Mit der Eintracht in Istanbul Im Flow bleiben in der Stadt des Flows

54 Europacup-Partien hat Eintracht Frankfurt seit dem Pokalsieg 2018 absolviert. Bei Besiktas Istanbul wird eine besonders leidenschaftliche hinzukommen. Tagsüber ist die Stimmung in der Stadt aber vor allem: entspannt.

Das Tüpras Stadion von Besiktas Istanbul
Das Tüpras Stadion von Besiktas Istanbul Bild © Imago Images
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Eintracht-Trainer Dino Toppmöller in Istanbul.
Eintracht-Trainer Dino Toppmöller in Istanbul. Bild © hr
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Es muss schon genau hinsehen, wer am Donnerstagmittag erste Vorboten des Spiels von Eintracht Frankfurt bei Besiktas Istanbul am Abend (21 Uhr) erkennen will. Hier mal ein "069" auf einem T-Shirt, dort mal ein aufs Schienbein tätowierter Adler. Ein Standbesitzer am Grand Bazaar feixt einer deutschen Reisegruppe "Besiktas Eintracht drei zero" hinterher, hinter ihm leuchtet der Goldschmuck. Ansonsten, so scheint es, hat Istanbul aktuell noch Wichtigeres zu tun. Eine Metropole in steter Bewegung, Autos hupen den Pulsschlag der Stadt, ein Muezzin singt, in den Gassen Gewusel und überall Stau, aber alles geht seinen Gang, alles funktioniert in einer Art wohltemperiertem Chaos.

Nichts im Fußball ist für immer, alles ändert sich, auch hier geht alles seinen Gang, wenngleich dieser mitunter schwer vorherzusehen ist. Wer wüsste das besser als Eintracht Frankfurt. Aus der grauen Maus Eintracht ist eine Mannschaft im Dunstkreis der nationalen Spitze geworden, ein Dauergast in Europa ebenfalls. Und so scheinen sich auch die Europacupreisen mit der Eintracht verändert zu haben. Es fühlt sich weniger anarchisch an, erwachsener irgendwie. Alltäglicher, auch wenn diese Erkenntnis dem ein oder anderen wie ein Eingeständnis vorkommen mag.

"Eintracht Frankfurt international" ist Realität

Aber die Europa-League-Saison 24/25 ist die sechste internationale Saison der Eintracht in den letzten sieben Jahren. Fuhren nach dem Pokalsieg 2018 noch siegestrunken 10.000 Frankfurter hierhin, 12.000 dorthin – es war ja nicht abzusehen, wann es diese Reisen je wieder geben würde –, fahren heute 2.500 Fans nach Istanbul, nämlich die, die Karten bekommen haben. Auf Dauer ist europäischer Wettbewerb eben auch teuer, und wie sich herausstellt, sind die internationalen Festtage eben doch nicht die so seltenen Lebensereignisse wie vor ein paar Jahren noch gedacht. Eintracht Frankfurt international ist längst mehr als ein Lied in der Kurve, es ist Realität. Was für eine Entwicklung.

Dazu passt, dass Eintracht Frankfurt im Jahre 2024 ganz und gar nicht als Underdog ins Spiel gegen Besiktas geht. Die Türken sind Pokalsieger, Supercupsieger und blendend in die Saison gestartet. Zumindest letzteres gilt aber auch für die Eintracht. Es gehe am Abend auch um "die Überzeugung, dass wir eine richtig gute Truppe haben", sagte Eintracht-Trainer Dino Toppmöller am Mittwoch auf der Pressekonferenz. Nach den vier Siegen in Folge in der Liga dürfte daran eigentlich niemand mehr zweifeln. Nach den vergangenen sechs, sieben Jahren sowieso nicht.

Stresstest im Tüpras Stadion

Dennoch wird das Spiel im Tüpras Stadion auch ein Stresstest für eine sehr junge Frankfurter Mannschaft. Die Fans sind legendär leidenschaftlich, 141 Dezibel wurden hier einst gemessen, Weltrekord. Wer hier bestehen will, braucht gute Nerven. "Es wird spannend sein zu sehen, wie sich unsere junge Truppe schlägt", so Toppmöller.

Aber noch scheint das weit weg, Spannung, Stress, Nerven, auch wenn es nur noch wenige Stunden bis zum Spiel sind, ist alles ruhig. Man sieht jetzt mehr Frankfurter, mehr Adler, Shirts, Aufkleber in den Metrostationen, eine Durchsage in der M2, "Football Match Besiktas Eintracht Frankfurt", dann schluckt das Kreischen der Gleise den Ton. Größere Gruppen sieht man aber wenige, erst gegen Abend werden die Fans in der Nähe des Taksim-Platz zusammenkommen, um gemeinsam zum Stadion zu gehen. Dann wird man sie hören, die altbekannten Lieder, und vielleicht wird es sich auch wieder etwas anarchischer anfühlen.

"Einfach im Flow bleiben"

Und bis dahin? "Einfach im Flow bleiben", sagt ein Frankfurt-Fan, der das Erfolgsrezept der Eintracht für das Spiel meint, genauso gut aber das Wesen der Stadt Istanbul beschreiben könnte. Eine erklärte Fußballstadt mit drei großen Klubs, die aber dennoch fast zu groß für Fußball scheint. So weitläufig, hinter jedem Hügel ein weiterer, Trikots, Fahnen, Fanshops gehen in dieser Größe einfach unter. Was dann vielleicht auch die Heißblütigkeit und Lautstärke in den Stadien erklärt: In ihnen konzentriert sich, was sich ansonsten in der Weite Istanbuls verläuft. Sie sind wie Inseln aus Leidenschaft in einem Meer aus Stadt.

"Das wird ein sehr besonderes Spiel. Als Fußballer freut man sich auf genau solche Partien zwischen zwei großen Klubs, in einem geilen Stadion mit geiler Atmosphäre", sagte Robin Koch am Vorabend. Vor Jahren ließ sich Timo Werner einst wegen der Lautstärke auswechseln, Journalistenkollegen sind mit Ohropax im Gepäck angereist. Laut wird es also ganz sicher, das 55. internationale Spiel von Eintracht Frankfurt seit dem Pokalsieg 2018. Und natürlich ein Erlebnis für jene, die dabei sind, wie ja die ganze Reise. Eintracht Frankfurt international, mit dem Bus und Bahn und so weiter, anders eben, alltäglicher, aber macht es das weniger schön? Was ihr Tipp für das Spiel sei, wird eine Frankfurterin in einer Bar gefragt. Sie zögert kurz, vor ihr leuchtet ein Bier, sie sitzt mit fünf, sechs Freunden an einem Tisch. "Egal", sagt sie.

Quelle: hessenschau.de