Pokalfinale mit 60.000 Frankfurtern Eintracht-Fans feiern Heimspiel-Party in Berlin
Berlin ist schon Stunden vor Anpfiff des DFB-Pokalfinals fest in hessischer Hand. Die Fans bevölkern Straßen, Plätze und sogar die Spree, Präsident Peter Fischer gibt den Feierbefehl. Im Stadion soll die Stimmung den Unterschied ausmachen.
Als Präsident Peter Fischer gegen 15 Uhr endlich die Bühne auf dem Breitscheidplatz im Zentrum Berlins betrat, kochte die Stimmung endgültig über. Der 67-Jährige, der seinen Posten in wenigen Monaten räumen wird, gab bei seiner definitiv letzten Motivationsrede vor einem Finale von Eintracht Frankfurt noch einmal alles und impfte wohl auch den letzten Skeptikern puren Optimismus ein.
"Heute spielt der große Traditionsverein gegen ein Konstrukt. Ganz Fußball-Deutschland will, dass wir diesen Pokal holen", rief er in bester Peter-Fischer-Manier und legte nach: "Ich will als Pokalsieger-Präsident gehen und wünsche mir, dass ihr so viel Energie beim Spiel lasst, dass ihr keine Stimme mehr habt. Ihr sollt ohne Stimme, aber mit Pokal aus dem Stadion gehen."
Fischer macht's wie 2018
Fischer, der schon vor dem Pokalsieg 2018 an gleicher Stelle und mit ganz ähnlichen Worten den Startschuss für den womöglich emotionalsten Abend in der Frankfurter Vereinsgeschichte gegeben hatte, präsentierte sich genau wie die Zehntausenden anwesenden Fans in bestechender Final-Form und sorgte damit fünf Stunden vor Anpfiff des DFB-Pokalfinals gegen RB Leipzig (ab 20 Uhr im Audio-Livestream) für den vorläufigen Höhepunkts eines wieder einmal denkwürdigen Tags. "Peter gibt einen aus", bekam er als Dank aus tausenden durstigen Kehlen entgegengeschmettert.
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Eintracht-Fans erobern Berlin
Die Anhänger der Eintracht, die teilweise bereits am Freitag mit Bus oder Bahn oder Flugzeug angereist waren, nahmen spätestens ab den Morgenstunden des Samstags das Berliner Stadtbild optisch und akustisch in Beschlag und verwandelten den Ku'damm sowie die angrenzenden Gebiete in eine Frankfurter Fanmeile. Nicht wenige unwissende Touristen, die am Samstag zum Shoppen ins KaDeWe oder eine der zahlreichen Boutiquen schlendern wollten, kehrten wieder um oder schauten amüsiert zu. "Hurra, Hurra, die Frankfurter sind da."
Ähnlich wie in Barcelona, als rund 30.000 Frankfurter Anhänger die katalanische Metropole kurzzeitig lahmgelegt hatten, sorgten die hessischen Titelträumer auch in Berlin dafür, dass möglichst viele der 3,6 Millionen Einwohner von ihrer Anwesenheit Notiz nahmen. Laute Gesänge hier, Menschengruppen in Final-Trikots dort, selbst die Ausflugsboote auf der Spree und ein von der Eintracht organisierter Sightseeing-Bus wurden in Beschlag genommen und zur fahrenden Fankurve umgewandelt. An Eintracht Frankfurt kam und kommt am Samstag in der Hauptstadt niemand vorbei.
Rekordanfrage für Final-Tickets
"Wir sind ja bekannt dafür, dass wir Auswärtsspiele zu Heimspielen machen. Gar nicht immer direkt im Stadion, sondern um das Spiel herum", hatte Sportvorstand Markus Krösche schon vorher im "Kicker" angekündigt und Recht behalten. Auf dem Leipziger Fanfest , das auf dem deutlich kleineren Hammarskjöldplatz stattfand, versammelten sich zeitgleich zunächst nur ein paar Hundert Fans, gegen 15 Uhr sprachen Beobachter von einer "eher luftig gefüllten" Veranstaltung. Die Polizei zählte am Ende offiziell 3.000 Teilnehmer.
Wie klar die Kräfteverhältnisse ausfielen, verdeutlichte zudem ein Blick in den großen Store des Ausrüsters beider Vereine in Berlin. Während das Frankfurter Final-Trikot bereits am Freitag nach 30 Minuten restlos ausverkauft war, war die sächsische Fan-Utensilien-Ecke auch am Samstagnachmittag noch bestens gefüllt. Das an einer Wand angebrachte Leipziger Logo hatten Eintracht-Fans mit zahlreichen Stickern zudem kurzerhand unkenntlich gemacht. "Das ist hier ist nicht Berlin, das ist Frankfurt 2.0", so Fischer.
