Zweite Fußball-Bundesliga SV Wehen Wiesbaden im Teamcheck: Stabilität als großer Trumpf
Der SV Wehen Wiesbaden ist zurück in der zweiten Liga – und will alles besser machen als beim letzten Gastspiel 2019/2020. Von der ganz besonderen Aufstiegsgeschichte erhofft sich der Verein einen zusätzlichen Schub.
Nach drei Jahren ist der SV Wehen Wiesbaden wieder im Fußball-Unterhaus angekommen. Die letzte Zweitliga-Saison mit dem direkten Abstieg gilt als mahnendes Beispiel, die Verantwortlichen haben entsprechend vorgesorgt. Trotzdem könnte es schwierig werden, sich in einer Liga mit sehr großen Namen zu behaupten.
So lief die vergangene Saison
Das Happy End ist sicherlich vielen Fußballfans noch sehr gut in Erinnerung: In der Relegation gelang der Aufstieg mit furiosen Spielen gegen Arminia Bielefeld. Zu Saisonbeginn hatte kaum jemand den SVWW auf dem Aufstiegszettel. Das Team von Trainer Markus Kauczinski setzte sich jedoch schnell in oberen Tabellenregionen fest und wirkte sehr stabil, auch Verletzungspech und kleinere Ergebnisdellen warfen die Mannschaft nicht aus der Bahn.
Der dramatische Showdown am letzten Spieltag – ein SVWW-Tor mehr hätte den direkten Aufstieg bedeutet, ein Tor von Gegner Halle hätte die Wiesbadener mit leeren Händen dastehen lassen – hat Drittliga-Geschichte geschrieben. Und die Aufstiegsfeier, die der SVWW und seine Fans damals verfrüht gestartet hatten, konnten sie nur einige Tage später in Bielefeld nachholen.
Wer kommt, wer geht?
Im SVWW-Kader ist in diesem Sommer ordentlich Bewegung. Klar: Der Klub rüstet sich für die zweite Liga und will nicht denselben Fehler wie vor vier Jahren machen, als man mit vielen jungen und unerfahrenen Spielern startete und gestandene Profis wie Stefan Aigner und Heinz Lindner erst nachträglich zum Kader stießen, als man schon einen Rückstand auf die Nicht-Abstiegsplätze angehäuft hatte.
So bringen einige der Neuen wie Marcus Mathisen, Zwei-Meter-Hüne Aleksandar Vukotic oder Nick Bätzner auch internationale Erfahrung mit. Während die beiden erstgenannten die Abwehr stabilisieren sollen, könnte Bätzner der ersehnte Spielmacher sein.
Der 23-Jährige deutete sein Potenzial im Testspiel in Biebrich bereits an, wird den Saisonstart aber verletzungsbedingt verpassen. "Wir haben mit unseren Möglichkeiten das Bestmögliche rausgeholt", bilanzierte Kauczinski die Einkäufe. "Wir können total zufrieden sein."
Der Blick auf die Liste der Abgänge ist aus SVWW-Sicht allerdings richtig schmerzhaft: Mit Benedict Hollerbach, Johannes Wurtz, Ahmed Gürleyen und Brooklyn Ezeh haben gleich vier Erfolgsgaranten der vergangenen Saison den Verein verlassen.
Ob das Team trotzdem Zweitliga-Tauglichkeit besitzt, wird sich zeigen müssen. Gut möglich, dass man noch mal auf dem Transfermarkt aktiv wird und einen Ersatz für Hollerbach präsentiert. Geld hat der Transfer des Flügelflitzers zu Union Berlin jedenfalls reichlich in die Vereinskasse gespült.
Immerhin: Die Stimmung im neu formierten Kader scheint überragend zu sein – das soll sich auch auf dem Platz auszahlen. "Das Klima ist einfach unfassbar gut. Hier kann man einfach super arbeiten", so Sascha Mockenhaupt, der als Beispiel die Vertragsverlängerung von Torjäger Ivan Prtajin anführt.
Der Trainer
Trainer Kauczinski kennt sich in der zweiten Liga bestens aus: Der Coach stand bereits bei 179 Spielen im Unterhaus an der Seitenlinie. Wie für den SV Wehen Wiesbaden ist es für ihn die Rückkehr nach drei Jahren: 2020 war er er parallel zu seinem jetzigen Klub mit Dynamo Dresden abgestiegen.
In Wiesbaden hat der 53-Jährige vor gut anderthalb Jahren das Erbe von Rekordtrainer Rüdiger Rehm angetreten – und nach Startschwierigkeiten eine schlagkräftige Mannschaft geformt. In der Art und Weise, wie er spielen lässt, könnte ein entscheidender Vorteil liegen. "Vom Gefühl her sind wir taktisch und von der Mannschaft her einen Tick stabiler", beschreibt es der neue Kapitän Mockenhaupt, der auch 2019/2020 schon dabei war.
Seinerzeit kassierte der SVWW mit Abstand die meisten Gegentore aller Vereine, nämlich 65. "Damals war es ja auch generell ein wilderer Fußball, den wir gespielt haben. Da haben wir es einfach drauf angelegt, wer mehr Tore schießt. Ich sehe uns insgesamt ein bisschen besser vorbereitet", so Mockenhaupt. Und das ist natürlich auch ein Verdienst des erfahrenen Trainers.
Die Erwartungen an die Saison
Ganz oben auf der Wunschliste steht in Wiesbaden natürlich das, was beim letzten Zweitliga-Abenteuer nicht geklappt hat: der Klassenerhalt. Denn langfristig will sich der SVWW als Zweitligist etablieren. Zuvor gelten Respekt und Vorfreude den zahlreichen Highlight-Spielen – große Gegner kommen nach Wiesbaden, aber auch Auswärtsstadien wie die Arena auf Schalke oder das Olympiastadion in Berlin warten auf das Team. Hinzu kommt das Pokal-Heimspiel gegen Titelverteidiger Leipzig Ende September.
Generell möchte man aus der Underdog-Rolle Kapital schlagen: "Für viele Gegner sind wir so ein bisschen die graue Maus in der Liga, wo die Leute vielleicht auch weniger Bock haben, hinzureisen. Es wäre gut, wenn wir es auf dem Platz auch hinkriegen, dass die Leute ungern hier sind", sagt Mockenhaupt.
Was der Verein außerdem anstrebt: Sich endlich einen Platz in den Herzen der Fußballfans im Rhein-Main-Gebiet zu sichern. "Den Vier-Minuten-Aufstieg, den wir erlebt haben und dann die Relegation, wo wirklich eine Stadt und eine Region hinter uns standen: Das habe ich persönlich, und das muss ich wirklich emotional auch so zugeben, so noch nicht erlebt in Wiesbaden", schwärmt Geschäftsführer Nico Schäfer. Und diese Emotionen muss der Aufsteiger mitnehmen, um in der neuen Liga zu bestehen.