Eintracht-Gegner Olympique Lyon im Check Frankreichs König am Tropf eines Hollywood-Gurus
Olympique Lyon war einst das aufregendste Team Frankreichs und eilte mit Stars wie Karim Benzema von Titel zu Titel. Aktuell droht dem kommenden Gegner von Eintracht Frankfurt der Zwangsabstieg. Helfen muss ein Auferstehungs-Experte.
Eintracht Frankfurt tritt am Donnerstag (ab 21 Uhr im Livestream bei hr-iNFO) im letzten Europa-League-Gruppenspiel des Jahres bei Olympique Lyon an. Alle Infos zum kommenden Gegner gibt es an dieser Stelle.
Der Verein
Die Geschichte von Olympique Lyonnais, so der offizielle Name, lässt sich perfekt in zwei Teile aufspalten: Die Zeit vor dem Einstieg von Jean-Michel Aulas, und die Zeit danach. Bis zum Jahr 1987 war OL ein handelsüblicher und austauschbarer Profi-Verein, der zudem perfekt zum griesgrämigen Ruf Lyons passte. Umjubelte (kleinere) Titel wechselten sich mit dramatischen Abstiegen ab. Mit Marseille oder Paris konnten weder die Stadt noch der Club mithalten. Ein fußballerischer Minderwertigkeitskomplex.
Genau das änderte sich aber mit Vereins-Patron Aulas. Der inzwischen 75-Jährige kaufte sich 1987 bei dem damaligen Zweiligisten ein, machte sich selbst zum Präsidenten und dann an die Arbeit. Die Folge: Viele neue Freunde gewann Aulas im Rest des Landes nicht, bis heute gilt er als streitbar und Schrecken der Schiedsrichter. Er führte OL aber zurück in die Ligue 1 und zwischen 2001 und 2008 zu gleichen sieben Titeln in Folge. "Lyon der Fünfte, König von Frankreich", titelte die L'Equipe schon 2005 ehrfurchtsvoll. Spieler wie Juninho, Karim Benzema oder Michael Essien haben in Lyon noch heute Heldenstatus, eine längere Meisterschaftsserie gelang danach nicht mal PSG.
Das große Aber folgt jedoch jetzt: Spätestens seit dem Verkauf der Anteilsmehrheit an US-Investor John Textor (zu ihm später mehr) im Jahr 2022 ging es mit OL steil bergab. Der Abstieg konnte in der vergangenen Saison dank Trainer Pierre Sage (auch zu ihm später mehr) und einer Transfer-Offensive zwar noch verhindert werden. Da der Club aktuell Schulden in Höhe von rund 500 Millionen Euro angehäuft hat, wurde Lyon von der Finanzaufsicht DNCG aber zum provisorischen Zwangsabstieg verurteilt. Einzige Lösung: Geld muss her, und zwar schnell.
Der Star
Sportlich, so viel sei gesagt, hätte Lyon den Abstieg nicht verdient. Platz fünf in der französischen Liga und Platz sieben in der Europa-League-Tabelle sprechen für sich, ein Blick in den sehr teuren Kader ebenfalls. Einen echten und alles überstrahlenden Star gibt es derzeit zwar nicht, dafür aber viele Spieler mit Potenzial oder bekannten Namen.
Beispiele gefällig? Der georgische EM-Torschützenkönig Georges Mikautadze wurde zuletzt immer mal wieder mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht, genau von dort kennt man noch Lyons Mittelfeldmotor Corentin Tolisso. Ebenfalls ein alter Bekannter aus der Bundesliga ist der Ex-Mainzer Moussa Niakhaté. Das wohl heißeste Transfer-Eisen (Lyon braucht Geld, Sie erinnern sich) ist zudem Eigengewächs Rayan Cherki. An dem 21 Jahre alten Offensiv-Spieler sollen unter anderem der BVB und RB Leipzig interessiert sein.
Der Trainer
Trotz der hohen Promi-Dichte im Kader ist der derzeit beliebteste Mitarbeiter Lyons eindeutig Trainer Pierre Sage. Der 45-Jährige, der im Oktober 2023 als Übergangslösung vorgestellt wurde, hat in den vergangenen Monaten seine ganz eigene Cinderella-Story geschrieben. Sage, der bis auf eine kurze Trainer-Tätigkeit in der 3. französischen Liga nur im Jugendbereich gearbeitet hatte und in Lyon das Nachwuchszentrum leitete, übernahm OL als Tabellenletzter und führte seinen Herzensclub dann aus dem Tabellenkeller. Doch nicht nur das.
Sage schaffte in seiner Premieren-Saison sogar das, woran seine namhaften Vorgänger Fabio Grosso, Laurent Blanc und Peter Bosz allesamt gescheitert waren: Er qualifizierte sich mit seinem Team für den europäischen Wettbewerb. Dass er inzwischen zur Dauerlösung aufgestiegen ist und auch einen entsprechenden Vertrag unterschrieben hat, versteht sich von selbst. Einen kleinen Haken hat die Sache dennoch: Da Sage nicht im Besitz einer UEFA-Pro-Lizenz ist, bekommt OL für jedes Spiel eine Strafe in Höhe von 25.000 Euro aufgebrummt. Viel Geld, sollte man meinen. Eine lohnende Investition, sagt man in Lyon.
Das Stadion
Bei so viel spektakulärer Geschichte und Gegenwart kommt die Spielstätte von Olympique Lyon fast schon ein wenig spießig daher. Das etwas außerhalb der Stadt liegende Groupama Stadium wurde zwischen 2013 und 2015 für die EM 2016 errichtet, auch Spiele der Frauen-WM 2019 und des olympischen Fußball-Turniers 2024 fanden in Lyon – oder genauer: in Décines-Charpieu – statt. Es gibt 59.186 Plätze und laut mehrerer Augen- und Ohrenzeugenberichte eine durchaus brauchbare Akustik. Ob das alles schon für einen Eintrag im Lyonely-Planet-Reiseführer reicht? Der Autor dieses Textes ist sich unsicher.
Und sonst so?
Genügend Stoff für Erzählungen bietet Lyon aber natürlich trotzdem. Und das liegt neben den sportlichen Geschichten vor allem an Club-Eigentümer Textor. Der US-Amerikaner, der früher als großes Skateboard-Talent galt, auf dem Weg zu einer Karriere zwischen Halfpipe und Kicker aber von einer schweren Verletzung ausgebremst wurde, ist ein echter Hollywood-Guru.
Der gelernte Informatiker gründete in frühen Jahren ein Studio für Spezialeffekte und machte mit seiner Arbeit unter anderem Regisseur-Legende James Cameron auf sich aufmerksam. Dieser übernahm kurzerhand Textors Firma, beförderte diesen zu seinem Effekte-Chef und arbeitete mit ihm gemeinsam an Filmen wie "Transformers", Fluch der Karibik" oder auch "Der seltsame Fall des Benjamin Button". Vor allem letzteren Titel und die stetige Verjüngung von Brad Pitt hätte es, so heißt es, ohne Textor wohl nie gegeben. Und das ist noch nicht alles.
Einige Jahre später wechselte Textor nämlich noch einmal seine Vorlieben und spezialisierte sich auf Hologramme. 2012 ließ er mit dieser von ihm vorangetriebenen Technologie bei einem Festival Tupac Shakur auferstehen, bei den Billboard Music Awards 2014 tanzte dann Michael Jackson über die Bühne.
Die gute Nachricht für Olympique Lyon: Es ist in der aktuellen Lage sicher nicht das Schlechteste, einen Experten für Wiederbelebungen in seinen Reihen zu haben. You Are Not Alone!
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