Kickers das Team der Stunde OFC bietet sich historische Aufstiegs-Chance

Nach Jahren voller Chaos und Enttäuschungen könnten die Offenbacher Kickers in dieser Saison tatsächlich ernstmachen. Noch üben sich die Verantwortlichen zwar in Zurückhaltung, die Ausgangslage in der Regionalliga Südwest ist aber so gut wie lange nicht.

Jubel bei Kickers Offenbach
Ein Bild ohne Seltenheitswert: Jubel beim OFC. Bild © picture-alliance/dpa
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Wie nah im Fußball eine goldene und eine eher triste Zukunft beisammen liegen, ist am Beispiel von Kickers Offenbach und des 1. FC Magdeburg sehr leicht zu veranschaulichen. Nachdem sich beide Clubs im Sommer 2015 in der Aufstiegs-Relegation zur 3. Liga trafen, ging es für den siegreichen FCM steil bergauf und inzwischen hoch bis in die 2. Bundesliga. Der OFC hingegen versauerte zunächst in Selbstmitleid, dann im grauen Regionalliga-Alltag.

Knapp zehn Jahre später träumen die Magdeburger als Tabellen-Vierter der 2. Liga unter Trainer Christian Titz nun sogar vom Sprung in die Bundesliga. Der OFC versucht sich immer noch und wieder einmal daran, die Regionalliga Südwest endlich nach oben zu verlassen. Zwei unterschiedliche Welten.

Aus Offenbacher Sicht jedoch entscheidend: Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, in denen auf markige Sprüche meist nur herbe Enttäuschungen folgten, könnte es dieses Mal tatsächlich etwas werden. Der damalige Gegner aus Magdeburg ist zwar weit enteilt, zumindest der langersehnte Sprung in die Drittklassigkeit ist aber absolut möglich. Der OFC kann es mit zehnjähriger Verspätung wirklich schaffen.

Die Kickers sind erwachsen geworden

Verantwortlich dafür sind in erster Linie Geschäftsführer Christian Hock und Trainer Christian Neidhart. Dem Führungsduo ist es gelungen, dem stets eher pubertierend auftretenden Club die Flausen auszutreiben und endlich etwas Konstanz in Leistungen und Auftreten zu bringen. Dass die Zeit der vollmundigen Ankündigungen vorbei ist, schadet zwar dem Unterhaltungsfaktor. Dem sportlichen Erfolg tut die neugewonnene Reife aber gut. Der OFC ist erwachsen geworden und steht derzeit so gut da wie lange nicht.

Nach 23 von 34 Spieltagen grüßen die Kickers, die in diesem Kalenderjahr sieben Punkte aus drei Partien holten und am vergangenen Spieltag an Tabellenführer Hoffenheim und dem FSV Frankfurt vorbeizogen, von der Tabellenspitze. 45 Punkte sind zu diesem Zeitpunkt der Saison eine veritable Ausbeute. Dass der OFC mit 52 Toren den zweitbesten Angriff der Liga stellt, passt ins Bild. Dass zudem 21 Gegentore gleichzeitig Liga-Bestwert sind, passt zur grundsoliden Linie von Neidhart und Hock. Es ist zwar schön, wenn der Berg bebt. Nur ein kleines Ruckeln und ein stinknormaler Sieg bringen aber auch drei Punkte.

"Die Entwicklung im Team ist deutlich zu sehen, wir haben eine andere Mentalität", sagte Neidhart nach dem ebenso verdienten wie souveränen 3:0-Erfolg am vergangenen Samstag bei der SG Barockstadt Fulda-Lehnerz. Der OFC, der zweimal nach einem ruhenden Ball traf, geriet trotz einer Zwei-Tore-Führung zwar noch einmal kurz in Bredouille. Da die Mannschaft inzwischen aber so gefestigt ist, fiel sie nicht zusammen, sondern schüttelte sich kurz, zog das Tempo an und legte noch einen eigenen Treffer nach. So spielt ein Spitzenteam, könnte man meinen.

Dass der 34 Jahre alte Routinier Dima Nazarov im Frühjahr 2025 zudem seinen dritten Frühling erlebt und in drei Spielen vier Tore - darunter ein Weltklasse-Freistoß gegen Fulda - erzielte, könnte zusätzlich zum Faktor werden. Spieler mit der Klasse von Nazarov gibt es in der 4. Liga nicht allzu viele.

OFC mit größter Chance seit zehn Jahren

Und genau diese Mischung aus Abgeklärtheit, Qualität und Besonnenheit hat den OFC nun in die beste Lage seit der damaligen Relegations-Saison gebracht. Damals wie heute waren und sind die Kickers nach 23 Spieltagen Tabellenführer, im Gegensatz zur Saison 2014/15 muss der Meister der Regionalliga Südwest inzwischen aber nicht mehr den Umweg über die Relegation gehen. Heißt: Nach etlichen Jahren mit Enttäuschungen und Rückschlägen, die dreimal auf dem dritten Platz und sonst meist in der Bedeutungslosigkeit endeten, bietet sich dem OFC eine historische Chance. So nah dran waren sie noch nie.

"Sechs Punkte in drei Wochen aufzuholen, ist natürlich toll. Aber es ist nur eine Momentaufnahme, wir haben noch einige Spiele vor uns", hielt Club-Chef Hock den Ball im Gespräch mit der Bild-Zeitung zwar bewusst flach. Angesichts der eher wankelmütigen Konkurrenten aus Hoffenheim und vom Bornheimer Hang, könnte sich das aber bald ändern.  Der OFC ist auf dem Weg in die Favoritenrolle.

Neidhardt deutet Verbleib an

Entscheidend könnte zudem im Endspurt werden, dass sich Trainer Neidhart trotz auslaufenden Vertrags nicht mit einem Abgang beschäftigt. "Mein Ziel ist es, mit dem dritten Traditionsverein in die 3. Liga aufzusteigen. Auch wenn wir es diese Saison noch nicht schaffen sollten", stellte er in der Offenbach Post klar. Neidhart, der seit Sommer 2023 beim OFC ist, will nach Meppen und Rot-Weiss Essen auch die Kickers nach oben führen. Aktuell spricht nicht viel dagegen, dass das schon in dieser Saison gelingen könnte.