Zum Tod von Eintracht-Legende Jürgen Grabowski Mit dem Jürgen
Eintracht Frankfurt trauert um Jürgen Grabowski. Einst ein begnadeter Spielmacher wurde Grabowski zu mehr als das: ein Stückchen Seele von Eintracht Frankfurt.
Es gibt ein Foto, das viel über den Stellenwert des Sportlers und Mensch Jürgen Grabowski aussagt. Es ist vom 21. Mai 1980, dem Abend des Uefa-Cup-Sieges. Die Eintracht schlug damals Borussia Mönchengladbach im Finalrückspiel, doch der wahrscheinlich größte Fußballer, den die Eintracht je hatte, saß nur auf der Tribüne.
Wochen zuvor hatte der junge Lothar Matthäus Grabowski gefoult und so arg verletzt, dass Grabowski das Finale verpasste und schließlich auch seine Karriere beenden musste. Dennoch war er der zentrale Mann nach Abpfiff, die Mitspieler wussten ganz genau, wen sie da an ihrer Seite hatten: eine lebende Legende, einen Freund, einen Ausnahmespieler, einen tragischen Held in den letzten Wochen seiner Karriere. Und so gab Bernd Hölzenbein, der den Pokal entgegennahm, ihn direkt an Grabowski weiter. Wenig später hievten die Mitspieler Grabowski auf ihre Schultern, ihn, der ja gar nicht gespielt hatte, und trugen ihn übers Feld.
Das Herz der Eintracht
Das Foto zeigt einen zugleich stolzen und aber auch wehmütig wirkenden Jürgen Grabowski. Das Finale war "die reinste Folter", wie er später sagte, aber es war zugleich auch der Schlussakkord einer so großen Karriere, wie man sie bei der Eintracht sonst wohl nie gesehen hat. 1965 vom FV Biebrich zur Eintracht gekommen und vom damaligen Trainer Elek Schwartz gefördert, gelang Grabowski der direkte Durchbruch. In seiner ersten Saison schoss er zehn Tore, es dauerte gerade acht Monate, bis Grabowski Nationalspieler war.
In den Jahren danach wurde er die zentrale Figur der Hessen, das Herz einer Eintracht, die sehr erfolgreiche 70er-Jahre hinlegte. 1974 und 1975 holten die Hessen den DFB-Pokal, die ersten Titel seit der Meisterschaft 1959, 1980 dann den Uefa Cup. Mit der Nationalelf wurde er Vizeweltmeister 1966, Weltmeister 1974, auch Europameister 1972, und wer weiß, wie viele Spiele mehr er für die Nationalelf gemacht hätte als seine 44, wären seine Konkurrenten um die Spielmacher-Position nicht Günter Netzer und Wolfgang Overath gewesen.
"Der größte Künstler, den wir je hatten"
In der Nationalelf als Rechtsaußen zu oft nur der "beste Einwechselspieler der Welt", wusste man in Frankfurt ganz genau, was man an Grabowski hatte. Einen begnadeten Zehner, einen Künstler am Ball, der mit seinen Pässen und Dribblings die gegnerische Abwehr aufklappen konnte wie ein Buch. "Die Zuschauer in Frankfurt haben solche Sachen auch von mir erwartet. Wenn Grabowski auf dem Platz stand, hatte er auch so zu spielen", sagte er später im großen Karriereinterview mit 11 Freunde.
Und wie er spielte. 441 Partien machte er für die Eintracht in der Bundesliga, schoss dabei 109 Tore und bereitete wer weiß wie viele vor. "Für mich war er einer der größten Künstler, den wir bei der Eintracht hatten - wenn nicht sogar der größte", sagte sein langjähriger Mitspieler Karl-Heinz Körbel einmal. Das ist nicht übertrieben, auch nicht in einer an Künstlern so reichen Vereinshistorie wie jener der Eintracht.
Es gibt die Eintracht nur "mit dem Jürgen"
Auch nach der Karriere blieb Grabowski dem Klub verbunden bis zuletzt. Noch im Herbst 2021 besuchte er die Spiele seiner Eintracht im Stadion, mit seinen ehemaligen Mitspielern traf er sich bis ins hohe Alter regelmäßig, war aktiv bei Charity-Aktionen, zeitweise schrieb er als Kolumnist über die Eintracht. Und war stets mehr als das. Als Fußballer und Mensch so sehr mit dem Verein verwoben, dass sich Generationen von Menschen, deren Herz um die Eintracht kreist, auf ihn berufen können. Ein Fixpunkt, ein Stückchen Seele von Eintracht Frankfurt, das man vor jedem Heimspiel kurz berühren kann, wenn die Fans ihr Lied singen: "Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehen, mit dem Jürgen, mit dem Jürgen."
Das ist mehr als nur ein Fangesang, das sind ganz zentrale Zeilen der Geschichte von Eintracht Frankfurt. Denn es gibt diesen Klub nur "mit dem Jürgen", nicht ohne ihn. Am Freitag (11.03.2022) ist Jürgen Grabowski im Alter von 77 Jahren gestorben. Sein Lied wird weiter erklingen.
hr-fernsehen, hessenschau, 11.03.2022, 19.30 Uhr
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