Erst Pokalfinale, dann Insolvenz Das wilde Finnland-Abenteuer von Ex-SVWW-Kapitän Johannes Wurtz

Als Kapitän ging Johannes Wurtz im Sommer trotz des Aufstiegs des SV Wehen Wiesbaden von Bord. Sein Auslandsabenteuer in der finnischen Veikkausliiga endete allerdings früher als geplant.

Johannes Wurtz im Trikot des FC Honka
Johannes Wurtz im Trikot des FC Honka Bild © Imago Images
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Johannes Wurtz war der Kapitän beim Aufstieg des SV Wehen Wiesbaden im vergangenen Sommer. Statt mit in die 2. Liga zu gehen, verließ er den Verein und erfüllte sich den Traum vom Ausland. Beim FC Honka Espoo in Finnland lief allerdings nicht alles glatt, wie er im Interview mit dem hr-sport verrät.

hessenschau.de: Herr Wurtz, Sie haben im Sommer den Zweitliga-Aufsteiger SV Wehen Wiesbaden verlassen, um etwas Neues zu wagen. Haben Sie die Entscheidung im Nachhinein bereut?

Johannes Wurtz: Nein, ehrlich gesagt nicht. Ich freue mich, dass Wiesbaden so eine super Hinrunde gespielt hat und verfolge das Geschehen natürlich. Aber ich hatte schon relativ früh mit Paul Fernie und Nico Schäfer in den Gesprächen kommuniziert, dass es für uns als Familie und für mich als Mensch einfach schon immer ein Wunsch war, ins Ausland zu gehen und dort Fußball zu spielen. Deswegen wollten wir diese Chance jetzt noch mal nutzen. Trotz der Geschehnisse stehen wir nach wie vor voll dahinter und sind froh, dass wir das so gemacht haben. Das hätte ich mir sonst mein Leben lang vorgeworfen, wenn ich nur in Deutschland gespielt und den Schritt nicht gewagt hätte.

hessenschau.de: Wenn ein Fußballer ins Ausland wechseln möchte, ist Finnland eher eine ungewöhnliche Wahl. Wie kam es dazu?

Wurtz: Es gab ein paar Anfragen. Natürlich nicht aus der ersten spanischen Liga oder der Premier League, was auch logisch ist. Hinzu kommt, dass ich auch schon 31 bin und das für viele Vereine aus dem wirtschaftlichen Aspekt nicht mehr so reizvoll ist, einen älteren Spieler zu verpflichten. Dann ging irgendwann die Option mit Honka Espoo auf, in der Nähe von Helsinki. Skandinavien hat mich auch schon immer gereizt. Ich habe gute Gespräche mit den Managern und dem Trainer vor Ort geführt. Und dann haben wir als Familie entschieden, dass man das auch mit Baby gut machen kann.

hessenschau.de: Und dann haben Sie das Abenteuer Veikkausliiga gewagt.

Wurtz: Als es für mich konkret wurde und ich nach Finnland und nicht in die 2. Liga gegangen bin, haben sich manche schon stark gewundert: Was macht er da? Was soll das? Aber es war für uns als Familie die letzte Möglichkeit, noch mal den Horizont zu erweitern. Ich habe mich schon immer für ausländische Ligen interessiert. Als ich dort war, habe ich schnell gemerkt, dass nicht nur in Deutschland gut Fußball gespielt wird und ehrgeizige Leute am Werk sind. Die Liga ist sicherlich auch spannend für Scouts, um ein paar Spieler oder Trainer rüberzuholen.

hessenschau.de: Wie ist denn sportlich der Vergleich zwischen der 3. Liga in Deutschland und der obersten finnischen Liga?

Wurtz: Das bin ich dort tatsächlich auch oft gefragt worden. Es ist ein bisschen anders, würde ich sagen. Es gibt spielerisch schon richtig gute Vereine, gerade HJK Helsinki und ein paar andere, die international mitspielen. Aber es ist vielleicht nicht ganz so aggressiv und körperbetont wie in Deutschland in der 3. Liga. Da wird dann schon häufiger die spielerische Lösung gesucht, es wird ja auch teilweise auf Kunstrasen gespielt. Und die Leistungsdichte ist vielleicht nicht ganz so wie in Deutschland. Die Atmosphäre im Stadion ist auch etwas anderes. Es ist nicht so wie in Deutschland, dass jeder zum Fußball geht. Da ist ein größeres Interesse am Eishockey.

hessenschau.de: Und wie war es abseits des Platzes?

Wurtz: Bei Honka Espoo war es so, dass der Hauptsponsor auch Indoor-Center in ganz Skandinavien betreibt, natürlich auch direkt bei uns neben dem Stadion. Da konnte man alles nutzen, sowohl Fitness als auch Regeneration. Es gab auch jeden Tag Frühstück und Mittagessen und Videoanalyse, da war ich gut aufgehoben. Das hat richtig Spaß gemacht, man hatte eine richtig professionelle Tagesroutine.

hessenschau.de: Was haben Sie ansonsten in Helsinki gemacht, wenn Sie gerade nicht auf dem Fußballplatz standen?

