Spektakuläres Halbfinale in Stuttgart Eintracht rutscht nach Glasners Video-Tricks ins Finale
Die Spieler tollten wie Kinder über den Rasen: Eintracht Frankfurt hat sich beim Halbfinalsieg in Stuttgart den Frust einer ganzen Bundesliga-Rückrunde von der Seele geballert. Jetzt geht der Blick nach Berlin – dort warten Leipzig und Helene Fischer.
Er hat es wieder getan. Wie schon nach dem legendären 3:2-Erfolg beim FC Barcelona oder dem Europa-League-Sieg vor knapp einem Jahr in Sevilla: Oliver Glasner ist wieder gerutscht. Nach dem spektakulären 3:2 im Halbfinale des DFB-Pokal beim VfB Stuttgart ruinierte Glasner sein frisch übergestreiftes "Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehen"-Shirt.
Bei seinem Diver rutschte Glasner gleich zweimal in Richtung der vielen tausend mitgereisten Eintracht-Fans in der Kurve. Dabei fiel der Frust der ganzen verkorksten Bundesliga-Rückrunde ab. Der Diver gehöre bei großartigen Triumphen einfach dazu, sagte der Österreicher.
Siegerfoto vor den jubelnden Fans
Seine freudetrunkenen Spieler feierten indes ebenfalls auf dem Rasen. Wildes Durcheinandertanzen. Das Glück einfach rausschreien. Und natürlich: Das Siegerfoto vor den jubelnden Fans – fast schon obligatorisch, die Eintracht steht zum dritten Mal innerhalb von sechs Jahren im DFB-Pokalfinale. Und gleichermaßen ziemlich unwirklich. Denn nach dem frühen Rückstand durch Stuttgarts Tiago Tomás (19.) hatte die Lage noch alles andere als gut ausgesehen.
Eine halbe Stunde lang sah die Eintracht wie ein Verlierer aus: mangelnde Körpersprache, viele Fehlpässe und die zahlreichen Spielzüge durch die Mitte des Spielfeldes, die meist im Nirvana endeten. Vor der Pause ging die Leistungskurve der Eintracht dann langsam nach oben. Dann kam die Halbzeitpause, in der scheinbar wundersame Dinge geschahen.
Mit Video-Studium ins Glück
Denn nach der Pause wirbelte die Eintracht nur noch so über den Platz. Auf einmal kombinierten die Hessen wie zu besten Hinrunden-Zeiten. Der Höhepunkt: falbelhafte vier Minuten Anfang der zweiten Halbzeit. Mit zwei Toren durch Evan N'Dicka (51.) und Daichi Kamada (55.). Schließlich der Elfmeter-Treffer von Randal Kolo Muani (77.). Spiel gedreht. Pokalfinale. "Das war eine Riesen-Erleichterung", freute sich Glasner.
Doch was passierte denn nun in der Halbzeitpause? Magie? Spezielle Mittelchen? Über Kohlen laufen? Attila in der Kabine? Die Antwort ist denkbar simpel: Glasner zeigte Spielszenen, die vom Videoteam der Eintracht vorbereitet worden waren. Spielszenen, wie der VfB Stuttgart zu knacken ist.
Videoszenen spielten auch schon im Vorfeld des Halbfinals eine Rolle, insbesondere für Daichi Kamada, den formschwachen Japaner, den viele Fans während des Spiels in den sozialen Netzwerken noch auf den Mond schießen wollten. Trainer Glasner griff auch hier zum Video-Zusammenschnitt, macht Kamada am Tag vor Spiel Mut. "Ich hab gestern Daichi noch all seine Tore aus dem Herbst gezeigt. Da schießt er alle so zwischen 14 und 18 Metern. Schieß einfach, habe ich gesagt. Und das hat er dann gemacht. Freut mich riesig."
Kamada: Vom Sorgenkind zum Matchwinner
Der Japaner wurde zum Matchwinner. In der 55. Minute zog er entschlossen von links in die Mitte vor das Stuttgarter Tor und schoss den wichtigen Treffer zum 2:1. Aus 18 Metern. Wie in den Videos. Fast die gesamte Mannschaft inklusive der Auswechselspieler stürmte daraufhin auf Kamada los. Der 26 Jahre alte Japaner verschwand in einer riesigen Jubeltraube, tauchte aber wieder auf und bereitete auch noch das 3:1 vor. Als er zu einem Mijat-Gaćinović-Gedächtnis-Lauf ansetzte. Wie der Serbe einst vor dem 3:1-Siegtreffer im Pokalfinale gegen Bayern München 2018.
Kamada spurtete und spurtete. Doch diesmal war einer mitgelaufen: Kamada spielte klug auf Kolo Muani. Der wurde vom Stuttgarter Torhüter gefoult. Elfmeter. 3:1. Doch der Sieg war das noch nicht. Am Ende musste die Eintracht doch noch zittern. Nach dem Stuttgarter 2:3 in der 86. Minute. Denn in der achten Minute der Nachspielzeit hätte alles nochmal kippen können.
Doch diesmal hatte die Eintracht das Glück, das ihr in den vergangenen Wochen fehlte. Schiedsrichter Daniel Schlager erkannte nach Videostudium nicht auf Handspiel von Aurlio Buta. Kein Elfmeter für Stuttgart, obwohl man den hätte geben können.
DFB-Pokal-Finale gegen den ungeliebten Gegner
Nun also das Finale in Berlin am 3. Juni. Gegen Leipzig. Keinen anderen Gegner lehnen die Fans von Eintracht Frankfurt so sehr ab. Die Argumente sind bekannt: Fehlende Tradition, Marketing-Konstrukt. Seit Spielende in Stuttgart sind die Eintracht-Fans dabei, sich Karten für das Finale zu organisieren. Im neutralen Bereich des Berliner Olympia-Stadions, bald im eigenen Fanbereich – und über Chemie Leipzig, dem befreundeten Club.
"Ja, Sie haben mich richtig verstanden: wir nehmen alles an Tickets für Berlin, was Sie haben...wir zahlen bar...", schrieb Eintracht-Boss Axel Hellmann überschwänglich und augenzwinkernd auf Twitter.
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Die Eintracht und Leipzig werden traditionell im Olympiastadion spielen. Viel mehr Gemeinsamkeiten wird es wohl nicht geben. Kein gemeinsamer Fanschal, wahrscheinlich keine gemeinsame Pressekonferenz. So war im vergangenen Jahr auch der SC Freiburg vor dem Finale gegen Leipzig verfahren.
Aber all das ist Musik von morgen – jetzt überwiegt erstmal die Freude über den Finaleinzug. Stichwort Musik: Beim siegreichen Halbfinale in Stuttgart am Mittwochabend gab parallel die erfolgreichste deutsche Sängerin, Helene Fischer, ein Konzert in der Halle neben dem Stadion. Vielleicht ein Glücksbringer für die Eintracht? Denn Anfang Juni ist Helene wieder da. Am Tag des Pokalfinales gibt Fischer ihr Konzert in Berlin. Zum Glück singt sie nicht im Stadion, wie beim Finale 2017, als die Eintracht anschließend gegen Dortmund verlor...