Big Points für Europa Eintracht feiert Wiedergeburt der Emotionen
Eintracht Frankfurt schafft es gegen den FC Augsburg endlich wieder einmal, sich und die Fans anzuzünden und macht einen großen Schritt in Richtung Europa. Statt Unruhe gibt es großen Jubel. Und am Ende sogar Kitsch.
In der Nachspielzeit dieses immens wichtigen Spiels gegen den FC Augsburg fühlten sich viele im Frankfurter Stadion plötzlich an goldene Zeiten erinnert. Als Omar Marmoush nach einem Augsburger Eckball und einem gewonnenen Zweikampf in Richtung des leeren Tores und der bereits feiernden Frankfurter Fankurve stürmte, sah nicht nur Kevin Trapp "ganz kurz Mijat Gacinovic". Ein Lauf über 70 Meter, eine Ersatzbank, die jeden Meter begleitet, und am Ende bejubelt ein Knäuel aus Spielern und Fans das 3:1 für Eintracht Frankfurt. Da war doch was.
Ein Hauch von Gacinovic und Hölzenbein
Nun wäre es definitiv mehr als vermessen, diesen Sieg an diesem bitterkalten Freitagabend im April 2024 auf eine Stufe mit dem Pokalsieg von 2018 zu stellen. Marmoushs Gacinovic-Imitation sorgte auf dem in den vergangenen Wochen und Monaten meist regungslosen Frankfurter Gefühls-Seismographen aber zumindest für einen Final-ähnlichen Ausschlag. Einziger Unterschied: In Berlin war es damals die pure Freude, jetzt überwog die Erleichterung. "Die Stimmung hat gezeigt, wie viel Last da abgefallen ist", fasste Robin Koch zusammen.
Dass Torschütze Marmoush genau wie der in dieser Woche verstorbene Bernd Hölzenbein die Rückennummer 7 trägt, verlieh dem Treffer dann auch noch eine zusätzliche Bedeutung und krönte einen zwischenzeitlich sehr schwierigen Abend. Die Eintracht, die mit einer Niederlage definitiv in eine handfeste Krise gerutscht wäre, sprang genau dieser gegen den FCA noch einmal von der Schippe und sorgte am Ende für die ganz großen Emotionen. In Spiel eins nach Hölzenbein ist plötzlich wieder alles im Lot, was für ein Drehbuch.
Europa statt Krise
Die Eintracht, um zu den kühlen Fakten zu kommen, kann dank dieses Sieges nun die selbst gesteckten Ziele trotz aller Schwierigkeiten doch noch erreichen und die Spielzeit zu einem versöhnlichen Ende bringen. Das Rennen um Platz sechs ist zwar weiter offen – der SC Freiburg könnte am Sonntag wieder auf drei Zähler heranrücken. Da nach derzeitigem Stand aber wohl auch Rang sieben mit einem Europa-Ticket belohnt wird, sieht die Frankfurter Welt wieder etwas rosiger aus. "Wir sind mega happy, das war ein wichtiger Schritt", betonte Trainer Dino Toppmöller.
Ob der Frankfurter Übungsleiter im Falle einer Pleite gegen den direkten Konkurrenten auch in der kommenden Woche wieder an der Seitenlinie gestanden hätte, ist ebenso fraglich wie jetzt nicht mehr von Belang. Zur ganzen Geschichte des Abends gehört aber auch dazu, dass die erste Hälfte erneut viel Anlass zur Kritik bot. Die Hessen, die nach einem kapitalen Ballverlust von Linksverteidiger Philipp Max früh mit 0:1 in Rückstand gerieten (13.), waren wieder einmal nach vorne zu ideenlos und vergaßen zudem beinahe komplett die Konter-Absicherung.
Man konnte der Eintracht in den ersten 45 Minuten zwar zu keiner Sekunde das Bemühen absprechen und mit etwas mehr Entschlossenheit wäre sicher auch ein eigener Treffer möglich gewesen. Dass es bereits nach einer knappen halben Stunde und dem x-ten Rückpass Pfiffe gab, war aber die gerechte Quittung für eine erneut sehr biedere Vorstellung. "Wir haben die Struktur verloren, diese Phasen waren nicht gut", bemängelte auch Toppmöller. Dieses kleine Endspiel um Europa drohte zum nächsten Fiasko zu werden.
Eintracht weckt das Stadion auf
Was dann nach der Halbzeit geschah, zeichnet dieses Team aber ebenso aus und machte Hoffnung für den Saison-Endspurt. Die Eintracht, die zur Überraschung vieler Beobachter ohne Wechsel aus der Kabine gekommen war, wirkte von Wiederanpfiff weg wie ausgewechselt und schaffte es blitzschnell, sich und das Stadion anzuzünden. Der Ausgleich durch Farès Chaibi war das Ergebnis eines Mixes aus purem Willen und fußballerischer Klasse von Vorlagengeber Junior Dina Ebimbe (55.). Danach löste die Eintracht endlich mal wieder alle Fesseln und entfachte die Energie vergangener Tage. "Es geht um Emotionen. Das ist das, was das Stadion, den Verein und uns ausmacht", unterstrich Trapp.
Grätschen im Mittelfeld, gewonnene Zweikämpfe an der Seitenlinie, direktes und aggressives Nachsetzen. Alles Dinge, die eigentlich zur Grundausstattung eines Bundesliga-Teams gehören sollten, in den vergangenen Monaten aber nur sehr spärlich zu beobachten waren, kehrten plötzlich ins Frankfurter Spiel zurück. Als dann Hugo Ekitiké, der bis zu diesem Zeitpunkt eher unauffällig bis unglücklich agiert hatte, nach einer Einzelleistung zum 2:1 traf (61.), kochte die Atmosphäre endgültig über.
"Man sieht, wie leicht es ist, dieses Stadion zu erwecken. Es ist nicht so schwer, die Zuschauer aus dem Sattel zu heben", fasste Vorstandssprecher Axel Hellmann, der für gewöhnlich nur bei besonderen Anlässen und Anliegen spricht, zusammen. Positiv gedeutet heißt das: Team und Fans können nach wie vor zu einer Symbiose verschmelzen und so Spiele entscheiden. Im Umkehrschluss drängt sich aber auch die Frage auf, warum das in dieser Saison so selten passiert ist? Die Eintracht steckt voller Emotionen, weckt sie in dieser Spielzeit aber zu selten. Ein Mysterium.
Noch ist nichts erreicht
Entscheidend wird nun sein, dass die Hessen diese Energie mitnehmen und auch in den kommenden Partien gegen den FC Bayern, den deutschen Meister Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und RB Leipzig auf den Rasen bringen. "Wir können uns jetzt nicht zurücklehnen", mahnte auch Trainer Toppmöller. "Das war heute nur ein erster Schritt." Zumindest die Richtung stimmt aber schon mal.