Regionalliga Südwest Aufsteiger FC Gießen taucht in eine andere Welt ein
Der FC Gießen nimmt einen zweiten Anlauf auf das Abenteuer Regionalliga. Die Mannschaft von Trainer Daniyel Cimen startet als krasser Außenseiter in die Runde und versucht als Amateurteam unter Profis ihre Chance zu nutzen.
Trainer Daniyel Cimen hat die Situation noch genau vor Augen, jene im Mai 2023. Da nämlich bekam seine Mannschaft mitgeteilt, was sie nicht darf: aufsteigen in die Fußball-Regionalliga Südwest. "Das war hart, kein schöner Moment", erinnert sich der ehemalige Profi von Eintracht Frankfurt, der den FC Gießen trainiert. Trotz sportlicher Berechtigung als Tabellenzweiter durfte das Team des 39-Jährigen damals nicht in der Relegation antreten. Aus finanziellen Gründen. "Auch wenn's schwer war, uns etliche Nächte Schlaf gekostet hat: Der Verzicht war richtig", sagt der Notvorstand des Clubs, Michèl Magel, rückblickend.
Vor zwei Jahren bezifferten sich die Gießener Schulden noch auf 700.000 Euro, die durch größte Anstrengungen mittlerweile um rund 170.000 Euro gesenkt werden konnten, wie Magel im Gespräch mit dem hr-sport angibt. "Wir haben eine bessere Übersicht bekommen und neue Strukturen geschaffen. Auch konnten wir einige Sponsoren gewinnen. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber natürlich noch lange nicht am Ende."
Amateure und Champions-League-Spieler
Der richtige Weg führt den FC Gießen im zweiten Anlauf nun doch in die Regionalliga – dem langen Atem von Trainer, Mannschaft und Verantwortlichen sei dank. "Der Verein hat alles in seiner Macht stehende versucht, um diesmal den Aufstieg möglich zu machen", sagt Cimen, der nach der Hessenliga-Meisterschaft die Stammkräfte halten und den Kader punktuell verstärken konnte. Allerdings nicht mit großen Namen. Die Neuen kommen aus Fernwald, Wieseck, Hornau oder Hünfeld, von Amateurmannschaften also.
Einzig Davide Itter, gebürtiger Gießener, spielte 19-mal in der 3. Liga. Er wechselt vom Wuppertaler SV zurück in die Heimat. Prominentester Kicker bei den Gießenern bleibt Michael Fink, einst ebenfalls für die Eintracht am Ball, und sogar in der Champions League für Besiktas Istanbul. Der 42-Jährige, ein guter Freund und Trauzeuge von Cimen, fehlt derzeit wegen einer Knieverletzung. "Wir sind mit der Kaderplanung zufrieden, hatten früh das Team beisammen", sagt Cimen dem hr-sport und hält dies für wichtig. Denn nur als Team, als Einheit, werden es die Mittelhessen mit der finanzkräftigeren Konkurrenz aufnehmen können.
"Hunger, Ehrgeiz, Aufstiegseuphorie"
Natürlich sind die Mittelhessen krasser Außenseiter, ihre Mannschaft besteht im Gegensatz zu anderen Vereinen aus Amateuren, die allermeisten Spieler arbeiten nebenher. Es wird im Regelfall nur abends trainiert, viermal in der Woche. Da fahren andere Konkurrenten eine deutlich höhere Taktung. Der Klassenerhalt ist somit das einzig logische Ziel. "Hunger, Ehrgeiz, Aufstiegseuphorie", nennt Cimen Aspekte, die seine Mannschaft in die Waagschale wird werfen müssen.
"In der Regionalliga prallen Welten aufeinander", sagt der Trainer. Hier das große Kickers Offenbach, dort der kleine FC Gießen – und irgendwo zwischendrin die Nachwuchsteams der Bundesligisten wie Eintracht Frankfurt. "Die Regionalliga ist dreigeteilt in ihren Voraussetzungen", präzisiert Magel, der darüber jedoch nicht klagen will. Im Gegenteil. "Es ist doch eine tolle Sache, sich mit solchen Clubs messen zu dürfen. Wir freuen uns sehr darauf, mit dem Bus den Bieberer Berg in Offenbach hochzufahren." Ende Oktober ist es soweit.