Zeugen-Aussagen nach Ausschreitungen bei Stuttgart-Spiel Eintracht-Fans geschockt von Gewalt-Explosion
Nach den Ausschreitungen am 25. November beim Eintracht-Spiel gegen Stuttgart hat das Frankfurter Fanhilfe-Netzwerk nun Darstellungen von Fans präsentiert. Es gibt aufwühlende Berichte über Panik und Verletzungen – und schwere Vorwürfe gegen die Polizei.
Ortstermin in der Nähe des Eintracht-Stadions. Das Fanhilfe-Netzwerk "Der 13. Mann" hatte die Anhängerinnen und Anhänger der Eintracht dazu aufgerufen, Zeugenaussagen zu den schweren Krawallen beim Bundesliga-Spiel gegen den VfB Stuttgart anzufertigen. Diese Aussagen konnten nun - anonymisiert - vom hr-sport eingesehen und ausgewertet werden. Entstanden ist das Bild einer heftigen Gewalt-Explosion.
Wir haben uns viele der 237 Zeugenaussagen durchgelesen und versucht, Übereinstimmungen herauszuarbeiten. Die Aussagen über die Krawalle rund um die Nordwestkurve des Stadions lassen wir für sich stehen, im vollen Umfang sind sie für uns nicht überprüfbar. Die Polizei hatte nach den Ausschreitungen ihre Version in einer Pressekonferenz dargestellt.
Aus den Zeugenaussagen der Fans geht hervor, dass mindestens 109 Fans verletzt wurden. 76 davon klagten nach dem Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei über Augenreizungen, Atemnot und Asthma-Anfälle. Zudem wird von Kopfverletzungen, Prellungen und Bänderrissen berichtet. Bei den Zahlen sind nur die Verletzungen aus den Zeugenbefragungen aufgenommen.
Der Auslöser: Gewalt gegen einen Ordner am Fan-Block 40
Ausgelöst wurde die Eskalation bei Einlasskontrollen am Fan-Block 40. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in Zivil hatte einen Anhänger ohne Ticket festgehalten, daraufhin wurde er von anderen Fans attackiert und informierte die Leitstelle des Stadions. In diesem Zusammenhang berichteten mehrere Fans in ihren Zeugenaussagen übereinstimmend, wie ein Mann in Zivil aus dem Block gedrängt wurde und die Szenerie verließ.
Kurze Zeit später schickte die Polizei zahlreiche Kräfte in Schutzausrüstung an die Fankurve im Stadion. Danach eskalierte die Situation. Nach einer entsprechenden Durchsagen der Ultras verließ ein Teil der Fans die Kurve.
Die Explosion der Gewalt
Als die Polizei unmittelbar vor den Fan-Blöcken auftauchte, schaukelte sich die Situation schnell auf. Die Fans aus dem Block warfen Eisenstangen, Klo-Türen und sogar eine mobile Grillstation. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Viele unbeteiligte Stadiongänger standen zu diesem Zeitpunkt in einer Getränkeschlange vor den Fan-Blöcken. Sie wurden nach übereinstimmenden Angaben von der Gewalt überrascht. Viele von ihnen zeigten sich schockiert, dass die Ordnungshüter in der Folge nicht nur potentielle Täter, sondern völlig Unbeteiligte in ihre Maßnahmen miteinbezogen.
Übereinstimmend wird geschildert, dass einzelne Polizisten "wahllos" auf umstehende Fans eingeschlagen hätten oder Pfefferspray in herumstehende, friedliche Gruppen schossen. Wieder andere Fans, die erst kurz vor dem Anpfiff zum Stadion kamen, berichten, wie sie auf dem Weg in ihren Block unvermittelt von Polizisten angegriffen worden seien.
Weder auf Kinder noch auf ältere Menschen sei Rücksicht genommen worden, hieß es. Zahlreiche Fans berichten, dass die Polizei bei der Verfolgung mutmaßlicher Gewalttäter unbeteiligte Anhänger umrannte oder mit Schlagstöcken schlug. Dabei habe es zahlreiche Verletzte gegeben. Was auch immer wieder kritisiert wurde: Die Polizei haben keine Durchsagen gemacht, weder den Einsatz von Reizgas noch des Schlagstocks vorher angedroht.
Reizgas und Panik in den Fanblöcken der Nordwestkurve
Da die Polizei vor den Fanblöcken massiv Pfefferspray versprühte, zogen die Reizgas-Schwaden bald auch durch die Treppenhäuser und von da in die Fan-Blöcke im Inneren des Stadions. Das berichten sehr viele Fans übereinstimmend. Viele von ihnen klagten über Augenreizungen und akuter Atemnot. Dadurch stieg die Unruhe auf den Rängen, einige Fans berichten von panikartigen Zuständen.
Zahlreiche Anhänger wollten daraufhin - unwissend was draußen genau passierte - ihren Block verlassen. Entweder um sich die vom Pfefferspray betroffenen Augen auf einer Toilette auszuwaschen oder um schlichtweg das Stadion zu verlassen. Doch die Polizei verhinderte laut den Aussagen an allen Ausgängen das Verlassen des Blocks. Auch Väter oder Mütter mit Kindern wurden nicht durchgelassen. Zahlreiche Fans berichten, dass Menschen, die versuchten, den Block zu verlassen, von der Polizei mit Pfefferspray bedacht wurden.
Am 25. November wurde viel Vertrauen zerstört
Wenn man die vielen Gedächtnis-Protokolle der Fans liest, dann entsteht der Eindruck, dass am 25. November viel kaputt gegangen ist. Nicht nur Stadiontoiletten. Es gab nicht nur die ein oder andere physische Verletzung, sondern einiges andere ist auf der Strecke geblieben. Zum Beispiel das Sicherheitsgefühl vieler Fans in ihrem Block. Und auch der Glaube vieler Anhänger, dass die Polizei zwar Gewalttäter verfolge, nicht jedoch Gewalt gegen Unbeteiligte ausübt. Das hat es jedoch rund um das Stuttgart-Spiel - darin gleichen sich sehr viele Zeugenaussagen - in vielen Fällen offenbar gegeben.
Der Unglaube bleibt: Darüber, dass aus einer kleinen Auseinandersetzung einiger Fans mit einem Ordner eine über 30-minütige Straßenschlacht mit vielen Verletzten entstand. Einige Fans werden nach dem Erlebten nicht mehr ins Stadion gehen. Die, die weiter gehen, haben den Wunsch, dass so etwas wie am 25. November im Frankfurter Stadion nie wieder passieren darf.