Glasners Wutrede Die Furcht, es "zu verkacken"

Nach der Pleite in Berlin geht Eintracht-Coach Oliver Glasner hart mit seinen Verteidigern ins Gericht. Seine Breitseite lässt sich auch als Seitenhieb in Richtung Markus Krösche lesen, doch der beschwichtigt.

Oliver Glasner
Oliver Glasner im Spiel gegen Union Berlin Bild © Imago Images
  • Link kopiert!
Videobeitrag
Eintracht - Union
Bild © hr
Ende des Videobeitrags

Von Trapattonis "Flasche leer"-Sermon über Rudi Völlers Weißbier-Wutanfall bis zu Thomas Dolls zynisch-kaltem "Da lach ich mir doch den Arsch ab" – die gute, alte Wutrede hat in der Bundesliga eine reiche Tradition. Am Sonntag nach dem Spiel der Frankfurter Eintracht bei Union Berlin schien nicht viel zu fehlen und Eintracht-Coach Oliver Glasner hätte sich nach der 0:2-Pleite in diese Tradition gestellt.

Dass es nicht ganz so Trapattoni-like kam, lag wohl daran, dass der sichtlich angefressene Glasner um die Gefahr einer Eskalation wusste, weshalb er sein Interview einleitete mit: "Ich bin sehr vorsichtig, denn alles, was ich sage, kann und wird gegen mich verwendet werden. Und deshalb ist es heute besser, den Mund zu halten." Und auch wenn er nicht in die Annalen der Ligageschichte eingehen wird, denkwürdig war sein Auftritt dann aber dennoch.

"Nur die Offensivspieler sind weg. Die Defensivspieler sind da"

"Das ist unterirdisch", "Wir verkacken es", "Das ist eine Frage der Qualität" – insbesondere die seit Wochen wackelige Defensive bekam ihr Fett weg. "Fakt ist, dass wir immer auf die gleiche Art und Weise unsere Spiele verlieren. Das erste Tor ist ein geschenkter Eckball und das zweite hat gar nichts mit Fußball zu tun. Das Abwehrverhalten war abenteuerlich", so Glasner, der erstaunlich nachdrücklich auf die mangelnde Qualität seiner Verteidiger verwies. Zur Länderspielpause befragt, antwortete er süffisant: "Nur die Offensivspieler sind weg. Die Defensivspieler sind da". Soll heißen: Sie sind nicht gut genug für ihre Nationalmannschaften. Autsch.

Eine Breitseite in Richtung Innenverteidigung, die man aber durchaus auch als Seitenhieb in Richtung Sportvorstand Markus Krösche verstehen kann. Denn dass Glasner bereits im Sommer Verstärkung für die Innenverteidigung forderte, ist bekannt. Auch im Winter sollte nachgebessert werden, aber ein Wechsel von Manchester Uniteds Victor Lindelöf ließ sich nicht realisieren. Weshalb man in Frankfurt nun damit arbeiten muss, was man hat. Zum Unmut von Glasner.

"Wenn ich verlängere, ist Markus ein Grund dafür"

Ein Bruch zwischen Glasner und Krösche ist dennoch unwahrscheinlich, auch wenn nicht jeder im Verein mit der emotionalen Art des Trainers unmittelbar nach dem Spiel zufrieden gewesen sein soll. Ein angespanntes Verhältnis bestritten zuletzt jedoch beide immer wieder, vor dem Spiel betonte Glasner, die Zusammenarbeit sei hervorragend: "Wir sind bei 80 bis 90 Prozent der Themen deckungsgleich einer Meinung."

Auch habe ihm der Klub ein Angebot zur Vertragsverlängerung gemacht, so Glasner: "Das würde er nicht machen, wenn es zwischen Markus und mir nicht passen würde. Ich würde dann auch nicht darüber nachdenken. Wenn ich verlängere, ist Markus ein Grund dafür", man habe "die gleiche Vision von der Eintracht". Schon am Montag gab es ein Gespräch zwischen Glasner und Krösche, "wir haben uns ausgetauscht und die gleiche Sicht auf die Dinge. Oliver hat nach dem Spiel emotional reagiert. Das passiert mal bei einem Trainer, denn einige Fehler wiederholen sich", sagte Krösche im Anschluss.

N'Dicka und Tuta stagnieren

Dass Glasner nach der Partie explizit betonte, er selbst habe nie von Platz vier gesprochen, also von jenem ersten Champions-League-Rang, den Krösche in der Rückrunde verteidigen wollte, verweist dennoch auf interne Reibungspunkte. Diese sollen aber nicht ansatzweise so schwerwiegend sein wie jene zwischen Glasner und seinem ehemaligen Vorgesetzten Jörg Schmadtke, die schließlich zu Glasners Aus beim VfL Wolfsburg geführt hatten.

Sowieso wird auch beim Reizthema Innenverteidigung die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen. Denn natürlich hätte der Eintracht ein Abwehrchef gutgetan. Im Falle von Evan N’Dicka und Tuta handelt es sich aber auch um einen klassischen Fall von: Hinterher ist man immer schlauer. N’Dicka hat unbestritten riesiges Potential, vor der Saison schien er an der Schwelle, ein Innenverteidiger internationalen Formats zu werden. Den Schritt ist er nicht gegangen.

Glasner will mehr Qualität, Krösche Weiterentwicklung

Ähnlich gestaltet es sich bei Tuta, dem vor der Spielzeit die Rolle als Hinteregger-Ersatz zugetraut wurde. Auch der Brasilianer scheint in seiner Entwicklung zu stagnieren. Beide machen an der Seite des erfahrenen Makoto Hasebe einen stabileren Eindruck, selbst Stabilisator zu sein, schaffen beide nicht. Ebenso wenig wie Hrvoje Smolcic, der aber auch seine erste Bundesligasaison spielt. In diesem Sinne bewerten sowohl Glasner als auch Krösche die Defensive aus ihrer Perspektive: Glasner hätte gerne mehr Qualität gehabt, Krösche mehr Weiterentwicklung. Beide haben Recht, weil beides nicht funktioniert hat.

Seinen Stammverteidigern öffentlich die Qualität abzusprechen, ist dennoch eine zumindest fragliche Aktion. Zumal sich Glasner in der Vergangenheit stets vor seine Spieler stellte. Damit scheint nun Schluss, und wie das bei den betroffenen Spielern ankommt, bleibt abzuwarten. Belastet Glasners unverhohlene Kritik das Verhältnis zwischen Trainer und Team? Oder war es der gute, alte Arschtritt, der bei den Spielern eine Trotzreaktion hervorruft? Dann hätte Glasner mit seiner Breitseite Recht gehabt, die nächsten Wochen werden darüber Aufschluss geben.

Welche Richtung nimmt die Saison

Wie auch über die Richtung, die die Eintracht-Saison nun noch nehmen wird. Mittlerweile haben die Hessen schon sechs Punkte Rückstand auf die Champions-League-Plätze, von hinten drücken Wolfsburg, Leverkusen und Mainz. "Es ist noch alles drin", sagt Krösche, es droht allerdings auch eine Saison im grauen Mittelfeld, wird nicht schnellstens der Turnaround geschafft, und das trotz allerbester Ausgangslage. Oder anders: Noch ist nichts verkackt, die Hessen sind aber drauf und dran. Da kann man schon mal wütend werden.

Quelle: hessenschau.de/Stephan Reich