Warum der WM-Star bei Eintracht aufblüht Götzefunkeln
Mario Götze trifft mit Eintracht Frankfurt am Samstagabend auf seinen Ex-Klub Borussia Dortmund. Frühere Trainer schwärmen von ihm, die WM in Katar ist in Sicht. So fand der Star zurück zur alten Klasse.
Am Samstagmorgen war es so weit. Wann immer es kürzlich hieß, Mario Götze habe auch seinen letzten Kritiker überzeugt, war nun diese Zeit endgültig gekommen. Der Trainer Peter Stöger schwärmte in einem Interview mit Sky über die Fähigkeiten des 30-Jährigen: "Wenn Mario fit ist, dann ist er für jede Mannschaft der Unterschiedsspieler, natürlich auch für die deutsche Nationalmannschaft", erklärte der Österreicher und forderte die Nominierung Götzes für die WM. Jener Peter Stöger hatte sich durchaus von dessen Fähigkeiten aus nächster Nähe ein Bild machen können, trainierte er Götze doch während seiner kurzen Amtszeit beim BVB von 2017 bis 2018.
Nur klangen die Worte damals etwas anders: "Mit Mario waren wir überhaupt nicht einverstanden. Wenn nichts umgesetzt wird, was wir uns vorgenommen haben, müssen wir anderen Jungs die Chance geben. Nur mit Hacke und Spitze kannst du in so einem Spiel nichts gewinnen", sagte Stöger nach einem Spiel in Salzburg, in dem er Götze zur Halbzeit ausgewechselt hatte. Die Kritik an "Hacke, Spitze"-Fußball hat die Zeiten in Dortmund überstanden, doch Stöger und Götze sind längst nicht mehr beim BVB. Ihr Verhältnis galt als angespannt; sicher ist, dass Götze unter dem Coach nie richtig aufblühen konnte. Stöger erklärte dies nun mit dessen fehlender Fitness.
Taekwondo und Paddle-Tennis - Götze ist fit wie lange nicht
Genau in diesem Rückblick stecken auch viele Erklärungen für die derzeitige Formstärke von Götze. Vor der Partie gegen seinen Ex-Verein (Samstag, 18.30 Uhr) steht er wieder einmal im Fokus, auch weil er unter der Woche eine überragende Partie gegen Marseille hinlegte. Sein ehemaliger Lehrer Stöger mag schon recht haben, dass in Frankfurt ein anderer Mario Götze auftrumpft. Zugänglicher, lockerer und auch fitter.
Schon an seinem ersten Trainingstag suchte er die Nähe zu den Fans, schrieb direkt nach dem Ende als Erster Autogramme, kickte in seiner Freizeit mit Jungs im Ostpark. Bei manchen Einheiten in der Vorbereitung lief er als einziger Akteur mit einem Brustgurt zur Datenmessung auf, seit Saisonbeginn gehört er zu den Spielern mit den meisten intensiven Läufen. Im Sommer maß er sich auf Mallorca nicht nur mit Jürgen Klopp im Paddle-Tennis, sondern hielt sich mit Taekwondo fit. In Eindhoven soll ihn das Trainerteam, so schrieb es die Süddeutsche Zeitung, in "Spezialbehandlung" genommen haben: "Fitness-Coach und Physiotherapeut leisteten, so heißt es, Komplettbetreuung."
Glasner trifft bei Götze die richtigen Töne
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Götze seine herausragenden Fertigkeiten nie verlernt hatte (auch nicht bei seinem zweiten Engagement in Dortmund) - sein Auge, sein Gefühl für den Raum, sein Timing bei den Pässen. In den Niederlanden sagten sie, Götze müsse vier Augen haben. Doch dazu benötigte er immer schon Trainer, die ihm Vertrauen und Verantwortung schenkten. Jürgen Klopp, Joachim Löw, und eben Roger Schmidt beim PSV, Oliver Glasner bei der Eintracht. Der Frankfurter Trainer hat Götze beim ersten Telefonat in Windeseile überzeugt und danach die richtige Dosierung bei der Trainingssteuerung gefunden. Als nach Götzes Ankunft alle nach dem Superstar schrien, schonte Glasner ihn in den ersten Tests. Der Coach ist fast schon als (Seelen-)Masseur gefragt: Nach Götzes Gala gegen Leipzig schob er alle Nachfragen zur Nationalmannschaft beiseite. In dieser Woche verkündete er trotz dessen Rückenproblemen, dass Götze gegen seinen Ex-Verein starten werde. Schutz und Bühne.
Und Glasner hat Götze wohl auch damit geholfen, dass er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Daichi Kamada zum Bleiben überredete. Der Japaner ist ein ähnlicher Typ wie Götze - und wenn die beiden zusammen auflaufen, dann spielen sie wie zwei Hochbegabte im Orchester zusammen. Dortmunds Trainer Edin Terzic lobte am Freitag das Zusammenwirken der Frankfurter Offensive mit Götze, Kamada, Jesper Lindström und Kolo Muani. Er fügte an: "Mario ist in sehr guter Form, sehr ballsicher. Dass Mario immer in der Lage ist, den tödlichen Pass zu spielen, ist uns bekannt."
Das Nationalelf-Thema ist omnipräsent, aber keine Belastung
Wenn also am Samstag beim Topspiel Götze mit seinem aktuellen auf seinen ehemaligen Klub trifft, schwebt auch eine dritte Mannschaft über dem Waldstadion: die deutsche Nationalelf. Bundestrainer Hansi Flick soll ihn in den 55er-WM-Kader aufgenommen haben, aus dem er dann die endgültige Auswahl herausfiltert. Es gibt wohl keine zwei Meinungen, dass Götze in seiner derzeitigen Verfassung in diesen erlauchten Kreis gehört. Die entscheidende Frage ist nur, ob er dann in Katar auch die gleiche Umgebung und das gleiche Vertrauen wie in Frankfurt spürt - oder eher den Druck seiner zweiten Dortmunder Zeit. Immerhin: Beim ersten WM-Spiel würde er Kamada treffen, wenn auch beim Gegner Japan.
Ihn selbst scheint das Thema als "ewiger WM-Siegtorschütze" nicht mehr so wie früher zu belasten. Am Freitag vor dem Spiel gegen Dortmund erschien ein Interview mit Götze und Routinier Makoto Hasebe im Rahmen der Japan-Tour der Eintracht. Hasebe erinnerte sich dabei an die WM 2014: "Wir sind mit Japan in der Gruppenphase ausgeschieden..." Er nickte zu Götze, der nach einer kurzen Pause sagte: "Wir sind ein bisschen weiter gekommen." Und das ist auch wohl ein neues Gesicht von ihm in Frankfurt. Dieser Mario Götze beweist Humor und kann tatsächlich lachen.