Kann die Eintracht noch besser werden? Fünf Fragen, drei Meinungen

Eintracht Frankfurt spielt sexy und erfolgreich. Gibt es trotzdem noch Steigerungspotenzial? Falls ja, wo denn? Und gibt es eigentlich eine Schmerzgrenze für Omar Marmoush? Der hr-sport diskutiert.

Haben viel Grund zur Freude: Omar Marmoush (von links), Hugo Ekitiké, Ellyes Skhiri und Ansgar Knauff.
Haben viel Grund zur Freude: Omar Marmoush (von links), Hugo Ekitiké, Ellyes Skhiri und Ansgar Knauff. Bild © Imago Images
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Kann diese Eintracht noch besser werden?

Mark Weidenfeller: Kaum zu glauben, aber: ja. Abwehrverhalten bei gegnerischen Standards, Killer-Instinkt bei Führungen und hin und wieder bessere Lösungen unter Druck. In diesen Disziplinen kann und muss die Eintracht tatsächlich zulegen. Zugegeben: Das sind fußballerische First-World-Problems. Aber wo könnten die Hessen stehen, wenn nicht regelmäßig eine Ecke des Gegners irgendwie reinfällt, ein Konter verschlampt oder ein Ball unnötig verloren wird? Es sind Nuancen, aber Nuancen sind eben an der Spitze entscheidend. Und da will die Eintracht hin.

Stephan Reich: Nicht nur Mark als gnadenloser Selbstoptimierer weiß: Besser geht immer. Bei seinen Punkten gehe ich mit, insgesamt würde ich mir hier und da konstantere Leistungen über 90 Minuten wünschen. Eine 3:0-Führung sollte man auch in Stuttgart problemloser ins Ziel moderieren können, auch bei Union geriet die Eintracht ins Schlingern. Kommt die SGE an den Punkt, an dem sie Spiele ohne Schwächephasen zeigt, muss man sie dann wahrscheinlich tatsächlich als Spitzenmannschaft bezeichnen.

Daniel Schmitt: Meine Kollegen haben Recht, theoretisch jedenfalls. Praktisch jedoch rechne ich nicht mit einer noch besseren Eintracht. Warum? Deshalb: Mutmaßlich bekommen die Hessen zwar einzelne Problemfelder alsbald in den Griff, in anderen Bereichen aber wird es auch mal ruckeln und zuckeln. Nicht immer wird jeder Schuss ein Treffer sein, nicht immer der gegnerische Knöchel die Abseitslinie überschreiten, selbst: nicht immer wird Omar Marmoush Freistöße versenken. Bitte nicht falsch verstehen! Das alles wäre normal und keineswegs schlimm. Hier in Nuancen schlechter, dort besser - das hieße: Die Eintracht bleibt da, wo sie ist. Ganz vorne.

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Hat der Kader noch Schwachstellen?

Mark Weidenfeller: Vor der Saison habe ich gesagt, dass ein richtig guter Sechser fehlt. Dann ging Hugo Larsson den nächsten Entwicklungs-Schritt, Mo Dahoud funktionierte auf Anhieb und selbst Ellyes Skhiri legte zuletzt sein Phlegma ab. Vor zwei Wochen habe ich gesagt, dass es zu wenige gute Außenverteidiger im Kader gibt. Dann tauchten plötzlich Nathaniel Brown und Nnamdi Collins auf und bewiesen, dass auch die Spieler aus der zweiten Reihe richtig gut kicken können. Von daher: Viel fällt mir nicht mehr ein. Außer: Omar Marmoush und Hugo Ekitiké müssen gesund bleiben. Und der Lauf, der einfach (fast) alle beflügelt, muss weitergehen.

Daniel Schmitt: Wenn Marks Einfallsreichtum schon versiegt, worauf sollen andere dann kommen? Selbst Sportchef Markus Krösche sieht keine Handlungsnot, will sich im Januar einen lauen Lenz machen. Starke Keeper, stabile Abwehr, grundsolides Mittelfeld, spannende Außen, das beste Sturmduo der Liga, eine verlässliche Bank. Vorstandsboss Axel Hellmann würde wohl sagen, dass es der beste Kader seiner Amtszeit ist. Ups, hat er ja längst, ging nicht gut, lassen wir das. Insofern: Es geht immer besser, andere haben noch hochwertiger besetzte Teams. Für Eintracht-Verhältnisse aber ist das alles nahezu optimal.

