Frankfurts EM-Geschichte Hundertschaften, Weltstars und ein betender Kaiser
Lange 36 Jahre ist es her, dass die Fußball-EM im Frankfurter Waldstadion Halt gemacht hat. Bei einem Spiel standen auf dem Platz damals echte Weltstars, bei dem anderen reihte sich Polizist an Polizist.
Die Eintrittskarten von damals gibt es noch heute zu kaufen. Mitgenommen sind sie, zerknickt, ausgefranst an den Ecken, aber mehr oder wenig lesbar: Spanien gegen Italien, Frankfurt, Waldstadion, 14. Juni 1988. Erhältlich auf den bekannten Bieterportalen im Internet für 20 bis 200 Euro. Rare Sammlerstücke.
Dieses Spiel im Frühsommer 1988 war das erste bei einer Fußball-Europameisterschaft auf Frankfurter Boden. Das Waldstadion, in großen Teilen unüberdacht, das Feld umrundet von einer Laufbahn, war gut gefüllt. 47.500 Zuschauer insgesamt, darunter knapp 30.000 Italiener, die ihre junge Mannschaft frenetisch anfeuerten.
Von Zenga bis Vialli: Italiens Stars zu Gast in Frankfurt
Eine Mannschaft, die gespickt war mit großen Namen. Torwart Walter Zenga, Franco Baresi, Giuseppe Bergomi, Paolo Maldini, Carlo Ancelotti, Gianluca Vialli. Der damalige Mittelstürmer von Sampdoria Genua, beim italienischen EM-Titel 2021 trotz Bauchspeicheldrüsenkrebs noch Co-Trainer der Squadra Azzurra, schoss den 1:0-Siegtreffer gegen die Spanier. Eine Legende des italienischen Calcio, die vergangenes Jahr verstarb.
"Ich bete den italienischen Fußball an", ließ Franz Beckenbauer, seinerzeit Bundestrainer und Gruppengegner Italiens nach dem Spiel wissen. Für viele, nicht nur den Kaiser, war an diesem Tage von Frankfurt "der Favorit des Turniers" geboren. Es sollte anders kommen. Italien scheiterte (wie auch Deutschland) im Halbfinale.
Gewaltexzesse bleiben in Frankfurt aus
Zum zweiten EM-Spiel in Frankfurt, nur vier Tage später, es sollte das bis heute letzte bleiben, trafen sich das bereits ausgeschiedene England und die UdSSR. Ein stimmungsvoller Nachmittag bei strahlendem Sonneschein, aber auch einer, der im Zeichen der Polizei stand. Hundertschaften sicherten vor allem den englischen Block ab, nach dem es nur wenige Tage zuvor im Vorfeld des englischen EM-Auftaktspiels in Düsseldorf zu heftigsten Ausschreitungen gekommen war.
Deutsche Hooligans überfielen jene aus England, die Altstadt Düsseldorfs war ihre Bühne. Experten nennen diesen traurigen Tag "ein Erweckungserlebnis für deutschen Hooliganismus".
Vor dem Turnier hatte DFB-Präsident Hermann Neuberger gesagt: "Wenn Hooligans kommen, muss der Knüppel raus." Fanarbeiter in Frankfurt, die damals keine Unterstützung des Verbandes hatten, entgegneten mit einem eigenen Leitmotiv: "Kultur statt Knüppel". Konzerte, Theater, Spiele flankierten die EM-Partien in der Stadt am Main. Auch in Frankfurt gab es zwar ebenfalls Festnahmen, Gewaltexzesse wie in Düsseldorf aber blieben aus.
Besuch im Sportstudio - ohne Einladung
Rein sportlich blieb die Partie vor allem der Sowjetunion in positiver Erinnerung. Sie gewann recht locker mit 3:1. Sergej Alejnikow, Oleksij Mychajlytschenko und Wiktor Pasulko trafen, für England war es Tony Adams. Das Selbstvertrauen der UdSSR wuchs derart stark an, dass erst im Finale von München ein anderes Team besser war: die Niederlande.
Trainer Walerij Lobanowskyj, eine Legende bei Dynamo Kiew, sollte im Anschluss an die Begegnung für eine weitere Anekdote sorgen. Er ließ sich nach Mainz ins ZDF-Sportstudio bringen, um den deutschen TV-Zuschauern selbstlos die Erfolgsformel des Fußballs zu erklären. Er war nie eingeladen worden.