Ex-Wiesbadener ist Stammspieler im DFB-Team Robert Andrich: Von der 3. Liga auf die große EM-Bühne

Nationalspieler Robert Andrich legte den Grundstein für seinen Aufstieg bis in die DFB-Elf einst in Wiesbaden. Die SVWW-Verantwortlichen schwärmen noch heute von ihm - auch wenn damals längst nicht alles glatt lief.

Robert Andrich beim EM-Spiel gegen die Schweiz
Robert Andrich beim EM-Spiel gegen die Schweiz Bild © Imago Images
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Uwe Stöver sitzt bei der Pressekonferenz.
Vorstellung von Uwe Stöver beim SV Wehen Wiesbaden. Bild © hessenschau.de
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Robert Andrich war ganz nah dran an seinem großen EM-Moment. Mehr noch: Er hatte ihn eigentlich schon erlebt. Im Spiel gegen die Schweiz am Sonntag in Frankfurt (1:1) fasste er sich in der 17. Minute ein Herz, profitierte von einem Patzer Yann Sommers und durfte ein vermeintlich wichtiges Tor für die deutsche Nationalmannschaft bejubeln. Allerdings nicht lange, denn der VAR kassierte den Treffer wegen eines Fouls von Jamal Musiala in der Entstehung wieder ein.

Dass Andrich bei der Europameisterschaft im eigenen Land eine so große Rolle spielt, ist trotzdem bemerkenswert. Der gebürtige Potsdamer reiste mit der Erfahrung von gerade mal fünf A-Länderspielen zur EM und ist nun Stammspieler an der Seite von Toni Kroos. Dabei kickte er vor sechs Jahren, als Kroos das legendäre WM-Tor gegen Schweden schoss, selbst noch in der 3. Liga. Und zwar in Hessen.

Robert Andrich in seiner Zeit beim SVWW
Robert Andrich in seiner Zeit beim SVWW Bild © Imago Images

Blonde Haare und Tätlichkeiten

Der SV Wehen Wiesbaden hatte Andrich 2016 von Dynamo Dresden geholt. Der fiel damals noch unter die U23-Regelung und wurde von Sportdirektor Christian Hock als "dynamisch und robust" angepriesen. Diese Fähigkeiten zeigte er und war in guten Momenten Dreh- und Angelpunkt des SVWW-Spiels. Insgesamt 67 Pflichtspiele absolvierte der Mann mit den damals stets blondgefärbten Haaren in zwei Jahren für die Wiesbadener und erzielte dabei acht Tore.

Allerdings waren seine Leistungen durchaus unstet. Negativer Höhepunkt: der Endspurt in der Saison 2017/2018. Im hitzigen Aufstiegskampf ließ sich Andrich gleich zwei Mal zu Tätlichkeiten hinreißen. So verpasste er insgesamt sechs Partien gesperrt, der Aufstiegstraum des SVWW platzte auf den letzten Metern.

"Er hat sich unheimlich entwickelt"

Den weiteren Karriereweg von Andrich bis hin zum Deutschen Meister und Nationalspieler haben auch die Verantwortlichen dementsprechend eher nicht kommen sehen. "Wenn ich sagen würde, dass das absehbar war, wäre ich ein Zukunftsforscher. Aber es ist aufgefallen, dass er enorme Anlagen hatte", sagte Nico Schäfer, Vorsitzender der Geschäftsführung des SVWW, in der vergangenen Woche. "Bei uns hat er sich toll entwickelt mit Ups and Downs."

"Er ist auch verwurzelt hier in Wiesbaden und ist ab und zu hier. Er hat sich auch menschlich und als Persönlichkeit unheimlich entwickelt", ergänzte Vereinsboss Markus Hankammer. "Und das ist das Tolle. Da hat eine parallele Entwicklung stattgefunden. Das freut mich für ihn total."

In früheren Zeiten habe er immer gegen den Strom schwimmen wollen, bekannte Andrich kürzlich in einer Pressekonferenz des DFB. "Ich wollte gerne immer die andere Meinung haben. Ich wollte immer zu der Minderheit gehören, die aneckt", sagte er. Inzwischen ist der zweifache Familienvater besonnener geworden.

Finale in Berlin als großer Traum

Über die Stationen Heidenheim und Union Berlin landete Andrich in Leverkusen und wurde zu einem Führungsspieler in der nahezu perfekten Saison unter Xabi Alonso. Dass seine fußballerischen Fähigkeiten, die in der 3. Liga bereits unverkennbar waren, gelegentlich verkannt werden, stört den Mittelfeldmann nicht. "Mir ist wichtig, dass meine Mannschaft und meine Trainer wissen, was ich kann. Dass ich ab und zu mal für eine grobere oder härtere Spielweise stehe, steht außer Frage", sagte er. "Wenn man auf so einem Niveau Bundesliga und Nationalmannschaft spielt, dann kann man natürlich auch ein bisschen was mit dem Ball."

Dass es mit dem großen Moment in der Gruppenphase noch nicht geklappt hat, muss dabei noch nichts heißen. Denn Andrich spekuliert auf das Finale im Berliner Olympiastadion - dort, wo er einst Balljunge war und vor einigen Wochen bereits den Gewinn des DFB-Pokals mit Leverkusen bejubeln durfte. "Den Titel da zu gewinnen war unfassbar. Natürlich gibt das einen Ansporn, da noch mal zu spielen." Auch die Verantwortlichen des SV Wehen Wiesbaden dürften ihrem ehemaligen Schützling dann wieder die Daumen drücken.

Quelle: hessenschau.de