Stephan Reich: In den letzten Jahren war es eine wenig liebgewonnene Tradition, dass der Kader der Eintracht stets eine eklatante Schwachstelle aufwies. Mal fehlte ein Mittelstürmer, mal waren die Außenverteidigerpositionen unterdurchschnittlich besetzt. Umso schöner, dass Markus Krösche mit dieser Tradition gebrochen hat, ich halte den aktuellen Eintracht-Kader für den stärksten seit Jahren, wahrscheinlich seit Jahrzehnten. Wenn Igor Matanovic und Can Uzun noch ein wenig näher an die Startelf rücken, damit die Eintracht im Falle eines Ausfalles von Omar Marmoush oder Hugo Ekitiké weich fällt, sind keine Wünsche mehr offen. 

Rasmus Kristensen oder Nnamdi Collins?

Mark Weidenfeller: Allein, dass diese Frage gestellt wird, ist unglaublich. Bis zu seiner Verletzung in Berlin war Kristensen der heimliche Star dieser Hinrunde. Endlich mal ein Verteidiger im Wikinger-Stil, der dem Gegner Angst einjagt und die Mitspieler mitreißt. Wie Uwe Bindewald damals, nur in richtig gut. Und dann kam dieser Collins, den ich lange für einen Innenverteidiger hielt, und sprintete furchtlos und in Erling-Haaland-Geschwindigkeit die Linie auf und ab. Grandios. Trotzdem: Collins ist jung und wird Leistungsschwankungen haben. Kristensen ist erfahren und hat sich einen gewissen Vertrauensvorsprung verdient. Mein Vorschlag: erst einmal Kristensen, irgendwann dann viel Collins. Against All Odds.

Stephan Reich: Kaua Santos, Nene Brown, zuletzt Nnamdi Collins – man hat ja aktuell das Gefühl, Toppmöller könnte sogar den Busfahrer mal reinwerfen, auch der würde direkt performen. Insbesondere Collins' Leistungen quasi aus dem Stand haben mich sehr beeindruckt, der Mann beackert die rechte Seite, dass jedem Traktor warm um Herz werden würde. Das muss belohnt werden, und zwar mit weiteren Einsatzminuten. Collins ist noch jung, die Delle in der Leistung wird schon noch kommen. Und dann ist wieder Kristensen-Time. Wohl dem, der solche Spieler zur Auswahl hat.

Daniel Schmitt: Kristensen. Auf Strecke braucht’s neben fußballerischen Fähigkeiten des Dänen feuriges Mundwerk, mit dem er schludernde Mitspieler heiß macht. Das soll nicht heißen, Collins außen vor zu lassen, wäre ja fahrlässig. Es kann gewiss häufiger getauscht werden als zu Saisonbeginn.

Wo liegt die Schmerzgrenze für einen Marmoush-Verkauf?

Stephan Reich: Ach, es ist ja schon schade, wie sich der moderne Fußball entwickelt hat. Früher wäre ein Spieler wie Marmoush einfach ein paar Jahre bei der Eintracht geblieben und hätte sie in einem Siebener-Sturm mit Ante Rebic, Sébastien Haller, Luka Jovic, André Silva, Randal Kolo Muani und Hugo Ekitiké zur Meisterschaft geschossen. Heute wedeln die Bonzenklubs aus den Top-Ligen direkt mit den Scheinen, wenn einer wie Marmoush bei einem Club wie der Eintracht durchstartet. Gut, dass wenigstens die Kohle stimmt. Oder stimmen sollte: Marmoush ist treffsicher, kann vorlegen, Freistöße schießen, ist pfeilschnell, technisch beschlagen, relativ jung, trotzdem relativ erfahren: Unter 80 Millionen geht nix. 

Daniel Schmitt: Ich sage: Im Winter geht nix. Logischerweise pirscht sich der europäische Fußballadel längst an sein Ziel heran, zeigt sportliche Optionen auf, wedelt mit Gehaltszetteln, besonders dolle in Liverpool, wird womöglich auch irgendwann eine Zusage bekommen. Über die Bühne geht ein Deal aber erst kommenden Sommer, dann nämlich, wenn die Großkopferten – in der Regel – ihre Millionen umverteilen. Zumal Marmoush weiß, was er (in dieser Saison) an der Eintracht hat. Und umgekehrt auch die Hessen wissen, dass ihr Torjäger im kommenden Sommer nicht weniger wert sein wird als im Januar.

Mark Weidenfeller: Ich gebe zu: Dass der lange und meist durchweg graue Frankfurter Winter bei sonnenverwöhnten Ägyptern einen akuten Fluchtinstinkt auslösen könnte, kann ich nur allzu gut verstehen. Da auch in Liverpool aber nicht zwölf Monate lang die Sonne scheint - ganz im Gegenteil - darf es für einen Abschied in der Winterpause einfach keine Schmerzgrenze geben. Dass Marmoush im Sommer dann der neue Mo Salah wird, ist wohl nicht mehr abzuwenden und gleichzeitig wohlverdient. Mein Vorschlag: Jetzt schon mit Liverpool alles klarmachen und vor allem den Bayern eine lange Nase zeigen, im Sommer dann mit einem Titel oder der Königsklassen-Quali verabschieden. Gehen, wenn's am schönsten ist.

