Frankfurter Europa-Aus Die Eintracht erkennt sich selbst nicht wieder
Alarmsignale hat es genug gegeben, nun brennt es in Frankfurt. Die Fans sind verstummt, die Spieler verunsichert, der Trainer angeschlagen. Über allem thront die Frage: Wofür steht die Eintracht?
Dieser eine Satz von Kevin Trapp nach dem Ausscheiden der Eintracht brachte die gesamte Frankfurter Gemütslage auf den Punkt. "Man hört es an der Stille", sagte der Keeper bei RTL unmittelbar nach der Partie. Stille klingt selten ohrenbetäubend, doch an diesem Abend war sie es, ausgerechnet im sonst brodelnden Waldstadion. Noch vor zwei Wochen pfiffen sich die Zuschauer ihren Frust über das Auftreten gegen den VfL Bochum aus der Seele, nun herrschte am Ende Apathie und Fassungslosigkeit - und das ist gerade in Frankfurt viel schlimmer. Man kann es nicht anders sagen: Die Eintracht hat ihre Treuesten stumm gespielt.
Torhüter Trapp verfügt über die Vergleichswerte in der Erinnerung, als sich die Eintracht lautstark in Herzen von Europa stürmte. Dementsprechend glasig schienen seine Augen, sein Kollege Sebastian Rode vergoss bittere Tränen in der Gewissheit, nie mehr Europapokal auf dem Platz zu erleben. Auch Ansgar Knauff wirkte in der Nahaufnahme komplett ausgeknockt. Sie alle drei haben als Europapokalsieger miterlebt, was hessische Nächte unter Flutlicht bedeuten - bei vielen ihrer Teamkollegen scheint dieses Gespür nicht verinnerlicht.
Die Lethargie ist nicht neu
Die Wucht dieses Stadions könne den Gegner aus den Schuhen hauen, hatte Sportdirektor Timmo Hardung im vereinseigenen Podcast beschworen. Doch gegen Union St. Gilloise trat das Gegenteil ein, die Belgier waren nicht nur bestens besohlt, sie bekamen alle Freiheiten zum Tanz. Mitte der ersten Halbzeit spielten die Gäste einen Angriff über die linke Seite und leiteten den Ball zwei Mal mit der Hacke hinter dem Standbein weiter. Ähnlich unbehelligt liefen sie im zweiten Durchgang durch die Abwehr, einmal rettete noch Aurelio Buta, doch beim 0:1 wurde das Frankfurter Spalierstehen bestraft.
Es hätte bereits im ersten Durchgang eine "So nicht!"-Aktion eines Frankfurters bedurft, um die Belgier aus deren Flow zu bringen oder das Team selbst aufzuwecken. Einen Zambrano-Schubser, eine Kopfsprung-Zweikampf von Rode, ein Piräus-Volleyschuss von Glasner - was auch immer. Die Monstergrästche in letzter Sekunde von Robin Koch im zweiten Durchgang hätte das Potenzial zum Anzünden gehabt, verglühte aber umgehend. Zu groß wirkte die Lethargie, die sich hinterher keiner der Beteiligten erklären konnte. Dabei war sie beileibe kein neues Phänomen.
Wer führt die Jungen?
Die Eintracht verlor in dieser Saison gegen gleich drei Regionalligisten, bloß in Testspielen ließe sich einwenden, wenn diese Auftritte nicht das Präludium zum blamablen Pokalaus beim Drittligisten Saarbrücken gewesen wären. Die Eintracht verlor in einem biederen Auftritt gegen Saloniki in der Gruppenphase, der sie erst in das Zwischenspiel gegen Union St. Gilloise zwang. Die Eintracht ließ sich von einem limitierten FC Köln unter Flutlicht abkochen. Man könnte sogar sagen, die Eintracht verdaddelte die letztjährige Rückrunde komplett und rettete sich erst in letzter Sekunde in eben jene Conference League.
Alarmsignale hätte es also reichlich gegeben, der Unmut der Fans gegen Bochum kündete ja nicht von zu hohen Erwartungen in Richtung Spitzenklasse, sondern von einem Befremden über die Spielweise. Es blieb ein Pfeifen im Waldstadion. Die besänftigenden Hinweise der Verantwortlichen auf den Umbruch mögen ihre Berechtigung haben, doch greifen wohl zu kurz. In einer fast rundum erneuerten Mannschaft sind Erfahrene wie Ellyes Skhiri oder Mario Götze keine Lautsprecher, Kevin Trapp haderte zuletzt mit sich, Sebastian Rode mit Verletzungen. Robin Koch oder Omar Marmoush sind erst seit Sommer da. Wer dirigiert da die Jungen oder haut dem Gegner Stöcke in die Speichen?
Diskussionen um Toppmöller nehmen zu
Jene Frage erscheint fast so drängend wie diese: Wofür steht das Spiel der Eintracht? In Rekordtempo hatte Trainer Dino Toppmöller den Spielern mehr Ballkontrolle beigebracht, die sich aber mit jedem misslungenen Aufbau zu verflüchtigen scheint. Am Donnerstag versuchten die Frankfurter das Pressing der Belgier mit langen Bällen zu überspielen - meist ins Nichts. Genau dieses Pressing des Gegners gehörte jahrelang zum Eintracht-Trademark, mit dem die Mannschaft nicht nur Bälle, sondern Selbstsicherheit gewann.
Die Konfusion über die Herangehensweise symbolisierte Mario Götze gegen Bochum, als er sich binnen Minuten zunächst als Art Libero, dann vorne als erster Anläufer betätigte. Am Donnerstag rückten die Spieler nie geschlossen vor. Das führt unweigerlich zu Kritik an Toppmöller, nach dessen Zukunft erstmals in den Katakomben gefragt wurde. Vorstand Markus Krösche stellte sich bewusst vor den Trainer. Doch der Druck wächst auf den Coach. Toppmöller hatte zu Beginn seiner Amtszeit in Anlehnung an ein Fan-Transparent versprochen: "Frankfurt makes trouble!" Davon ist nicht viel zu sehen, nur in abgewandelter Form: "Frankfurt has trouble!"