Regionalliga-Trainer mit 27 Der Anti-Nagelsmann vom FSV Frankfurt
Er ist 27 Jahre alt, der Sohn vom Präsidenten und Trainer in der Regionalliga: Tim Görner hat den FSV Frankfurt von einem Abstiegskandidaten zu einem Spitzenteam geformt. Los ging die Erfolgsgeschichte mit einer schlechten Nachricht aus der Schule.
Im Alter von 16 Jahren musste Tim Görner bei seinen Eltern zum Rapport antreten. Da der heutige Trainer des FSV Frankfurt ganz offensichtlich viele andere Dinge im Kopf hatte, war er in der Schule sitzengeblieben und hatte damit den innerfamiliären Zorn auf sich gezogen. Der Vorwurf des Familienrats: Der Junior verbringe zu viel Zeit auf dem Fußballplatz und vernachlässige deshalb Mathe, Deutsch und Co. "Ich musste mich dann entscheiden", berichtet Görner knapp elf Jahre später im Gespräch mit dem hr-sport.
Was er damals noch nicht wusste: Diese Entscheidung würde sein Leben und die Zukunft seines Lieblingsvereins FSV Frankfurt nachhaltig beeinflussen. Görner, der in der B-Jugend spielte und gleichzeitig schon Jugendteams von Germania Enkheim trainierte, stand vor der Wahl: Weiter Fußball-Spieler oder weiter Fußball-Trainer sein. "Ich habe dann alles richtig gemacht", grinst Görner, der seine aktive Laufbahn nach Stationen bei der SpVgg Oberrad, dem FSV, Blau-Gelb und Viktoria Preußen noch im Jugendbereich beendete und sich fortan voll auf sein Trainerdasein beschränkte.
Görner ist seit Geburt FSV-Mitglied
Görner, der bereits mit 15 Jahren seinen ersten Trainerschein machte und inzwischen Inhaber der A-Lizenz ist, intensivierte fortan seine Erfahrungen auf kleineren und größeren Trainerbänken. Angefangen bei den Enkheimer Bambinis ging es über die F-, E- und D-Jugend irgendwann als U15-Co-Trainer zu Kickers Offenbach, im Sommer 2016 landete Görner dann bei seinem Herzensverein. "Ich bin seit Geburt Mitglied des FSV Frankfurt. Früher war ich bei jedem Heim- und Auswärtsspiel." Das schwarz-blaue Herz hat Görner also schon immer, die Perspektive hat sich inzwischen aber geändert.
Nach längeren und verschiedenen Tätigkeiten bei der U17, der U19 und im Nachwuchs-Leistungszentrum stieg Görner im vergangenen März und im Alter von gerade einmal 26 Jahren zum Chefcoach des Regionalliga-Teams auf. Rund zehn Jahre nach dem Blauen Brief aus der Schule folgte die Beförderung zum Trainer eines Traditionsvereins. Was für eine Geschichte. "Wir sind sehr froh, dass wir ihn haben", fasst der Sportliche Leiter der Bornheimer, Thomas Brendel, zusammen. Eine Meinung, die zu Beginn jedoch nicht jeder hatte.
Görner Senior ist der Präsident
Da es beim FSV neben Trainer Tim Görner auch noch Präsident und Papa Michael Görner gibt, lagen die Vorbehalte und Vorurteile auf der Straße. "26 Jahre alt, noch nie eine Seniorenmannschaft trainiert, Sohn von, Vetternwirtschaft. Natürlich habe ich das alles gehört", so Görner.
Der heute 27-Jährige blieb jedoch gelassen und überzeugte mit Leistung. Im vergangenen Jahr schaffte er den Klassenerhalt, in dieser Saison führte er die Bornheimer nach wackligem Saisonbeginn und einer bärenstarken Rückrunde bis auf Platz sechs der Regionalliga Südwest. Im Hessenpokal-Finale geht es zudem am 3. Juni gegen Steinbach-Haiger um den Einzug in den DFB-Pokal. "Wir hatten einen großen Umbruch und mussten uns erst einmal finden. Inzwischen zahlt sich unsere harte Arbeit aber aus." Die berühmte Handschrift des Trainers ist beim FSV definitiv zu erkennen.
Görner setzt auf das Zwischenmenschliche
Doch wie geht das, als Trainerküken ohne fußballerische Vergangenheit eine Mannschaft aus gestandenen Fußballern zu führen? Im Gegensatz zu prominenten Gleichgesinnten wie Julian Nagelsmann, der mit 28 Jahren Bundesliga-Trainer wurde, oder St. Paulis 29 Jahre altem Coach Fabian Hürzeler hat Görner nie im Seniorenbereich und erst recht nicht höherklassig Fußball gespielt. Sein Erfolgsgeheimnis deshalb: authentisch bleiben. "Ich tue nicht so, als ob ich schon älter wäre oder mache irgendeinen zur Sau."
Görner, das merkt man im Gespräch schnell, lebt Fußball und kommt bei der Erklärung seiner Spielidee direkt ins Plaudern. Taktische Variabilität, viele Video-Analysen, eine klare Idee. All das gibt es auch beim FSV. Entscheidend ist für Görner, der Vergleiche mit Nagelsmann nicht gerne hört, aber etwas anderes. "Ahnung von Fußball haben viele", betont er. "Man muss es aber vermitteln können, das ist die Kunst des Trainerdaseins. Es geht ums Zwischenmenschliche." Auch das ist wohl ein Unterschied zum ehemaligen Bayern-Trainer.
Große Karriere voraus?
Wohin dieser Weg führt, ist aktuell nicht absehbar. Klar ist aber, dass Görner, der seinen Vertrag beim FSV erst kürzlich um eine weitere Saison verlängert hat, alle Voraussetzungen für eine rosige Zukunft mitbringt. "Ihm stehen alle Türen offen", glaubt auch Brendel. Und das alles trotz – oder gerade wegen – Problemen in der Schule.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau Sport, 10.05.23, 17.55 Uhr
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