In der Liga läuft’s. Was geht in den Pokalwettbewerben?

Daniel Schmitt: Ich kann kaum glauben, was ich schreibe, aber in der jetzigen Form ist der Eintracht vieles zuzutrauen, angefangen bei einem Pokal-Weiterkommen in Leipzig, zumal deren Bester, Xavi Simons, Anfang Dezember verletzt fehlt. Selbst der Europacup-Titel scheint nicht ausgeschlossen, ist der Frankfurter Kader doch besser besetzt als bei der letzten Teilnahme 2022 und obendrein keine Champions-League-Absteiger-Konkurrenz im Anmarsch. Der Pessimismus aber flüstert dem Optimismus ins Ohr: Gemach, gemach! Lieber Spiel für Spiel das Ganze angehen, auch mal Leistungsdellen einkalkulieren. Für ernsthafte Prognosen warten ohnehin noch viel zu viele K.o.-Duelle.  

Mark Weidenfeller: Wenn schon Fußballtexte-Poet Daniel Schmitt zu Phrasen greifen muss, um sich selbst zu bremsen, was soll ich da sagen? Mir persönlich fehlen in der Europa League aktuell noch die Begeisterungsfähigkeit und Euphorie der vergangenen Jahre. Es fühlt sich fast schon zu normal an, gegen Pilsen, Lyon oder Besiktas zu spielen. Deshalb: Möglichst schnell und ohne große Schnörkel diese seltsame Vorrunde zu einem guten Ende bringen und dann in den K.o.-Spielen durchstarten. Wenn die Eintracht eine ähnliche Energie entwickelt wie 2022 ist alles drin. Verrückt genug. Und im DFB-Pokal ist gegen den Brauseclub ohnehin noch eine Rechnung offen. Möglich ist auch gegen RB alles - der Pokal hat ja Gott sei Dank seine eigenen Gesetze.

Stephan Reich: Für mich persönlich fühlt sich das neue Europa-League-Format noch gewöhnungsbedürftig an, die Eintracht scheint da weniger Anpassungsschwierigkeiten zu haben. Mit Ausnahme des 3:3 gegen Pilsen wurden alle Spiele gewonnen, ich gehe davon aus, dass die Hessen unter den ersten acht landen. Insgesamt sehe ich im Europacup nur Manchester United und Tottenham Hotspur besser besetzt, beides wären meiner Meinung nach sehr schöne Finalgegner. Im DFB-Pokal liegen die Dinge ein wenig anders: Das Auswärtsspiel bei RB Leipzig dürfte eines der unattraktivsten Lose überhaupt gewesen sein. Beim Retortenclub in Sachsen ist nicht viel zu holen, die Reise endet dort.

Quelle: hessenschau.de

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4 Kommentare

  • Wegen der momentanen Aura des Vereins sollte man den Busfahrer wirklich versuchen! Eine Gehaltsanpassung ist jedoch da wohl unvermeidlich. Aber in der Not könnte das Gefährt des Busfahrers auch vorm Tor geparkt werden! Nicht, wenn die Bayern kommen, aber bei dem einen oder anderen Tabellenletzten wird das St. Martins-Trauma der Eintracht ggf. doch nochmal zuschlagen!

  • Nein: Omar bleibt bis 2026 wenn die Champions League erreicht wird. Sicher!

  • Die vielen jungen Spieler der Eintracht haben alle Entwicklungspotenzial. Darum wird die Eintracht auch noch besser. Nach wie vor ist der Spielaufbau das größte Manko. Oskar kommt aus der Verletzung zurück. Ihm traue ich zu, die 6. Position besser auszufüllen und uns im Mittelfeld gegenüber hoch pressenden Gegnern stabiler werden zu lassen.
    Rasmus kommt zurück und macht uns defensiv stärker. Seine Erfahrung und Mentalität werden gebraucht. Für Collins spricht seine Schnelligkeit. Die kann er dann ab der 70. Min. einbringen.
    Omar wird uns im Sommer verlassen. 60 M+.
    In der EL und DFB-Pokal kann unsere Eintracht weit kommen. Für KO-Spiele ist unser Spielweise ideal. Um dort einen Titel zu holen, müssen aber Spielaufbau und Spielkontrolle besser werden.

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