Die Eintracht-Brust wird breiter

Die Eintracht ist im Flow, steht fast im Achtelfinale der Europa League, freut sich über treffsichere Stürmer und holt dennoch zeitnah einen weiteren Angreifer. Das Budapest-Spiel zeigt in einigen Phasen, warum das auch nötig ist.

Entspannter Jubel: Torschütze Hugo Ekitiké (links) und Arthur Theate machen es sich gemütlich
Entspannter Jubel: Torschütze Hugo Ekitiké (links) und Arthur Theate machen es sich gemütlich Bild © Imago Images
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Krösche vor den Mikros der Medien.
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Dino Toppmöller überließ seinem Kollegen bis zuletzt die Bühne, verkrümelte sich schon via Hinterausgang in die Tiefgarage des Frankfurter Fußballstadions, da setzte sich vorne Jan Fießer erst aufs Podium – und der Eintracht-Cheftrainer für einen Abend, der den gesperrten Toppmöller in der Europa League gegen Ferencvaros Budapest vertreten durfte, freute sich sichtlich über das Erlebnis. "Rundum schön war‘s", sagte er grinsend in Richtung der Medien. Man muss wissen: Fießer, 38, ist ein Eintrachtler durch und durch, spätestens seitdem er in der Jugend vier Jahre lang das Trikot mit dem Adler auf der Brust trug.

Dass der 2:0-Heimerfolg für die restliche Frankfurter Fußballgemeinde lang-, mittel- und selbst kurzfristig kaum noch für erhöhten Puls sorgen wird, ist einem Spiel geschuldet, das zwei Mannschaften gegeneinander antreten ließ, deren Leistungsvermögen weit auseinanderklafften. Hier die Gäste aus Budapest, die chancenlos waren - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Sie brachten in 100 gespielten Minute keine einzige gefährliche Situation zu Stande. Dort die Eintracht, die ihr Programm routiniert abspulte, in der ersten Hälfte zu langsam, nach dem Seitenwechsel zügiger und deshalb erfolgreicher.

Ein Knaller öffnet die Dose

Der "Dosenöffner" in diesem Geduldsspiel, wie Fießer richtig sagte, war die Führung von Can Uzun, der erst den Ball eroberte und ihn dann aus der Ferne ins Netz knallte (49.). Kurz darauf legte Hugo Ekitiké nach feiner Einzelleistung spielentscheidend nach (59.). Zwei treffsichere Stürmer also, die den Teamkollegen Hugo Larsson sogar sagen ließen: "Vielleicht war Omar doch nicht so wichtig." Ein Scherz, versteht sich.

Denn gerade die dürftigen ersten 45 Minuten offenbarten doch eindrücklich, woran es ohne Omar Marmoush hapert, am Zug zum Tor, an Klarheit in den Angriffsaktionen. Die Eintracht spielte zwar handball-artig um den gegnerischen Sechzehner herum, hinein aber kam sie kaum. Ekitiké verhedderte sich ständig im vielbeinigen Abwehrgestrüpp, Uzun tauchte mehr ab statt auf. Beide Angreifer legten jedoch nach der Pause wie der Rest des Teams deutlich zu.

Uzun verbessert sein Mindset

Für Uzun war der Treffer der erste im Europapokal. "Ich habe sehr lange auf diesen Moment gewartet und bin sehr glücklich gerade", sagte er, der sich nach dem Marmoush-Abgang nun Hoffnung auf mehr Einsatzzeit machen darf. "Wenn der beste Spieler weggeht, ist das natürlich eine Chance für einen Spieler wie mich." Ein-Abend-Chef Fießer attestierte Uzun zudem große Fortschritte, vor allem in der Defensivarbeit: "Er hat sein Mindset geändert, das schaffen nicht viele.“

Kuriosum am Rande, das der Kicker aus dem Archiv kramte: Mit 19 Jahren und 73 Tagen ist Uzun nun der zweitjüngste Torschütze der Frankfurter in einem europäischen Hauptwettbewerb. Lediglich Ernst Abbé war 1967 bei seinem Treffer im Messepokal jünger (18 Jahre und 262 Tage). Auch er traf gegen Ferencvaros.

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Can Uzun: "Bin sehr glücklich gerade"

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Wahi wird zum Rekordeinkauf

Alsbald, womöglich schon an diesem Freitag, wird Uzun mit dem französischen Stürmer Elye Wahi zusätzliche Konkurrenz bekommen. Der 22-Jährige wechselt vorbehaltlich eines unauffälligen Medizinchecks von Marseille an den Main, kostete die Eintracht laut hr-sport-Infos im Gesamten bald 26 Millionen Euro.

Wahi wird somit zum Rekordeinkauf des Clubs und ganz automatisch einige Erwartungen schultern müssen. Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche bestätigte den Transfer am Donnerstag zwar nicht, sprach aber von Stunden, in denen sich eine andere Gemengelage darstellen könnte. Wahi ist mindestens mittelfristig als Stammkraft an der Seite von Ekitiké eingeplant. Seine geradlinige Spielweise dürfte dem Team guttun.

"Keine Kaffeefahrt" nach Rom

Da die Eintracht-Offensive dieser Tage viel Aufmerksamkeit absorbiert, sollte eines jedoch nicht vergessen werden: Die Defensive ist gerade bärenstark und sichert die Siege. In vier Pflichtspielen dieses Jahres kassierte die Eintracht erst ein Gegentor. Gegen Budapest wirkte die Hintermannschaft fast schon unterfordert. Rasmus Kristensen etwa konnte ständig zu Angriffsläufen ansetzen. "Die Bereitschaft zum Verteidigen ist auf einem hohen Niveau", stellte auch Fießer fest. Alles in allem wird die Brust breiter.

Die Eintracht, die am Sonntag in der Bundesliga gegen die zurzeit im Sinkflug befindliche TSG Hoffenheim antritt, reist dank des Budapest-Pflichtsieges mit einer gute Ausgangslage kommende Woche nach Rom. Sie ist Tabellenzweiter der Europa League. In der Ewigen Stadt genügt den Hessen daher ein Remis gegen die Associazione Sportiva, um selbstständig den Einzug ins Achtelfinale dingfest zu machen.

Das Szenario, das die Frankfurter in die Zwischenrunde runterstufen würde, ist zudem ein sehr unwahrscheinliches. Jan Fießer gewann dem Noch-nicht-ganz-Weiterkommen dennoch etwas Gutes ab. "Rom wird keine Kaffeefahrt. Wir wollen uns nicht das Kolosseum anschauen, sondern drei Punkte holen." Gut gebrüllt, Löwe. Hätte Dino Toppmöller kaum besser machen können.

Quelle: hessenschau.de