Eintracht kämpft mit erstem Durchhänger

Eintracht Frankfurt kann sich bei Union Berlin auf die Basics verlassen, letztlich bewahrt aber nur der VAR die Hessen vor der nächsten Niederlage. Die gute Form ist weg, zwei tragende Säulen (womöglich) auch. Die Analyse in fünf Punkten.

Frust bei Eintracht-Trainer Toppmöller
Dino Toppmöller war nicht ganz zufrieden mit dem Auftritt seines Teams. Bild © Imago Images
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Eintracht Frankfurt hat sich am Sonntag ein 1:1 und damit einen Punkt bei Union Berlin erkämpft. Jubilar Mario Götze brachte die Hessen in Führung, der Ex-Wehener Benedict Hollerbach glich aus. In der Nachspielzeit halfen dann die Adleraugen des VAR, die vor dem vermeintlichen Siegtreffer des Ex-Darmstädters Tim Skarke eine Abseitsposition erkannt hatten und dem Treffer die Anerkennung verwehrten.

Videobeitrag
Im Hintergrund sieht man ein Fussballstadion, davor links das Logo vom 1. FC Union Berlin und rechts das Logo der Eintracht Frankfurt
Bild © hr
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1. Die Eintracht im VAR-Glück

Wir rollen das Spiel ausnahmsweise von hinten auf und beginnen mit der Nachspielzeit. In dieser erzielte der bereits erwähnte Berliner Stürmer Skarke den 2:1-Siegtreffer für die Hausherren, sein Jubel wurde aber jäh ausgebremst. Da in der Entstehung des Treffers die Ferse von Christopher Trimmel hauchzart näher zum Tor platziert war als das letzte Frankfurter Abwehr-Körperteil, zählte der Treffer nicht. Eine Entscheidung im Sinne der Regeln, niemals im Sinne des Fußballs, an diesem Abend wiederum aber im Sinne der Eintracht.

Die Absurditäten des modernen und angeblich gerechteren Fußballs, die die Eintracht noch vor einer Woche und dem verweigerten Elfmeter von Leverkusen auf die Palme gebracht hatten, verhalfen ihr an diesem Sonntag zu einem Punktgewinn. "Hinten raus hatten wir sicher Glück. Ich denke aber, dass der Punkt verdient war", resümierte Trainer Dino Toppmöller. In Leverkusen im VAR-Pech, in Köpenick im VAR-Glück. Die alte Fußballweisheit, dass sich im Laufe der Saison alles ausgleicht, hat also doch noch Bestand. Es fühlt sich nur irgendwie anders an.

2. Ein verdienter Punkt mit großem Aber

Doch war dieses Remis, wie von Toppmöller deklariert, wirklich verdient? Nun: An der Alten Försterei, die unter Bo Svensson wieder zu einer Festung geworden ist, entwickelte sich im Grunde genau das Spiel, das die Eintracht erwartet hatte. Viel Kampf, viele Zweikämpfe, wenig Platz für Tempo-Fußball. Die deutlich erwachsener gewordenen Hessen nahmen diese ekligen Bedingungen zu Beginn der Partie gut an und gaben vor allem fußballerisch die richtigen Antworten.

Hinzukam: Die erneut von Omar Marmoush getretenen Eckbälle waren, und das gab es in Frankfurt gefühlt seit 30 Jahren nicht mehr, tatsächlich fast alle gefährlich und führten zum in diesem Moment folgerichtigen Führungstor von Götze.

Dann jedoch folgte das große Aber: Nach rund 30 Minuten entglitt der Eintracht das Spiel fast komplett und Union wurde immer besser. "Wir haben richtig gut angefangen. Nach der Pause hatten wir nicht mehr die Ruhe und zu einfache Ballverluste", fasste Sportvorstand Markus Krösche zusammen. Der Eintracht fehlte es in Berlin an Konstanz und Durchhaltevermögen. Der Punkt war verdient, eine Niederlage wäre angesichts der Passivität nach dem Führungstor aber auch nicht unverdient gewesen. Kompliziert, dieser Fußball.

