Marmoush vor Wechsel zu City Wer bei der Eintracht jetzt mehr machen muss
Eintracht Frankfurt ohne Omar Marmoush ist das neue Normal. Beim Sieg gegen Borussia Dortmund verfestigte sich der Eindruck, dass ohne ihn alles etwas schwerer wird. Doch vielleicht ist der nächste Unersetzliche bereits da.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten in den Januar 2024 reisen, um Ihrem eigenen Ich zu erzählen, was bis in den kommenden zwölf Monaten allein beim Fußball alles passieren würde. Die Hälfte ihrer Geschichten wäre wahr, die andere frei erfunden. Fraglich, ob Sie die Entwicklung von Omar Marmoush den Wahrheiten zuordnen würden.
Ohne Zweifel, mit der Akte Marmoush ließ sich im vergangenen Sommer kein Insider-Handel mehr betreiben. Vor einem Jahr noch standen zur Winterpause immerhin schon mehr als ordentliche sieben Tore auf seinem Halbjahreszeugnis. Eine Bilanz, die die Dickschiffe des internationalen Fußballs aber noch gut ignorieren konnten. Selbst vor der Saison war es eher Marmoushs Nebenmann Hugo Ekitiké, von dem sich viele erhofften, den Randal Kolo Muani zu machen und der Eintracht die nächste Riesenablöse einzufahren. Doch dann kam Omar.
Eine derartige Leistungsexplosion eines bereits etablierten Spielers lässt sich nicht planen. Dennoch wird Trainer Dino Toppmöller die Marmoush-Story grundsätzlich allen Spielern zur Nachahmung empfehlen. Die Eintracht wird nun in ein paar Tagen schließlich nicht nur auf einen Schlag sehr viel reicher, sondern auch um die Feuerkraft von 25 Scorerpunkten in einer Halbserie ärmer. Diese Lücke lässt sich voraussichtlich nicht allein mit externen Kräften schließen – zumal nicht auf Anhieb. Als Toppmöller nach dem Sieg gegen Borussia Dortmund Mario Götzes Qualitäten besprach, war das deshalb als Appell an alle zu verstehen: Ersetzen kann Marmoush nur eine Eintracht der vielen.
Götze ist immer noch wichtig
Weil Toppmöller damit anfing, beginnen wir doch mit Götze. Seit zweieinhalb Jahren spielt der nun auch schon wieder in Frankfurt. Während sich der frühere "Golden Boy" in Eindhoven gesundgeschrumpft hat auf die Größe eines besseren Bundesligaspielers, wuchs die Eintracht zu einer gehobenen Adresse im deutschen Fußball. Beide Karrierewege entwickelten sich beinahe schicksalhaft aufeinander zu.
Der 2025er Götze ist 32 und immer noch ein Vielspieler, muss aber um seine Anteile kämpfen. Viermal saß er in der Bundesliga-Hinrunde über 90 Minuten auf der Bank, vor der Winterpause gleich dreimal hintereinander, auch um seine Kräfte für die wichtigen Spiele unter der Woche zu sparen. Götze warb zuletzt wieder mit starken Auftritten für eine größere Rolle. "Er ist ein überragender Spieler, der uns total gut tut. In Situationen, wo der eine oder andere vielleicht den Ball zu hektisch verliert, hat er einfach diese brutale Ruhe am Ball", urteilte Toppmöller. Zu beobachten zuletzt beim 2:0 gegen Dortmund.
Was das BVB-Spiel allerdings nicht war: ein Freudenfeuer des Spielwitzes. Es gibt keine Garantie dafür, dass es das mit Marmoush geworden wäre. Seine Zielstrebigkeit hätte der Eintracht aber gut getan. In Phasen ließ sich gleichwohl erkennen, wie das klappen könnte ohne hin. Die Frankfurter müssen von hier an alleine laufen lernen. Ohne ihren fleißigsten Scorer auszukommen müssen, ist das neue Normal. "Wir müssen eine Konstanz reinbekommen, dass es so ist, dass er uns nicht zu Verfügung steht", sagt Toppmöller.
