Kauczinski resümiert SVWW-Jahr "Ich kriege jetzt noch eine Gänsehaut"
Der SV Wehen Wiesbaden hat ein wildes Jahr hinter sich - mit dem Zweitliga-Aufstieg als Highlight. Trainer Markus Kauczinski blickt im Interview zurück.
Der SV Wehen Wiesbaden ist 2023 in die 2. Liga zurückgekehrt - mit einer verfrühten Aufstiegsfeier und einer überzeugenden Relegation. In der neuen Spielklasse hat der SVWW auch schon das eine oder andere Ausrufezeichen setzen können. Im Interview schaut Trainer Markus Kauczinski zurück auf das vergangene Jahr mit seiner Mannschaft.
hessenschau.de: Herr Kauczinski, im Juni hat das Team in Bielefeld den Aufstieg in die 2. Liga gefeiert. Dabei haben die Spieler Sie vor Freude in die Luft geworfen – Ihr schönster SVWW-Moment im Jahr 2023?
Markus Kauczinski: Nein, definitiv nicht. Ich hatte Angst, dass sich die Jungs einen Bruch heben (lacht). Es war ein toller Moment insgesamt, da zu stehen und diesen Erfolg mit den Fans zu feiern. Auch die Last, die abgefallen ist nach diesen Anstrengungen. Es war ein unheimliches Gefühl, ich kriege jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke.
hessenschau.de: Beim Spiel gegen Halle, das der Relegation vorangegangen war, durften Sie wegen einer Gelbsperre nicht an der Seitenlinie stehen. Wie haben Sie die verfrühte Aufstiegsfeier erlebt, als schon auf dem Rasen gejubelt wurde, während in Osnabrück noch zwei Tore gefallen sind?
Kauczinski: Ich war erst oben, bin dann langsam runtergegangen und hatte immer mein Handy in der Hand. Ich stand dann zwischen Baum und Borke, ich wusste nicht, ob ich auf den Platz durfte. Ich habe mitbekommen, dass alle jubeln, stand aber noch drin. Ich habe mit Leuten von Halle gesprochen, die gesagt haben: "Es ist noch nicht Schluss!" Und mein Handy zeigte das auch an. Und dann kriege ich die Nachricht, dass in Osnabrück noch zwei Tore hintereinander gefallen sind. Und draußen liegen alle übereinander und jubeln. Das war irgendwie surreal. Ich bin dann in die Kabine gegangen, habe mich hingesetzt und gewartet, dass alle reinkommen.
hessenschau.de: Und dann mussten Sie die Mannschaft plötzlich doch auf eine Relegation vorbereiten. Wie waren diese Tage?
Kauczinski: Wir haben irgendwie drüber gelacht und uns noch mal Videos angeguckt, wie alle über den Platz gesprungen sind. Und haben gesagt: Es war ein geiles Gefühl. Wenn wir das wiederhaben wollen, müssen wir jetzt noch mal Gas geben. Wir haben das irgendwie positiv umgemünzt.
hessenschau.de: In welchem Moment der Drittliga-Rückrunde haben Sie denn gemerkt, dass es mit dem Aufstieg wirklich klappen kann?
Kauczinski: Wir hatten in der Hinrunde schon so einen Moment in Ingolstadt. Da haben wir 0:2 zurückgelegen, aber die Mannschaft hatte totale Energie und wir haben es gedreht. Da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass hier was entstehen kann. Ich weiß, wie lange so ein Jahr ist, und dann geht es wirklich viel über Energie und Leidenschaft. Das Gefühl, Tore machen und als Mannschaft verteidigen zu können, ist irgendwann gewachsen. Und es gab auch eine Vertrautheit. Es war ein kleiner Kader, wo wirklich jeder gebraucht wurde. Ich hatte das Gefühl, dass wir gerne zusammen sind, das ist für mich die Basis. Und das ist in der Rückrunde dann noch mal entstanden.
hessenschau.de: Der personelle Umbruch im Sommer war relativ groß. Wie schwierig war das für Sie?
Kauczinski: Das gehört dazu, das habe ich jetzt schon ein paar Mal erlebt. Teilweise wollten sich Spieler verändern, wir haben uns auch gegen Spieler entschieden. Wir hatten aber das Gefühl, mit dem, was wir hatten und neu dazugeholt haben, eine gute Mannschaft zusammenzukriegen. Dass wir wieder was Neues auf die Beine stellen können, um in der zweiten Liga bestehen zu können.
hessenschau.de: 22 Hinrunden-Punkte als Aufsteiger klingen gut. Fühlen sie sich auch gut an?
Kauczinski: Wir sind gestartet und wussten nicht, wo wir stehen. Es war ein Neuaufbau mit einer größeren Herausforderung in der zweiten Liga. Wir sind über dem Strich, das ist für mich erst mal positiv zu bewerten. Aber natürlich sehe ich auch das Potential, das wir noch haben. Ich sehe auch, was wir noch brauchen, um wirklich durchzukommen. Und ich sehe, dass es ein ganz langer Weg ist und dass wir noch viel kämpfen müssen. Das habe ich auch immer im Blick. Es ist eine Momentaufnahme, wir müssen noch hart arbeiten und zulegen, um wirklich unsere Ziele zu erreichen.
hessenschau.de: Wo haben Sie sich gut an die neue Spielklasse angepasst und wo gibt es noch Luft nach oben?