Wurtz: Am Anfang ist es natürlich sehr aufregend und man muss sich erst mal orientieren. Wir waren oft mit unserem Sohn in der Stadt spazieren - wir haben direkt in Helsinki gewohnt. Es hat einfach Spaß gemacht, alles zu entdecken. Man ist eigentlich die ganze Zeit am Wasser und kann die Natur genießen. Es gibt unglaublich schöne Nationalparks. Als Familie wird einem da einiges geboten. Wir waren beim Babyschwimmen und haben darüber auch nette Leute kennengelernt. Da haben wir uns relativ schnell wohlgefühlt.

hessenschau.de: Allerdings haben Sie nun keinen gültigen Vertrag mehr, der FC Honka ist insolvent. Was ist passiert?

Wurtz: Eigentlich hatte ich eineinhalb Jahre Vertrag, also bis nächsten Winter. Aber durch die Insolvenz war das alles ziemlich abenteuerlich. Das konnte auch keiner vorhersehen, das war ein Alleingang des Investors. Er war Hauptsponsor und ohne ihn wurde es schwierig, weil er auch keine anderen Sponsoren zugelassen hat. Er wollte der Alleinherrscher des Klubs sein. Er hat sogar drei Wochen vorher noch einen Trainer neu in den Verein geholt. Das war ziemlich verrückt. Er hat dann wohl in einer Kurzschlussreaktion entschieden, dass er nicht mehr bereit ist, weiterhin Geld zu bezahlen. Und dann ging es ziemlich schnell mit der Insolvenz und dann kann man die Arbeitsverträge ja innerhalb von zwei Wochen auflösen. Da war das Kapitel beendet.

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hessenschau.de: War Ihnen das Risiko von Anfang an bewusst?

Wurtz: Ich hätte es von Finnland nicht erwartet, wenn ich ehrlich bin. Es hatte eigentlich Gründe, warum ich mir gesagt habe, dass ich nicht unbedingt nach Griechenland oder irgendwo in den Süden muss - da hat man halt von Freunden, die dort gespielt haben, schon öfter solche Geschichten gehört. Für Finnland ist es eher untypisch, aber es kann halt echt immer passieren, wenn ein Mann alles entscheidet.

hessenschau.de: Zuvor standen Sie mit Honka noch im Pokalfinale. War das das größte sportliche Ereignis in Ihrer kurzen Zeit in Finnland?

Wurtz: Ja, ich denke schon. Es war ein schönes Spiel im Olympiastadion in Helsinki. Wir waren eigentlich Favorit und es kann sein, dass uns das ein bisschen gelähmt hat. Es gab auch vorher schon ein paar Unruhen mit Bonusgehältern von letzter Saison, die den Jungs nicht ausbezahlt wurden. Das war nicht ganz glücklich. Auf jeden Fall haben wir das Finale dann leider verloren, sonst wären wir in der Europa-League-Quali gewesen. Aber wir haben danach eine Reaktion gezeigt und sind in den Playoffs wieder bis ins Finale gekommen. Dann gab es wieder Unruhen mit ausstehenden Gehältern. Das ist nicht unbedingt die Basis für einen sportlichen Erfolg. Obwohl es möglich gewesen wäre, denn wir hatten eine richtig gute Mannschaft.

hessenschau.de: Waren Sie denn auch von ausbleibenden Zahlungen betroffen?

Wurtz: Am Schluss dann. Das Gehalt von November wurde nicht mehr bezahlt, aber es ist mittlerweile eingetroffen.

hessenschau.de: Noch mal der Blick zurück auf Ihren Ex-Verein: Wie verfolgen Sie aktuell den SV Wehen Wiesbaden?

Wurtz: Ich gucke mir soweit es geht die Spiele an, auf jeden Fall die Zusammenfassungen. Und ich bin natürlich noch mit ein paar Spielern im Austausch. Sie sind furios in die Saison gestartet und sind vom Tabellenplatz her absolut im Soll. Da kann man zufrieden sein, aber man muss natürlich aufpassen. Es ist ja oft so, dass die Aufstiegseuphorie mitgenommen wird und je länger die Saison wird, kann es dann auch noch mal kritisch werden. Ich hoffe, dass sie da noch mal zu der anfänglichen Spielfreude und Stabilität zurückfinden und dann bin ich davon überzeugt, dass das mit dem Klassenerhalt auch klappt.

hessenschau.de: Sie kamen 2020 von den Lilien zum SVWW. Bestehen denn auch noch Kontakte nach Darmstadt?

Wurtz: Ich verfolge sie schon. Aber so richtig Kontakt mit Spielern habe ich da jetzt nicht mehr. Aber klar, die Ex-Vereine verfolgt man automatisch. Es war ja auch sensationell mit dem Bundesliga-Aufstieg. Und jetzt ist es relativ eng und noch alles drin.

hessenschau.de: Sie suchen gerade einen neuen Verein. Welches Niveau trauen Sie sich denn aktuell zu und wollen Sie weiterhin in Finnland spielen?

Wurtz: Ich habe im Jahr 2023 fast jedes Spiel gemacht, sowohl in Wiesbaden, als auch in Finnland. Von der körperlichen Verfassung her bin ich auf einem Top-Niveau, wahrscheinlich sogar besser als in meinen Zwanzigern. Was sich im Endeffekt ergibt, wird sich zeigen. Es gibt jetzt auch Angebote von anderen finnischen Vereinen, die aber nicht in Helsinki sind. Da wird der Winter dann noch ein bisschen strammer, je nördlicher man kommt. Deswegen orientieren wir uns jetzt, wie es weitergeht und können uns auch sehr gut vorstellen, wieder in Deutschland zu bleiben.

Das Interview führte Sonja Riegel.

Quelle: hessenschau.de