Ekitiké würde in der Erbfolge logisch auf Marmoush folgen. Gegen Dortmund lieferte er wie bestellt das Tor zum 1:0. Aber der 22-Jährige spielt bislang eine Sowohl-als-auch-Saison. Da er weitgehend von Verletzungen verschont blieb, wurde viel von dem sichtbar, was die SGE sich von ihm bei seiner Verpflichtung versprach. Neun Tore und drei Vorlagen sind mehr als Marmoush noch im vergangenen Jahr zum gleichen Zeitpunkt vorweisen konnte.
Ekitiké zwischen "sowohl" und "als auch"
Andererseits kostete der Franzose Anhang und Trainer Nerven, schnürte viele Schleifchen um Pakete ohne Inhalt. Es besteht jedoch durchaus der Verdacht, dass er im nun etwas grelleren Rampenlicht erst richtig aufblühen könnte. Und wenn ein Spieler seiner Bauart einmal zündet, könnte er jederzeit in Sphären eines Marmoush vorstoßen.
Auch Ansgar Knauff könnte die neue Beinfreiheit im Angriff gut tun. Zunächst gilt es jedoch anzuerkennen, dass er sich längst erkennbar entwickelt hat. Speed, Einsatz und zuletzt auch zunehmend seine Scorer machen ihn zum aktuell vielleicht unterschätztesten Eintracht-Profi. Die Schwankungen in seinem Spiel hat er glattgebügelt, seine schlechten Tage seinen guten deutlich angeglichen. Nur Marmoush und Ekitiké waren an mehr Toren beteiligt als Knauff. Nachdem er gerade seinen 23. Geburtstag gefeiert hat, wäre nun auch für seine persönliche Biografie der richtige Zeitpunkt für den nächsten Schritt.
Positiv überraschen könnte Farès Chaibi. Allein deshalb, weil es zuletzt ruhig um seine Person geworden ist. Im Mittelpunkt stand er zuletzt, als Toppmöller seine Leistung und oft aufreizend lässige Körpersprache kritisierte. Zwischenzeitlich gab es zwar auch wieder ein Lob, dann wieder einen Bankplatz und Kurzeinsätze. In insgesamt 58 Spielen für die Eintracht kommt Chaibi inzwischen auf 6 Tore und 12 Vorlagen. Mit 22 Jahren hat er Alter und Potenzial argumentativ auf seiner Seite, muss aber zeigen, dass in ihm mehr steckt als eine Alternative, die zu gut für die Bank ist und zu blass, um sich einen Stammplatz zu erkämpfen.
Uzun und Matanovic brauchen noch Zeit
Can Uzun war schon vor der Saison bereit, die Welt zu erobern, zunächst aber wenigstens die Bundesliga. Auch viele Außenstehende wähnten in dem 19-Jährigen den eigentlichen Königstransfer dieses Sommers. Doch der Youngster muss sich seine Minuten mühevoll erarbeiten. Dabei hatte er nach seiner überaus erfolgreichen Saison in der 2. Bundesliga auch eine Liga höher schon seine Momente, setzte sogar international etwa bei der Niederlage gegen Lyon schon echte Glanzlichter. Noch ist das Top-Talent aber Herausforderer.
Das gilt fast deckungsgleich für Igor Matanovic. Auch wenn er etwas weniger Vorschusslorbeeren einheimste als Uzun, hat er bei seiner Leihe zum Karlsruher SC seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Marmoushs Abgang könnten ihm kurzfristig zumindest einige Minuten mehr in Aussicht stellen, die er dann noch nutzen muss. Mit 21 Jahren ist seine Entwicklung aber keinesfalls abgeschlossen – Explosionspotenzial inklusive.
Bis der nächste Adler sich womöglich in die Weltklasse aufschwingt, lässt sich die Eintracht nach Marmoush vermutlich nur im Kollektiv erzählen. Das war im Grunde aber auch vorher schon der Fall. "Jeder von uns hat seinen Beitrag dazu geleistet, dass Omar scheinen konnte", sagt Toppmöller. Nun müssen die neuen Sterne am Frankfurter Himmel selber glänzen.