Vom Standstreifen auf die Überholspur Der schnellste Mann der Bundesliga setzt sich kein Tempolimit
Jean-Mattéo Bahoya segelte bei der Eintracht lange Zeit knapp unter dem Radar. Nun ist er der schnellste Spieler der Fußball-Bundesliga. Zumindest Markus Krösche hatte da schon lange so eine Ahnung.

"Gudé" – Jean-Mattéo Bahoya begrüßte die Frankfurter Presse bei seiner Vorstellung Anfang Februar 2024 gleich in hessischem Idiom mit wundervoll französischem Einschlag. Dass ein damals 18-Jähriger, der im Fortgang wieder seine Muttersprache bemühte, noch etwas Zeit benötigen würde, um sich am Main einzurichten, war gleichwohl von Beginn an Teil des Plans, den Krösche mit ihm hatte.
Fünf Tore hatte er zuvor erzielt bei 19 Einsätzen in der zweiten französischen Liga. Aller Ehren wert für einen Teenager, aber keine Zahlen, die Hobby-Fußballmanager aufschrecken lassen. Krösche schaut von Berufs wegen etwas genauer hin. Für den Sportvorstand stand damals bereits fest: "Jean-Mattéo ist sicherlich eines der größten französischen Talente momentan." Wie ernst es ihm mit dieser Einschätzung war, unterlegte er mit einer Überweisung von kolportierten 8 Millionen Euro ins westfranzösische Angers.
Seine Geschwindigkeit eilt Bahoya voraus
Neben seinen Fähigkeiten im Eins-gegen-eins und einer starken Neigung zum Torabschluss wurde schon vor seiner Verpflichtung von der bemerkenswerten Rasanz des Franzosen geraunt. Deshalb sollte er gleich selbst dazu Stellung nehmen und erklärte Tempo zu einer Paradedisziplin. In Angers habe er immer und immer wieder Sprints trainiert. Ein Bonusversprechen gab er damals schon obendrauf: Er könne sogar noch schneller werden.
Ein gutes Jahr später hat man selbst in Heidenheim große Augen gemacht. Sirlord Conteh, Highspeed-Minister des örtlichen Bundesligisten, hatte sich erst im Dezember den Titel des schnellsten Bundesliga-Spielers mit 36,82 km/h geholt. Am Sonntag ereilte ihn die Nachricht, dass Bahoya mit strammen 37,16 km/h an ihm vorbeigerauscht war. Beim 3:1-Sieg der Eintracht in Bochum war der Geschwindigkeitsrekord aber fast nur die Dreingabe. Keine 72 Stunden nachdem Bahoya in der Europa League gegen Ajax Amsterdam seine Torpremiere für die SGE gefeiert hatte, legte er in Bochum seinen ersten Bundesliga-Treffer nach. Es war eine gute Woche für den Franzosen.

Krösche kann glaubhaft machen, es schon vorher gewusst zu haben. Im Umfeld nährten sich in der Zeit zwischen Anfang 2024 und vergangener Woche indes leise Zweifel an der Personalie Bahoya. Der Linksaußen rotierte zwischen Bank und Tribüne, Kürzest- und Kurzeinsätzen. Sich im stark besetzten Stürmer-Ensemble der Eintracht eine Sprechrolle zu erkämpfen, ist allerdings auch kein Leichtes, zumal mit zarten 19. Nach einem langen Wochenende, das sich wie ein Durchbruch anfühlt, deutet nun sogar manches darauf hin, dass Bahoya vorerst sein Handtuch auf den Platz legen könnte, den Omar Marmoush im Winter freigemacht hat. Und damit nicht Michy Batshuayi und nicht Elye Wahi, die beide im Winter für dieses Aufgabenprofil kamen.
Dreikampf mit Batshuaysi und Wahi
Batshuayi ist bei der Eintracht dabei bisher durchaus eine Erfolgsgeschichte. In Bochum erzielte der Belgier seinen zweiten Treffer im sechsten Einsatz. Trainer Dino Toppmöller bekundete sein Wohlgefallen daran, dass Batshuayi "seine Rolle so gut erfüllt und das umsetzt, was wir von ihm erwarten." Zuletzt traf er als als Joker in Bochum. Womöglich ein Dilemma. Solange Batshuayi auch als Teilzeitkraft funktionert, gibt er seinem Trainer Argumente, ihn auf diese Rolle zu besetzen.
Vorerst nicht infrage für den Platz neben dem gesetzten Hugo Ekitiké kommt Wahi. Der Winterzugang verletzte sich am Freitag im Training am Knie und fällt vorerst aus. Zwei bis drei Wochen könnte das dauern, vielleicht länger. Eine genaue Diagnose steht noch aus. Ohnehin liegen die Dinge bei ihm noch etwas komplizierter. In seinen insgesamt sechs Einsätzen kam er nicht über Andeutungen hinaus, wirkte ins Spiel der Eintracht noch nicht eingebunden. Den Rest der Hinrunde dürfte er vor allem für Genesung und Akklimatisierung verwenden.
Geduld zahlt sich aus
Ein Fallbeispiel dafür, dem 22-Jährigen noch etwas Zeit zu gewähren, den sich die SGE über 20 Millionen Euro kosten ließ, liefert aber gerade sein französischer Landsmann Bahoya. Der darf nach zwei Einsätzen von Beginn an und zwei Torpremieren in Serie auf weitere Chancen in der Startelf hoffen. Krösche garniert das noch mit einem Lob für seine Gesamtentwicklung, die er in diesem Jahr als "sehr, sehr gut" bewertet. "Man merkt die Spielminuten, die er bekommt. Das Selbstverständnis wächst, die Automatismen kommen immer mehr rein. Auch das Selbstvertrauen. Man darf nicht vergessen, dass er ein ganz, ganz junger Kerl ist.“

Mithin einer, dem es gelingt, einen gewinnenden Auftritt mit gesundem Selbstbewusstsein zu vereinbaren. "Es ist Teil meiner Entwicklung, dass ich so ein Tor schießen kann. Ich habe mich in allen Teilen verbessert seit meiner Ankunft hier", sagte er nach seinem Premierentreffer gegen Amsterdam. Nach seinem Rekordsprint in Bochum nun outete er sich als Gegner eines persönlichen Tempolimits. "Ich bin schnell und explosiv, vielleicht geht es noch schneller", sagte Bahoya am Sonntag. Nicht nur in Heidenheim ahnt man inzwischen: Der meint das ernst.