Helga Altvater und Regina Senkler Wie zwei Hessinnen den Frauenfußball voranbrachten
1970 hebt der DFB sein Verbot gegen den Frauenfußball auf. Überall in Hessen drängen Frauen in Vereine und Verbände. Regina Senkler und Helga Altvater sind zwei dieser Pionierinnen. Ihre Erfahrungen zeigen: Damals war nicht jeder bereit für Frauen im Fußball.
Als in den 70er-Jahren nach der Aufhebung des DFB-Verbots die ersten Meisterschaften ausgespielt werden, ist Oberst Schiel Niederrad deutschlandweit einer der führenden Vereine. Dort spielt Regina Senkler als Vorstopperin: "Ich war schon immer beleidigt, wenn eine an mir vorbeigegangen ist. Ich war da sehr ehrgeizig."
Regina Senkler räumt ab und treibt an – auch neben dem Feld. Senkler will die Entwicklung des Frauenfußballs voranbringen, ihn im Hessischen Fußball-Verband (HFV) etablieren und die Ligen attraktiver gestalten. Sie bewirbt sich 1976 um die Stelle als Referentin für den Frauenfußball: "Ich musste bei dem damaligen HFV-Präsidenten antreten. Es hieß: Bringen Sie auch ihren Mann mit, da war ich ein bisschen überrascht. Aber wir sind zusammen hingegangen. Und dann hat der Präsident als erstes meinen Mann gefragt, ob er damit einverstanden ist."
Senklers Mann verlässt aus Protest den Raum. Drinnen wendet sich der Präsident der Bewerberin zu. Senkler berichtet: "Er hat mir sehr persönliche Fragen gestellt, Dinge, die ihn eigentlich gar nichts angingen. Da habe ich gedacht: Oh Gott, worauf hast du dich hier eingelassen. Aber es ging um die Sache, man hat die Faust in der Tasche geballt."
Tanja Pawollek, aktuelle Spielführerin bei Eintracht Frankfurt, blickt mit den Augen der heutigen Generation auf die Szene von damals: "Ich glaube, ich wäre aufgestanden und gegangen. Anscheinend hat man damals gedacht, dass Männer kontrollieren müssen, was ihre Frauen machen."
Männer gingen auf Toilette oder Zigarre rauchen
Senkler bekommt den Posten und wird 1976 die erste Frau im Hessischen Fußball-Verband. Allerdings enden die Widerstände damit nicht. Bei den Verbandssitzungen steht Frauenfußball immer ganz unten auf der Agenda: "Wenn das Thema Frauenfußball kam, gingen die Herren meistens auf die Toilette oder eine Zigarre rauchen."
Doch es gibt auch Unterstützer, Senkler kann ihre Ziele zumindest teilweise umsetzen. Es werden Landesligen eingeführt, das Niveau des Frauenfußballs verbessert sich. Außerdem gibt es zum ersten Mal eine Hessenauswahl für Mädchen und Frauen.
"Ist das ein Problem?"
Anders als Senkler hat Helga Altvater nie selbst gekickt. Sie war die erste Schiedsrichterin Frankfurts. In ihrem Lokalblatt sieht sie 1971 eine Anzeige – darin wird zwar nach dem "23. Mann" gesucht, die damals 17 Jahre alte Altvater fühlt sich aber trotzdem angesprochen: "Ich habe dort angerufen. Es war erst mal Stille am Telefon und dann fragte der Mann von der Schiedsrichtervereinigung: Sind Sie eine Frau? Und ich habe gefragt: Ist das ein Problem?"
Altvater macht Ernst und besteht die Schiedsrichterprüfung. Als sie ihr erstes Spiel pfeifen soll, ist sie aber ratlos: Für weibliche Schiedsrichter gibt es von Verband und Schiedsrichtervereinigung keine passende Kleidung: "Ich habe einen schwarzen Hockey-Rock genommen. Und dann hat meine Mutter bei einer schwarzen Bluse eine Tasche aufgenäht – für die gelbe und rote Karte."
Altvater wird Funktionärin
Etwa zehn Jahre pfeift Altvater Spiele, erst bei der Jugend, später auch bei den Männern. Anfang der 1980er hängt sie die Pfeife an den Nagel – sie will den Frauenfußball voranbringen. Als Funktionärin ist es bei den Sitzungen oft herausfordernder, die eigene Meinung durchzusetzen, als vorher mit der Pfeife auf dem Platz: "Ich war die einzige Frau unter 500 Männern. Wenn man da durch den Raum ging, um etwas zu sagen, war das schon gewöhnungsbedürftig."
Altvater fängt auf Kreisebene an, klettert Position für Position nach oben. 1993 wird sie die erste Frau im Vorstand des HFV: "Da wurde im Vorfeld gesagt: Muss das sein? Muss die Frau das machen?" Bis ins Jahr 2000 engagiert sich Altvater in mehreren Ämtern, schafft bessere Strukturen für den Frauenfußball in Hessen.
Sie und Senkler haben den Ligabetrieb ausgeglichener und damit attraktiver gestaltet, Auswahlen gegründet und betreut sowie immer wieder Gelder für den Frauenfußball erkämpft. Es ist die Grundlage für den Frauenfußball, wie er heute aussieht.
Die heutige Generation in Person von Eintracht-Spielerin Pawollek weiß das zu schätzen. "Ich weiß nicht, wie viele da standgehalten hätten. Ich habe riesigen Respekt davor, dass sie das durchgezogen haben", sagt die 23-Jährige.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 10.01.2023, 19.30 Uhr
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