dass der Autor dieser Zeilen natürlich um die Bedeutung von derlei Bannern weiß, dass diese weit mehr sind als ein Fetzen Stoff, sie für diverse Gruppen immens viel bedeuten. Des Weiteren sei gesagt, dass die diesmal eindringlich umgesetzten Vorgaben der Behörden anderntags - selbst in Bochum - schon mal lascher gehandhabt wurden. Und es sei festgehalten, dass die Situation im alten Stadion an der Castroper Straße grundsätzlich überdacht werden sollte, dass der Veranstalter, der VfL Bochum, und die Behörden tunlichst nach besseren Lösungen suchen sollten. Alles wahr, und doch ist eines offensichtlich: Um derlei Punkte ging es den Ultras nicht.
Da die Vorgaben der Behörden lange vor der Anreise in den Pott bekannt waren, sollte nicht von einer zufällig enstandenen Situation ausgegangen werden, sondern von einer geplanten Aktion. Eine kleine Gruppe demonstrierte ihren großen Einfluss, war zu keinerlei Kompromiss bereit. Das vielfach vorgeschobene Motto, keiner sei größer als der Club selbst, wurde ad absurdum geführt. Stattdessen lautete das Signal: unser Fußball, unsere Eintracht, unsere Regeln.
Wohlgemerkt: Das Spiel wurde auch ohne Unterstützung der harten Jungs, die das Stadion verließen, gewonnen. Die Stimmung im zu einem Drittel verwaisten Block war dennoch prächtig, wogte mit in einem berauschenden Fußballspiel. Richtig und wichtig!
Auch Pyro-Vorfälle häufen sich
In den vergangenen Wochen haben sich Fan-Vorfälle rund um die Eintracht wieder gehäuft. Angefangen in Rom, wo hessische Anhänger mit Leuchtraketen reagierten auf Leuchtraketen aus dem italienischen Block und dafür mit einer Bewährungsstrafe von der Uefa bestraft wurden. In Amsterdam, wo Pyro im eigenen Block gezündet wurde. In Frankfurt, wo Selbiges auch beim Ajax-Heimspiel passierte und also die Bewährung zumindest mal aufs Spiel gesetzt wurde. Von drohenden Geldstrafen ganz zu schweigen.
In besagten drei Fällen stellte sich die Vereinsführung mehr oder weniger schützend vor den eigenen Anhang. Verknappt formuliert: So was ist eingepreist. Tatsächlich ist die Pyro-Debatte ja auch eine, die nicht nur in Frankfurt geführt wird und womöglich insgesamt zu überdenken ist. Argumente lassen sich jedenfalls finden. Bei der Aktion von Bochum aber fällt das schwer. Hier wurde schlicht eine simple Sicherheitsregel gebrochen. Ihnen ging es um sich selbst. Um ihren Dickkopf. Um ihre Grenzen. Wie bei Zweijährigen in der Trotzphase. Mit zwei Unterschieden: Sie haben sich bewusst dazu entschieden. Und Kinder lernen dazu.

Ihre Kommentare Was ist Ihre Meinung zum Banner-Eklat rund um Eintracht Frankfurt in Bochum?
135 Kommentare
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Sie sollten verstehen, dass sie durch ihr Verhalten aller Welt gezeigt haben, dass sie aufgeregte Hühner sind und keine stolzen Adler.
Wer braucht solche pseudo Supporter, die sich verkrümeln, nur weil sie ihren Willen nicht bekommen haben? Schade um die verwaisten Steher - so mancher SGE Fan wäre gern dabeigeblieben. Ihr könnt zu Hause bleiben - Auf Wiederseheeen -
Viele der Kommentierenden hier sind die ersten die das Smartphone zücken, wenn die Ultras wieder eine ihrer tollen Choreos präsentieren. Wenige Sekunden später sind die Bilder dann auf Insta & Co, ggf. verbunden mit einem Daumen hoch-Selfie des Erstellers. Viele der Kommentierenden hier hießen die damalige Tennisballaktion gegen die Kommerzialisierung des Fußballs (RedBull Leipzig) für gut. Viele der Kommentierenden hier verlassen das Stadion vorzeitig, wenn die Eintracht mal chancenlos zurückliegen sollte, wie zuletzt gegen Leverkusen. Man nennt sie auch Eventfans. Interessanterweise ist das Stadion immer ausverkauft. Wo bleiben denn die Protestaktionen der guten und anständigen Fans gegen die Ultras? Wann geht Ihr Anständigen auf die Barrikaden?
Ich heiße solche Aktionen der Ultras auch nicht für gut und kann auf sie gerne verzichten. Jedoch bekomme ich schon lange keinen Puls mehr, wenn die Ultras mal wieder den Verlauf eines normalen Bundesligaspiels für sich lenken. -
Vielen Dank für Ihre Einordnung.
Gerne würde ich auf Ihren Punkt zurückkommen, dass diese Vorgaben auch schonmal lascher gehandhabt wurden. Aus meiner Perspektive darf die DFL zum einen dem VFL Bochum als Auflage zur Lizenzerteilung eine Verbesserung der Fluchtmöglichkeiten vorschreiben, zum anderen ist es für mich nicht nachvollziehbar wann und warum die Banner hängen dürfen. Bei anderen Spielen waren die Fluchttore ebenfalls verhangen, gingen aber auf. Dies war meines Kenntnisstandes eben gar nicht erst Grundlage der Diskussionen am Sonntag. Vielleicht aufgrund der Pyrovorkommnisse und aufgrund von mehreren Interessenslagen neben der brandschutztechnischen, dem regulatorischen der Polizei?