Dass es laut DFB-Präsident Bernd Neuendorf die Rekordanzahl von 184.000 Ticketanfragen für das Finale gab und diese laut Eintracht-Vorstandsprecher Axel Hellmann zum Großteil "nicht aus Leipzig" kamen, passt ins Bild. Die Eintracht-Fans sind heiß auf den nächsten Titelgewinn, das Emotions-Duell außerhalb des Platzes ging im Vorfeld des Finals klar an Frankfurt. Ein Vorteil, der sich auch auf dem Platz widerspiegeln soll.
Es war kein Freilos, das die Eintracht in der ersten DFB-Pokalrunde zog, aber die Aufgabe löste sie souverän. Bei Zweitligist 1. FC Magdeburg setzte sich der Favorit mit 4:0 durch. Klar, hätte Kevin Trapp in der Anfangsphase nicht einen Elfmeter gehalten, hätte das Spiel auch ganz anders verlaufen können, fußballerisch war das aber dann doch ziemlich ansprechend, was die Hessen anboten. Bild © Imago Images| zur Galerieansicht
Nicht ganz so souverän, aber letztlich ebenfalls ungefährdet, nahm Frankfurt Hürde Nummer zwei. Bei Fünftligist Stuttgarter Kickers gewann die SGE mit 2:0. Die Zwei-Tore-Führung gab es schon zur Halbzeit, danach hieß es: Kräfte schonen. Bild © Imago Images| zur Galerieansicht
Genau dieses Kräfte brauchte es nämlich im Achtelfinale. Das Hessenderby gegen Darmstadt 98 war eine wilde Achterbahnfahrt mit dem besseren Ende für den Bundesligisten. 1:0 vorne, 1:2 hinten und am Ende mit 4:2 das Viertelfinal-Ticket gebucht. Die Zuschauer im Frankfurter Stadtwald kamen auf jeden Fall auf ihre Kosten. Bild © Imago Images| zur Galerieansicht
Weniger turbulent ging es dann bei Union Berlin zu. Matchwinner Randal Kolo Muani entschied die Partie mit einem Doppelpack bereits in den ersten 15 Minuten. Die Eintracht wollte im Anschluss nicht mehr, Union konnte nicht mehr. Endstand: 2:0. Nächster Halt: Halbfinale. Bild © Imago Images| zur Galerieansicht
Und da war wieder mehr Zittern angesagt. Die Eintracht, die in der Bundesliga schon seit Ewigkeiten kein Spiel mehr gewonnen hatte, strotze nicht gerade vor Selbstvertrauen und lag zur Pause auch noch mit 0:1 zurück. Mit dem unbändigen Willen, den die Hessen gerade in K.o.-Spielen in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen haben, kämpften sie sich aber wieder zurück in die Partie. Das 3:2 war am Ende zwar ganz schön erzittert, aber nicht unverdient. Der Lohn: Noch ein Sieg und die Eintracht feiert nach dem Europa-League-Sieg den zweiten Titel im zweiten Jahr. Bild © Imago Images| zur Galerieansicht
Eintracht braucht die Emotionen der Fans
"Wenn dieser Club etwas Hohes gewinnen will, geht das nur, wenn alle die volle Energie mitbringen. Auf dem Breitscheidplatz, in der ganzen Stadt, im Stadion", fasste Hellmann die Ausgangslage zusammen. Die Eintracht braucht die Symbiose mit den Fans, um die fußballerisch besseren Leipziger zu schlagen. Der berühmte zwölfte Mann, der in Berlin aus mehr als 60.000 Männern und Frauen in der Stadt und bis zu 50.000 Frankfurter und Frankfurterinnen im Stadion bestehen soll, muss den Unterschied ausmachen.
Wie groß die Unterschiede im Stadion letztlich sein werden, wird sich wohl erst in den Minuten vor Anpfiff zeigen. Da die Eintracht in den Stunden vor dem Spiel noch mehr als 1.000 Tickets aus dem Hut zauberte, diese auf dem Fanfest gegen Bargeld verkaufte und selbst VIP-Tickets für 500 Euro innerhalb von Sekunden Abnehmer fanden, wird die Zahl von 50.000 Eintracht-Fans im Stadion aber immer realistischer. Dass die Frankfurter Kultband Tankard gegen 19.30 Uhr ihre Hommage an Jürgen Grabowski vor einer Rekordkulisse schmettern wird, gilt als sicher.
"Wir wissen, dass Eintracht-Fans beim Erwerb von Tickets sehr erfinderisch sind und Stadien immer wieder schwarz-weiß erscheinen lassen", gab selbst Leipzigs Trainer Marco Rose zu. "Das Finale hat eine Top-Stimmung verdient." Klar ist: An den Eintracht-Fans wird es nicht scheitern.