3. Die Leistungskurve zeigt nach unten

Das Entscheidende ist aber: Die Eintracht muss nach furiosem Saisonbeginn mit ebenso spektakulären wie erfolgreichen Auftritten den ersten echten Durchhänger dieser Spielzeit verkraften. Die Leichtigkeit ist erst einmal weg, die Leistungskurve zeigt klar nach unten. Das ist nach den Belastungen der vergangenen Wochen vielleicht noch nicht einmal verwunderlich. Es zeigt aber, dass dieses hochtalentierte Gebilde noch immer etwas wacklig ist und erklärt die Zurückhaltung der Frankfurter Verantwortlichen in den vergangenen Wochen.

Toppmöller und Krösche hatten immer wieder davor gewarnt, dass es noch viel Verbesserungsbedarf gebe. Toppmöllers Anmerkung, dass "man sich nicht wochenlang in den Armen liegen darf, nur weil wir einmal 3:3 gegen die Bayern spielen", könnte zum prägenden Satz dieser Saison werden. Die Eintracht hat Potenzial. Dass es aber auch noch Spiele geben kann, in denen selbst Omar Marmoush und Hugo Ekitiké quasi unsichtbar sind, ist ein Zeichen und sollte eine Warnung sein. 70 Prozent mögen gegen Riga reichen, in der Bundesliga ist das zu wenig.

4. Die tragenden Säulen brechen weg

Die Eintracht ist in Berlin letztlich mit einem blauen Auge davongekommen, richtig schmerzhaft wurde der Abend aber durch zwei Personalien. Rechtsverteidiger Rasmus Kristensen musste verletzungsbedingt ausgewechselt werden und droht länger auszufallen. "Er hat mit Sicherheit etwas Muskuläres", sagte Toppmöller und kündigte eine MRT-Untersuchung an. Diagnose derzeit offen. Innenverteidiger Arthur Theate sah zudem eine fragwürdige Gelb-Rote Karte und wird das Heimspiel gegen Bochum verpassen.

Die Eintracht kündigte zwar einen Einspruch gegen die Sperre an. Da die Entscheidung von Schiedsrichter Harm Osmers zwar hart und umstritten, aber keineswegs komplett regelwidrig war, sind die Chancen auf Erfolg wohl eher gering. Heißt: Bei allen ohnehin gerade eintretenden Schwankungen brechen der Eintracht nun auch noch vorübergehend zwei tragende Säulen weg. Kristensen und Theate, die unbesungenen Helden des Erfolgs, sind nur schwer zu ersetzen. Vor allem auf der Rechtsverteidiger-Position wird sich Toppmöller in den kommenden Englischen Wochen etwas einfallen lassen müssen.

5. Jubilar Götze zeigt seine Klasse

Bei allen Ärgernissen und Schwierigkeiten gab es in Köpenick aber auch noch echten Grund zur Freude. Mario Götze, der ewige WM-Held, absolvierte in der Hauptstadt sein insgesamt 300. Bundesligaspiel und zeigte bei seinem Jubiläum wieder einmal seine ganze Klasse. Der inzwischen 32-Jährige ordnete das Spiel, verteilte Bälle und bewies eindrucksvoll, dass er auch mehr als zehn Jahre nach der magischen Nacht von Rio noch immer der beste Fußballer im Frankfurter Team ist. Dass ihm nach einem Eckball der Ball vor dem leeren Tor vor die Füße sprang – mach ihn, den hätte vermutlich jeder im Stadion gemacht – passte zum Abend.

"Die Bundesliga hat ihm ein kleines Geschenk gemacht, dass er den Ball ins leere Tor schieben durfte", gratulierte Trainer Toppmöller. Götze selbst sprach von einem Meilenstein. "Davon habe ich als kleines Kind geträumt." Ein seltsamer Satz aus dem Mund des Final-Helden von 2014, trotzdem die schönste Geschichte des Abends.

Redaktion: Mark Weidenfeller

Sendung: hr-fernsehen, heimspiel! am Montag,

Quelle: hessenschau.de