FSV und Eintracht Frankfurt Erst Feind, dann Freund
Spiele zwischen dem FSV Frankfurt und Eintracht Frankfurt sind heute freundschaftliche Partien. Aber das war nicht immer so, beide Vereine verbindet eine bewegte Geschichte und ein wechselhaftes Verhältnis.
Noch heute kann man im Fanshop des FSV Frankfurt Zeichen jener leisen Empörung finden, die es 1911 im Frankfurter Fußball gegeben hatte. 4,99 Euro kostet der Aufkleber des FSV mit dem Schriftzug "Aus eigener Kraft" aktuell, "dieser Aufkleber verschönert nicht nur Ihr Auto. Unser Motto ist auch Ihr Motto", heißt es dazu in der Artikelbeschreibung. Was auf den ersten Blick nicht erkennbar ist: Das Motto ist über hundert Jahre alt. Und Eintracht Frankfurt zu verdanken.
Heutzutage gelten die Spiele wie das am Samstag zwischen dem FSV Frankfurt und Eintracht Frankfurt (3:1) als freundschaftliche Derbys.. Als die erste Mannschaft der Eintracht 2011 das letzte Mal in einem Pflichtspiel in der Zweiten Liga auf den FSV traf, unkte das Fußballmagazin 11FREUNDE: "Kaum ein Ereignis bewegte, faszinierte und erschütterte Fußballdeutschland am Wochenende weniger als das Frankfurter Stadtderby."
Ein Seitenhieb in Richtung der späteren Eintracht
Doch das war auch schonmal anders. Besagtes Motto nämlich entstammt der bewegten Frühgeschichte des Frankfurter Fußballs. Denn während der FSV 1899 bereits unter seinem heutigen Namen gegründet wurde, durchlief die Eintracht zwei Fusionen, um erst 1920 zur Eintracht zu werden.
Dabei fusionierten die beiden Vorgängervereine, der Frankfurter Fußball-Club Victoria und die Frankfurter Kickers, 1911 zum Frankfurter Fußball Verein (Kickers-Victoria) von 1899, der FFV war plötzlich doppelt so groß wie übliche Frankfurter Fußballklubs. Was den FSV dazu bewegte, nur zwei Wochen darauf eine neue Fahne zu präsentieren, mit dem Titel: "Aus eigener Kraft". Ein klarer Seitenhieb in Richtung des FFV, der späteren Eintracht.
Mittlerweile trennen die Klubs sportlich Welten, in Pflichtspielen trifft der FSV lediglich auf die Zweitvertretung der Eintracht. Aber auch das war schon einmal anders. Insbesondere in den frühen Jahren des Frankfurter Fußballs gab es Erfolge auf beiden Seiten, was die frühe Rivalität ebenso erklärt wie die verschiedenen Herkünfte: Der FSV galt als eher kleinbürgerlich, die Eintracht als bürgerlich.
"Frankfurt glich zwei Tage vor dem Spiel einem Tollhaus"
Und erfolgreich waren sie beide: Die Bornheimer wurden Deutscher Vizemeister 1925, Süddeutscher Meister 1933 und standen im Pokalfinale 1938. Die Eintracht wurde Süddeutscher Meister 1930 und 1932 und verlor das Finale um die Deutsche Meisterschaft 1932 gegen den FC Bayern München, gegen den man sechs Wochen zuvor noch den Titel der Süddeutschen Meisterschaft erringen konnte. Entsprechend elektrisierte das Derby die Massen.
"Frankfurt glich zwei Tage vor dem Spiel einem Tollhaus. Es lässt sich nicht in Worte fassen. Es gibt keines Schreiberlings Feder, die spitz ausdauernd genug wäre, um die Aufregung zu schildern, die in den beteiligten Kreisen ob des bevorstehenden Spieles herrschte", hieß es in einem Text zu einem Spiel 1926.
Die "Marneschlacht des Frankfurter Fußballs"
Da bestand schon eine ausgeprägte Abneigung zwischen FSV und Eintracht. Bei einem Freundschaftsspiel 1927 kam es zu Tumulten, nachdem der Eintracht-Spieler Willi Pfeiffer vor 15.000 Fans eine Tätlichkeit beging, FSV-Präsident David Rothschild stürmte ebenso den Platz wie diverse Zuschauer, die berittene Polizei musste eingreifen. Das Spiel ging als "Marneschlacht des Frankfurter Fußballs" in die Geschichte ein, Pfeiffer wurde für ein Jahr gesperrt und erhielt zusätzlich eine zweimonatige Sperre wegen Bedrohung und Auflehnung gegen die Anordnung des Schiedsrichters.
Ebenso ist überliefert, dass sich Fans des FSV bei Spielen der Eintracht, wenn ihre eigene Mannschaft auswärts spielte, in einer Ecke im Eintracht-Stadion am Riederwald, umgangssprachlich "FSV-Eck" genannt, versammelten und die Gegner des Rivalen anfeuerten. Selbiges taten die Eintracht-Fans im FSV-Stadion.
"Kriegsspielgemeinschaft FSV/Eintracht"
Die Rivalität flaute in den 50ern deutlich ab, als die sportlichen Wege der Vereine auseinandergingen. Die Eintracht wurde 1959 Deutscher Meister, der FSV stieg 1962 aus der Oberliga ab, damals die höchste Spielklasse. Annäherungen hatte es aber auch schon zuvor gegeben. Für vier Pflichtspiele formten beide Vereine im zweiten Weltkrieg eine "Kriegsspielgemeinschaft FSV/Eintracht", weil den Klubs zu wenig Spieler zur Verfügung standen. Auch stellte man sich in verschiedenen Notsituationen gegenseitig die Spielstätten zur Verfügung.
Die unterschiedlichen sportlichen Wege bedingten, dass man seit den Fünfzigern praktisch kaum noch in Pflichtspielen aufeinandertraf – und das Derby nie wieder so feurig wurde wie in den Anfangsjahrzehnten, als regelmäßig zehntausende Zuschauer zu den Spielen pilgerten. Etwas Besonderes ist es indes geblieben, auch wenn die Spiele nicht mehr nach Schlachten aus dem ersten Weltkrieg benannt oder von der berittenen Polizei aufgelöst werden müssen. Denn welche Stadt kann schon behaupten, ein freundschaftliches Derby zu haben?