Regionalliga Südwest Wie die SG Barockstadt als Aufsteiger die vierte Liga rockt
Fulda ist bislang die Überraschungsmannschaft der Saison in der Regionalliga Südwest. Mit Rang sechs und neun Spielen ohne Niederlage ist ein Traumstart gelungen. Doch an Träumereien in höhere sportliche Sphären wollen Team und Trainer aktuell keinen Gedanken verschwenden.
Der Höhenflug von Aufsteiger SG Barockstadt Fulda-Lehnerz in der Regionalliga Südwest hält an. Die bisherige Bilanz für den Neuling in der vierthöchsten Spielklasse fällt beeindruckend aus: Tabellenrang sechs nach zwölf Partien. Aktuell ist die Überraschungsmannschaft der Saison seit neun Spielen ungeschlagen. "Das ist herausragend", beurteilt der Fuldaer Finanzvorstand Martin Geisendörfer.
Deswegen bereitet der Blick auf die Tabelle dem Team um Trainer Sedat Gören derzeit viel Vergnügen. "Das macht uns sehr stolz im Verein", sagt der Coach, der als akribischer Arbeiter und emsiger Motivator großen Anteil hat. Mit dieser Erfolgsgeschichte hatte in Fulda nach dem Last-Minute-Aufstieg im Sommer niemand gerechnet. Mit etwas mehr Cleverness wären bisher sogar noch mehr Punkte möglich gewesen.
Erst am vergangenen Wochenende gab Fulda einen sicher geglaubten Sieg noch aus der Hand. Und damit verpasste die SGB auch den Sprung in die Spitzengruppe der Liga. Nach einer 3:0-Pausenführung durch einen Hattrick von Marius Löbig endete die Partie beim aktuellen Abstiegskandidaten Astoria Walldorf noch 3:3.
Späte Gegentore kosteten mehrfach Punkte
Die letzten beiden Treffer schluckte Barockstadt in der 87. und 88. Minute - bitter. Torwart Tobias Wolf erlebte mit zwei Patzern, die im Spiel zu Gegentoren führten, einen rabenschwarzen Tag. "Ärgerlich, dass wir aus solchen Spielen nicht mehr mitnehmen. Zumal es nicht das erste Mal war, dass uns späte Gegentore Punkte gekostet haben. Aber insgesamt können wir dennoch zufrieden sein, wie es derzeit läuft", sagt Kapitän Patrick Schaaf.
Den nächsten Sieg peilt Barockstadt am Samstag (14 Uhr) an. Dann ist der Tabellenletzte FC Rot-Weiß Koblenz zu Gast im Stadion in der Johannisau. Das Team aus Rheinland-Pfalz wird seit diesem Sommer übrigens vom früheren Bremer Bundesliga-Torwart und Ex-Offenbach-Coach Oliver Reck trainiert.
Neuzugänge verstärken eingespielte Truppe
Doch wie erklärt sich der Höhenflug des Aufsteigers aus Fulda? Die Mannschaft ist eingespielt. Das Stammpersonal aus dem Vorjahr wurde weitgehend erhalten. Hinzu gekommen sind einige Neuzugänge, die das Team klug verstärken.
In der Offensive überzeugte bislang Will Siakam, der vier Tore und vier Vorlagen in neun Spielen erzielte. Der 26 Jahre alte Stürmer kam erst Ende August und stand zuletzt bei Tennis Borussia Berlin unter Vertrag. In seiner bisherigen Laufbahn erzielte Siakam in 111 Einsätzen für mehrere Vereine in der Regionalliga Nordost 26 Treffer.
In der Defensive machen der aus Erlensee (Main-Kinzig) gekommene Innenverteidiger Aaron Frey und Kristian Gaudermann (früher FC Gießen) als rechter Verteidiger eine gute Figur. Wichtig für die Stabilität ist auch Marius Grösch, der beim FC Carl Zeiss Jena schon Drittliga-Erfahrung sammelte. Nebenbei glänzt er als Vollstrecker und verwandelte alle vier seiner geschossenen Elfmeter.
