Rücktritt von Eintracht-Präsident Fischer Der Kompromisslose
Nach 23 Jahren geht die Ära Peter Fischer bei Eintracht Frankfurt zu Ende. Bei allem sportlichen Erfolg wird sein kompromissloses Eintreten für demokratische Werte sein Vermächtnis sein.
Man muss sich Eintracht Frankfurt als einen anderen Klub vorstellen, damals, im Jahre 2000, als Peter Fischer Präsident wurde. Sportlich lief es gelinde gesagt bescheiden, gerade war die Firma Octagon bei der Eintracht eingestiegen, bald würde sie (und ihr Geld) wieder weg sein, die Eintracht stieg in Fischers erster Saison zum zweiten Mal aus der Bundesliga ab, 2002 verweigerte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) den Hessen dann die Lizenz, die sie dann Spitz auf Knopf doch noch bekamen.
Die ersten zwei Jahre im Amt müssen Fischer wie 20 vorgekommen sein. Nichts lief, nichts deutete darauf hin, dass sich bei der Eintracht kurz- oder mittelfristig irgendetwas ins Positive wenden würde. "Hätte mir zu meinem Amtsantritt im Jahr 2000 jemand gesagt, auf welche Meilensteine wir heute zurückblicken können, hätte ich es ganz sicher nicht geglaubt", sagte Fischer nun zu seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Amt, nach 23 Jahren ist für ihn Schluss.
Fischer: "Auf diese Entwicklung bin ich unheimlich stolz"
Es gibt einen Spiegel-Artikel aus jener Zeit, der eigentlich eher eine Art Protokoll ist und mit Der Niedergang der Frankfurter Eintracht betitelt ist. Man kann darin das ganze Chaos dieser Jahre in trockenen, nüchternen Worten nachlesen, es ist die Chronologie eines fast endgültigen Absturzes eines großen Traditionsvereins. 23 Jahre nach Fischers Amtsübernahme trifft kaum ein Wort die Entwicklung der Frankfurter Eintracht so wenig wie "Niedergang". Im Gegenteil.
Die Hessen haben mehr Mitglieder denn je, sportlich war der Klub selten in seiner Historie erfolgreicher. "Gemeinsam haben wir die Eintracht sowohl sportlich als auch wirtschaftlich auf gesunde Beine gestellt, wir sind von seinerzeit 4.700 auf heute über 125.000 Mitglieder gewachsen", wird Fischer in einer Mitteilung des Vereins zitiert. "Und wir haben deutlich gemacht, für welche Werte wir einstehen. Auf diese Entwicklung meiner Eintracht bin ich unheimlich stolz."
"Peter gibt einen aus"
Fischer stand all diese Jahre im Zentrum all dieser Entwicklungen, unübersehbar mit seinen zwei Metern, oft schillernd, dann wieder streitbar, immer Eintrachtler durch und durch. Die feste Bindung, die bei den Hessen zwischen Fans und Klub herrscht, existiert auch deshalb, weil mit Fischer stets jemand an entscheidender Stelle saß, der um die Belange der Fans wusste, mit ihnen kommunizierte, mit ihnen stritt und feierte.
Eine Art Scharnier zwischen Basis und Klub, das Bindeglied in einer nicht immer einfachen Beziehung. "Peter gibt einen aus", ertönte stets da, wo Fischer rund um die großen Spiele der Eintracht auftauchte. Oft genug tat er, der Lebemann, das dann auch. "Ich will aus diesem verdammten Pokal saufen", rief er von der Bühne des Fanfests vor dem Pokalfinale 2018 in Berlin.
In seine Zeit als Vereinspräsident fallen zwei Dekaden nach dem Beinahe-Lizenzentzug nun ein DFB-Pokalsieg und ein Europacup-Sieg, sie sind die Spitze einer erstaunlichen Entwicklung, die so nicht abzusehen war. Es könnte sogar noch ein weiterer Pokalsieg dazukommen, wenn die Eintracht im Juni in Berlin im Finale antritt. Bei aller Silberware aber ist Fischers größeres Verdienst wohl das Einstehen für jene Werte, die er in der Mitteilung zu seinem Abschied meint.
Fischer: "Wir wollen keine Nazis"
Fischer hat das gesellschaftspolitische Potential, das ein Fußballverein haben kann, stets auch als das verstanden, was es ist: eine Verantwortung. Dem Wiedererstarken nationaler Kräfte in Deutschland stellte sich Fischer laut und offen entgegen, Antirassismus und Toleranz waren für ihn mehr als irgendwelche Floskeln, es waren gelebte Werte, die er kompromisslos verteidigte.
Wer Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD) sei, könne kein Mitglied bei der Eintracht sein, sagte er im Interview mit der FAZ – und als in Hanau neun Menschen bei einem rassistisch motivierten Anschlag starben, nahm Fischer an Gedenkveranstaltungen teil. "90.000 Mitglieder in meinem Verein sind gegen diese scheiß Rassisten, gegen diese scheiß AfD, sie zeigen klare Kante: Wir wollen keine Nazis. Wir brauchen Euch braunen Sumpf nicht", rief er von einer Bühne. Für die neue Rechte wurde Fischer so zur Hassfigur, seinem Klub gab er Kontur und einen klaren Kompass.
Fischer: "Grenzen überschritten"
In den vergangenen Monaten war Fischer bundesweit wegen einer angeblichen Kokain-Affäre in die Schlagzeilen und das Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Die Vorwürfe wurden nach wochenlangen Ermittlungen fallengelassen, Fischer sprach von einer "Rufmord-Kampagne". Anlässlich seines vorzeitigen Rückzugs sagte er nun: "Die zurückliegenden Wochen haben Grenzen überschritten."
Es ist ein Abschied mit Getöse, kein ruhiger Schnitt. Aber irgendwie passt das auch zu Peter Fischer. Mit Mathias Beck steht ein Nachfolger bereit. Er tritt in große Fußstapfen.