Kauczinski: Wir haben direkt in eine Leidenschaft gefunden, Gegner zu bekämpfen und wirklich jeden Meter zu gehen. Wir haben fußballerisch zugelegt und in dieser Serie mit fünf Spielen, von denen wir vier gewonnen und eins unentschieden gespielt haben, auch gut Fußball gespielt. Wir müssen jetzt feststellen, dass wir nicht konstant sind. Dass wir im Spiel immer mal wieder Phasen haben, die uns aus der Hand gleiten. Vielleicht eine Halbzeit, in der wir in unseren Verhaltensweisen nicht so stabil sind. Man kann mehr Tore erzielen und man kann mehr Chancen rausspielen. Am Ende ist es die Konstanz, die noch fehlt, um die wir kämpfen müssen.
hessenschau.de: Eine besondere Partie in diesem Jahr war auch das Pokalspiel gegen Leipzig, das der SVWW nur knapp verloren hat. Was haben Sie trotz der Niederlage daraus mitgenommen?
Kauczinski: Pokalspiele sind immer was Besonderes. Dann kommt ein Bundesligist daher, der es zwischen zwei Spieltagen vielleicht doch mal lockerer angehen lässt. Dann schießen sie schnell zwei Tore und wir haben uns zurückgekämpft. Das ist ein Spiel, wie es im Pokal vorkommen kann. Ich habe das nicht so hoch gehangen, weil ich wusste, dass wir kämpfen, spielen und für jeden gefährlich sein können. Am Ende hat ein bisschen was gefehlt, es war aber ein mitreißendes Spiel und eine mitreißende Kulisse. Das habe ich aber ehrlich gesagt auch schon lange abgehakt.
hessenschau.de: Stürmer Ivan Prtajin hat sich mit zwei Toren gegen Leipzig in den Fokus gespielt und ist auch in der Liga der beste Torschütze des SVWW. Wird er über die Saison hinaus für den Verein zu halten sein?
Kauczinski: Erst mal hat er seinen Vertrag hier verlängert und das ist noch nicht so lange her. Ich glaube, dass Ivan noch mehr kann als das, was er jetzt gezeigt hat, er hat auch Chancen liegenlassen. Er hatte besondere Spiele dabei, aber auch von ihm wünsche ich mir, dass er das öfter und beständiger zeigt. Und was dann passiert, weiß ich nicht. Ob dann wirklich Vereine kommen, die jemanden aus dem Vertrag rauskaufen können, und was sie investieren, das werden wir sehen. Ob er das überhaupt will, weiß ich auch nicht. Er hat unterschrieben, weil er hier mit uns seine Ziele erreichen will. Und davon gehe ich erst mal aus.
hessenschau.de: Das Faninteresse in Wiesbaden hat sich zuletzt in eine positive Richtung entwickelt. Wie nehmen Sie das innerhalb und außerhalb des Stadions wahr?
Kauczinski: Mich freut das. Wie ich immer gesagt habe: Es ist ein zartes Pflänzchen, was da wächst. Und man merkt, dass man mehr angesprochen wird, dass das Interesse viel größer ist. Wir waren jetzt einige Male ausverkauft, das hilft natürlich ungemein. Es ist ein geiles Stadion, wenn wirklich alles voll ist. Ich würde mich freuen, wenn es so weitergeht. Wir müssen unseren Teil dazu beitragen. Wir sind immer der Funke. Wenn wir gut spielen und begeisternd sind, dann werden wir andere auch begeistern.
hessenschau.de: Sie haben zuletzt mehrfach auf Pressekonferenzen betont, wie geil Sie es finden, hier kurz vor dem Anpfiff ins Stadion einzulaufen. Wie bewahrt man sich als Trainer diese Begeisterung?
Kauczinski: Fußball ist einfach meine Leidenschaft. Ich habe mit sechs Jahren angefangen Fußball zu spielen und bin sehr früh Trainer geworden. Es ist einfach ein Ding, das nicht endet. Es ist eine Leidenschaft, mit Mannschaften was zu entwickeln, reinzukommen und sich mit anderen guten Vereinen zu messen. Dann die Unterstützung und diese bestimmten Momente im Wettkampf. Ich glaube, dass das nie aufhören wird. Das ist einfach etwas, was einen antreibt und was einem besonders Spaß macht.
hessenschau.de: Falls wir in zwölf Monaten wieder gemeinsam das SVWW-Jahr resümieren sollten, worauf würden Sie dann gerne zurückblicken?
Kauczinski: Auf irgendwas Positives. Für uns steht im Moment natürlich der Klassenverbleib an. Und dann vielleicht nicht zu träumen, aber sich zu entwickeln, dass man bestehen kann und nicht zittern muss. Und trotzdem weiß ich, dass man immer irgendwie zittert. Aber dass man Kräfte entwickelt und als Mannschaft und Verein einen Schritt weiterkommt.
Das Interview führte Sonja Riegel.