Die Abwehr ist das Prunkstück
Überhaupt ist die kompakte Abwehr bislang das Prunkstück. Die Mannschaft kassierte in zwölf Ligaspielen erst zwei Niederlagen und 14 Gegentore. Damit stellt sie die viertbeste Defensive. Besser sind nur die Top-Teams Ulm (Erster/sechs Gegentore), Offenbach (Fünfter/zwölf) und Steinbach Haiger (Zweiter/13).
Optimierungsbedarf besteht im Angriff. Vermisst wird der derzeit verletzte Torjäger Dominik Rummel. Für gute Impulse in der Offensive sorgt Spielgestalter Leon Pomnitz (zwei Tore, sechs Vorlagen). Der Chef auf dem Platz ist aber Kapitän Schaaf. Der 33-Jährige zieht im Mittelfeld die Fäden. Er ist seit zehn Jahren im Verein und hat alle Höhen und Tiefen mitgemacht - zuletzt vor allem die Höhen mit dem Aufstieg.
Finanzvorstand Geisendörfer ist ein regelrechter Fan von Schaaf und begeistert von seinem Wirken. "Wenn man allein schon vor dem Spiel die Ansprache vom Kapitän an die Mannschaft hört, dann stellen sich einem die Nackenhaare auf. Das ist schon beeindruckend."
Fuldaer Amateure konkurrieren mit Profi-Teams
Schaaf ist auch ein Prototyp des fleißigen Arbeiters, für den Fußball nur Hobby und Nebengeschäft ist. Er arbeitet Vollzeit in einer Bank, baut nebenbei gerade ein Haus und erwartet in der Familie wieder Nachwuchs - Langeweile kommt bei ihm nicht auf.
Wie Schaaf muss der Großteil der Akteure arbeiten gehen. Einige jüngere Mannschaftskollegen studieren. Das Fuldaer Team besteht überwiegend aus Amateuren. Der Saison-Etat liegt bei rund 1,3 Millionen Euro, wie Geisendörfer sagt. Damit kann Fulda mit den unter Profi-Bedingungen agierenden Konkurrenten wie etwa Ulm, Offenbach und Homburg finanziell nicht mithalten. Der Etat dort liege dort mehr als doppelt so hoch, vergleicht Geisendörfer.
Ziel: Klassenerhalt - "Alles andere ist Träumerei"
Trotz der aktuellen Erfolgsserie gilt für die SGB aber zunächst nur ein Ziel: Klassenerhalt. "Alles andere ist für diese Saison Träumerei. Aber wenn wir 35 Punkte sicher haben, können wir über mehr reden", sagt Geisendörfer.
Auf lange Sicht könne man womöglich mit der 3. Liga liebäugeln, wenn man Visionen verfolge und weitere Entwicklungsschritte machen möchte, erklärt der Finanzvorstand. Doch dafür bedürfe es noch "struktureller Veränderungen" und mehr zahlungskräftiger Sponsoren, wie er sagt.
Zuschauerzahlen deutlich gestiegen
Der erfolgreiche Saisonstart führt zu Euphorie in Verein und Umfeld. Der Zuschauerschnitt ist auf mehr als 2.000 Besucher pro Heimspiel gestiegen. Damit rangiert Fulda in der Zuschauertabelle auf Rang vier. Kalkuliert hatten die Fuldaer lediglich mit einem Schnitt von 1.300 Zuschauern. In der Hessenliga waren es nur rund 800.
Die Fuldaer spielen derzeit in einer Baustelle. Das Stadion wird auf Kosten der Stadt für rund 25 Millionen Euro saniert. Wenn die Baumaßnahmen beendet sind, bietet die Spielstätte 10.000 Besuchern Platz - "das wäre drittligatauglich", merkt Geisendörfer an. Doch an solche Sprünge und Ziele will Kapitän Schaaf derzeit keine Gedanken verschwenden. Die Realität heißt: Regionalliga Süddwest. Dort auf Dauer zu bestehen, sei schwer genug.