Europa-League-Sieg jährt sich Die Nacht von Sevilla hat die Eintracht verändert
Exakt ein Jahr nach der historischen Nacht von Sevilla sind die Auswirkungen des Titelgewinns in der Europa League noch immer spürbar. Ansprüche und Wahrnehmung von Eintracht Frankfurt haben sich geändert, nicht alles ist besser geworden.
Wie verrückt das vergangene Jahr von Eintracht Frankfurt war, lässt sich ganz gut an zwei Divern ablesen. Als Trainer Oliver Glasner am 18. Mai 2022 in Sevilla auf dem Bauch in Richtung Siegerehrung rutschte, flogen ihm die Herzen der Fans und des ganzen Clubs gleichermaßen zu. Der anfangs so knochig wirkende Österreicher pfiff auf Etikette und holte sich mit Grasflecken auf dem Anzug seine Medaille für den Europa-League-Triumph ab. Mehr Frankfurt geht nicht. Herrlich.
Als der gleiche Oliver Glasner am 3. Mai 2023 den gleichen Jubel noch einmal vorführte und nach dem Einzug ins DFB-Pokalfinale Kopf voraus in Richtung Eintracht-Fankurve schlitterte, gefiel das plötzlich nicht mehr jedem. Die Rückrunde in der Bundesliga in den Sand gesetzt, sich dann aber nach einem guten Spiel abfeiern lassen. Mehr Egoismus geht nicht. Was soll das?
Glasner schreibt Geschichte und ist bald Geschichte
Nun gehört es wohl zur Schnelllebigkeit des Fußballgeschäfts dazu, dass Trainer erst gefeiert und dann gefeuert werden. Die Entwicklungen und Geschehnisse bei der Eintracht innerhalb der vergangenen zwölf Monate sind mit dem Wort "rasant" aber wohl noch zu milde beschrieben. Glasner, der die Hessen in seiner ersten Saison zum zweiten Europapokal-Titel der Vereinshistorie führte und Geschichte schrieb, wird in Frankfurt bald nur noch genau das sein: Geschichte. Schuld daran ist auch die Nacht von Sevilla.
Von ganz oben geht es eben nur noch nach unten
Die Bilder von damals, der Elfmeter von Rafael Borré, der Pokal in der Fankurve, ja, auch der Diver, der Autokorso durch eine freudetrunkene Stadt mit weinenden und glückseligen Menschen, Martin Hinteregger in Bierlaune, Kevin Trapp mit Tränen in den Augen. Europas beste Mannschaft auf dem Römer-Balkon. All das wird wohl niemand, der im Mai 2022 dabei war, jemals vergessen.
Der von Peter Fischer zum "größten Moment der Vereinsgeschichte" hochgejazzte Erfolg auf der großen europäischen Bühne war letztlich wirklich genau das: der größte Moment der Vereinsgeschichte. Von ganz oben geht es aber auch im Fußball erst einmal nur bergab.
Eintracht berauscht sich an sich selbst
Zwar begann die Saison dann mit den Sensations-Verpflichtungen von Mario Götze (ein Weltmeister!) oder dem damals noch unbekannten Randal Kolo Muani und teilweise wirklich atemberaubenden Fußball. Als Anfang September das erste Mal die Champions-League-Hymne im Waldstadion ertönte, wähnte sich endgültig jeder Frankfurter im siebtem Fußballhimmel. Sie sind die Besten.
Der stetige Erfolg weckte aber schnell Begehrlichkeiten und verdeckte hier und da den Blick auf die Realität. Eine euphorisierte Eintracht, einst das Schmuddelkind der Liga, verlor sich selbst etwas aus den Augen.
Mit dem Erfolg steigen die Ansprüche
Sportvorstand Markus Krösche und einige Spieler, man mag es ihnen ja nicht mal verdenken, riefen schnell die erneute Qualifikation für die Champions League als Ziel aus und legten damit den Maßstab für diese Spielzeit sehr hoch. Wie man jetzt weiß: zu hoch. Die Eintracht schaffte es dank einer Leistungssteigerung in der Gruppenphase zwar sensationell bis ins Achtelfinale, an die Europa-League-Emotionen reichten die Partien in der Königsklasse aber nie heran.
Schlimmer noch: Aufgrund allerlei Zankereien auf allen möglichen Club-Ebenen wurde die anfangs so gute Stimmung immer schlechter. Krösche und Glasner stritten sich über die Qualität des Kaders, Axel Hellmann und Philip Holzer stritten sich über die Machtverhältnisse im Club. Präsident Peter Fischer stritt sich mit der Staatsanwaltschaft. Die Fans stritten sich mit der Polizei und gegnerischen Fans. Die Harmonie aus dem vergangenen Mai wirkt inzwischen wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, richtig genießen konnte diese Premieren-Saison im Kreis der ganz Großen wohl niemand.
Endet dieses Jahr mit dem großen Erfolg?
Vor einem Jahr war die Eintracht auf dem Zenit ihres Daseins angekommen und wähnte sich auf dem Weg in die europäische Spitze. Real Madrid im Super Cup fordern, danach in der Champions League für Furore sorgen und in der Bundesliga die Spitzenplätze angreifen. Ein ambitionierter und kühner Plan, der nicht aufgegangen ist und letztlich in einer Krise und dem Rausschmiss von Glasner endete.
Der Österreicher hat am 3. Juni die Chance, einen weiteren Titel zu gewinnen und sich mit einem Diver zu verabschieden. Es würde zu diesem verrückten Jahr passen.