Hellmanns Eintracht-Wunsch Frankfurt, wo Talente explodieren und das Stadion brennt

Axel Hellmann hat knapp 60 Minuten lang ausführliche Einblicke in seine Vorstellungen für die Zukunft von Eintracht Frankfurt gegeben. Er will die SGE als Ausbildungsverein mit internationalem Anspruch etablieren. Die Erfolge der vergangenen Jahre bergen aber auch Gefahren.

Axel Hellmann
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Sechs doppelt bedruckte Seiten hielt Axel Hellmann hoch und lobte die ausführliche Vorbereitung der Pressekonferenz am Freitagmittag. Er werde sich jedoch erlauben, etwas von der Tagesordnung abzuweichen und frei zu reden. Der Vorstandssprecher tat in den folgenden knapp 60 Minuten das, was die Jobbeschreibung eines Vorstandssprechers ist, und skizzierte dabei die Zwänge und Ambitionen eines Schwellenklubs, der sich vom Mittelmaß lösen will und aufpassen muss, sich dabei nicht zu verheben.

Das schnelle Wachstum der vergangenen Jahre hat bereits Dehnungsstreifen hinterlassen. Eine der vielfältigen Herausforderungen bei der Eintracht ist es, die Herde beieinander zu halten. Die Einrichtung neuer Hospitality-Bereiche im Stadion war vordergründig nur für die betroffenen Fans, die ihre angestammten Plätze verlassen mussten, ein großes Thema. Natürlich wurde dabei aber auch darüber verhandelt, wie es einer Fußball-AG gelingen kann, sich auf dem internationalen Markt zu etablieren, ohne dabei die Marke Eintracht zu beschädigen.

Das Ziel: immer wieder Europa

Darüber, dass europäische Fußballnächte einen festen Platz im Frankfurter Veranstaltungskalender bekommen sollten, besteht zwischen Klub und Fans auf jeden Fall Einigkeit. Die Top Ten sei auch in der kommenden Saison das Ziel, erklärte Hellmann. Mit ergänzender Fußnote: "Das bedeutet, dass wir internationale Ambitionen haben." Schließlich sei man so ja mindestens in Schlagdistanz zu den Plätzen, die zur Teilnahme an europäischen Wettbewerben berechtigen.

Obwohl die Erfolge der vergangenen Jahre ein anderes Gefühl vermittelten, wird Hellmann nicht müde zu betonen, dass Europa League oder Königklasse keine Selbstverständlichkeit sind. Vor den finanziellen Futtertrögen muss sich die SGE schließlich gegen besser begüterte Konkurrenz erwehren. "Zu glauben, wir können mit ein paar Stellschrauben in die Phalanx der Top vier eindringen – wer das erwartet, der braucht dringend einen Realitätsabgleich", betonte Hellmann.

Um alles in die Waagschale zu werfen, will Hellmann das "Potenzial heben", das der Klub in der vergangenen Saison zum Teil habe liegen lassen. Zahlreiche Gespräche über unterschiedlichste Personen und Gremien hinweg hätten ergeben, dass quasi überall noch mehr möglich sei.

Hellmann: "Müssen das Stadion zu einer Burg machen"

Rein auf den Sport bezogen, tat Hellmann das schon gegen Ende der abgelaufenen Saison öffentlich kund und wiederholte nun seinen Appell: "Wir müssen wieder den Nerv dessen treffen, was diesen Verein ausmacht. Wir müssen, und bitte nicht pyrotechnisch verstehen, das Stadion zu einer Burg machen, in der wir die Menschen entflammen für den Fußball."

Dass der Erfolg einer Saison sich nicht allein an der Tabelle bemessen lässt, habe die abgelaufene Serie vorgeführt. Der sechste Platz sei zweifellos ein Erfolg, sagt Hellmann. "Dennoch haben wir es nicht immer geschafft, an unsere Grenze zu gehen und das Stadion mitzunehmen. Das Heben unseres Potenzial ist die Schlüsselaufgabe für die neue Saison."

Um die sportliche Leistungsfähigkeit zu gewährleisten, hat sich die Eintracht einem recht stringenten Businessmodell verschrieben. Die zuletzt vielfach verhandelte Vokabel "Spielermaterial" bemühte Hellmann nicht. Dafür sprach er nüchtern von Wertschöpfung, Kaderwerten und Transferüberschüssen.

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Trainingsauftakt bei Eintracht Frankfurt

hs 10.07.2024
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Eintracht Frankfurt als Talente-Bahnhof

Die Eintracht als großer Verschiebebahnhof für internationale Top-Talente – die Personalie Randal Kolo Muani soll beispielhaft stehen für ein Geschäftsprinzip. "Wenn ein Spieler schneller wächst als der Verein, müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir den Wert des Spielers mitnehmen, um wieder in Eintracht Frankfurt zu investieren. Dieser Weg ist alternativlos. Wir müssen sicherstellen, dass dieser Entwicklungsprozess gewährleistet wird."

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Eintracht-Neuzugang Can Uzun beim Training
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Neue Spieler wie Can Uzun oder Oscar Höjlund sind vor allem deshalb gekommen, weil die Hessen sich von ihnen eine "Leistungsexplosion" erhoffen – und anschließend einen möglichst satten Gewinn. Das geht fast zwangsläufig auf Kosten der Identifikation. Mit Makoto Hasebe und Sebastian Rode sind gleich zwei von Bord gegangen, die zuletzt fast alleinverantwortlich als Projektionsfläche für Fan-Sehnsüchte dienten. Kevin Trapp, Robin Koch, oder Mario Götze könnten folgen – weitere Kandidaten müssen in die Rolle des Führungsspielers erst hineinwachsen, wenn sie denn so lange bleiben.

"Es muss gewisse Fortsetzungszusammenhänge geben", formuliert es Hellmann. Vereinfacht ausgedrückt: "Es braucht einen gewissen Bestand. Die Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern muss stimmen, um den größtmöglichen Erfolg für Eintracht Frankfurt zu garantieren."

Hellmann erkennt keine Anzeichen für Ausverkauf

Dass dieser Weg bisweilen auch kritisch kommentiert wird, bleibt nicht aus. Hellmann spricht von "Rümpfnasen-Gesinnungspolizei" und meint damit Menschen, die etwa damit fremdeln, dass Eintracht Frankfurt einen eigenen Lachs im Supermarkt-Kühlregal verkauft. Grundsätzlich sei der Klub im Vergleich zu anderen von Überkommerzialisierung aber noch immer ausreichend weit entfernt, versichert der Vorstandssprecher.

Optimierungsbedarf, das haben die zahlreichen Gespräche der vergangenen Wochen ergeben, bestehe gleichwohl praktisch überall. In der Organisation und auf der Führungsebene wird deshalb auch der Rotstift angesetzt. "So eine Form von Straffung tut einem Klub, der extrem gewachsen ist und nicht viel Zeit zum Durchatmen hatte, auch ganz gut", glaubt der Eintracht-Vorstand.

Gleichzeitig soll etwa durch neue Co-Trainer und Erweiterungen im Staff alles dafür getan werden, neue Talente bestmöglich zu fördern und mit ihnen zu wachsen. "Wir müssen immer wieder erklären, dass es der einzige Weg ist, der uns dieses hohe sportliche Niveau erlaubt", sagt Hellmann. Seine Idee von einer zukunftsfähigen Eintracht hat er ausführlich beschrieben. Nun folgt der Praxistest.

Quelle: hessenschau.de/Aaron Knopp