Steffen Fäth über Titel und Heimat Dieser Handball-Europameister spielt jetzt in der Bezirksoberliga
Mit der deutschen Nationalmannschaft gewann er sensationell die Europameisterschaft, nun spielt er trotz großer Angebote mit seinen Kumpels in der Bezirksoberliga. Handballer Steffen Fäth erklärt seinen Weg.
Steffen Fäth ist 1990 in Frankfurt geboren und noch immer zu Hause. Mit seine schönste Zeit verbrachte er als Handballer bei der HSG Wetzlar (2010-2016). Von dort aus ging es zur Handball-EM 2016 in Polen, die die Deutschen mit dem auftrumpfenden Fäth im Rückraum sensationell gewannen. Nach Stationen unter anderem in Berlin und bei den Rhein-Neckar Löwen spielt er seit Sommer wieder bei seinem Heimatverein HSG Goldstein/Schwanheim in der Bezirksoberliga.
hessenschau.de: Steffen Fäth, wann haben Sie sich entschieden, wieder für Ihren Heimatverein in der Amateurklasse zu spielen?
Steffen Fäth: Das war im Dezember 2022, als mir in Erlangen mitgeteilt wurde, dass mein Vertrag nicht verlängert wird. Ich hatte von der ersten bis zur sechsten Liga viele Angebote, aber für mich war die Zeit reif. Durch die vielen Verletzungen hatte ich den Spaß verloren und auch das Vertrauen in meinen eigenen Körper. Der Gedanke, zu meinem Heimatverein zurückzukehren, hat mich dann nicht mehr losgelassen. Es war der richtige Zeitpunkt, auch für meine Familie.
hessenschau.de: Haben Sie durch die Verletzungen den Spaß verloren oder durch das Geschäft?
Fäth: Ich bin durch die Verletzungen aus meinem Rhythmus gekommen und es macht keinen Spaß, alle acht Wochen wieder eine neue Reha zu beginnen. Gleichzeitig sind die Klubs nun auch Unternehmen, bei denen der Ton etwas unangenehmer wird, wenn man so oft auf der Platte fehlt.
hessenschau.de: Spielen Sie jetzt mit Ihren Kumpels von früher?
Fäth: Die Jungs von früher kommen oft zu den Spielen, auch meine Mutter und Oma können nun wieder häufiger live dabei sein. Mein Positionskollege beispielsweise ist erst 18, den habe ich früher als kleinen Jungen durch die Halle laufen sehen. So ist es heute auch, sehr familiär. Als wir bei einem Spiel aus der Halbzeitpause kamen, habe ich auf dem Feld vor dem Beginn der zweiten Halbzeit noch mit meinen Töchtern rumgealbert.
hessenschau.de: Was sind die größten Unterschiede zur Bundesliga?
Fäth: Natürlich sind die Kabinen anders, aber drinnen unterhalten sich Männer über irgendwelches Zeugs, das ist überall gleich. Bei uns steht dann schon mal häufiger eine Kiste in der Mitte und man bleibt länger zusammen sitzen, weil man sich eben nicht jeden Tag sieht. Der Zusammenhalt ist naturgemäß größer.
hessenschau.de: Und die Gegner wollen es dem ehemaligen Europameister unbedingt zeigen?
Fäth: Davor wurde ich auch gewarnt, aber ich muss sagen, dass es nie hart oder unfair ist. Aber klar, der eine oder andere konzentriert sich auf mich. An mir hingen schon mal zwei oder drei Gegenspieler, während der Kreisläufer völlig frei stand. Ich persönlich musste mich erst einmal umstellen, weil ich auf diesem Level kein Harz an den Händen benutzen darf. Das war so krass, dass ich in meinem ersten Spiel nur 3 aus 12 (Tore aus Versuchen) geworfen habe. Wir unterlagen mit einem Tor und rennen als Tabellenzweiter jetzt dem direkten Aufstieg hinterher.
hessenschau.de: Welche Erinnerungen haben Sie an den Europameistertitel 2016?
Fäth: Das war ein unglaubliches Erlebnis, weil durch die vielen Verletzten keiner etwas von uns erwartet hatte. Wir waren einfach eine richtig coole Truppe, die durch diese mannschaftliche Geschlossenheit über sich hinausgewachsen ist. Selbst als wir das erste Spiel gegen Spanien verloren, war die Gemütslage nicht: "Oh, jetzt brechen wir ein!" Sondern eher: "So, jetzt legen wir richtig los!"
hessenschau.de: Trainer Dagur Sigurdsson prägte den Begriff der "Bad Boys" in Anlehnung an die Basketballer der Detroit Pistons und lud das Team zum Boxtraining. Welchen Einfluss hatte er auf den Erfolg?
Fäth: Einen enormen. An das Boxen kann ich mich gut erinnern, das war eine gelungene Abwechslung. Mannschaften gehen häufiger Paintball spielen, doch Boxen war komplett neu. Und zu den "Bad Boys": Jeder konnte das auf seine Art interpretieren. Für mich stand die damalige Basketballmannschaft für eben dieses Zusammenhalten, durch das die Abwesenheit großer Stars aufgefangen wurde. So war es bei uns, wir steigerten uns von Spiel zu Spiel und nach dem Erfolg gegen Dänemark war einfach alles möglich.
hessenschau.de: Welche Storys gab es von der Party?
Fäth: Die meisten habe ich nicht mitbekommen, weil ich mit meiner Familie und meinen Freunden gefeiert habe. Das war richtig cool, dass sie bei dieser Party dabei sein konnten. Ich kann mich nur noch erinnern, dass Simon Ernst von oben bis unten angemalt war. (lacht.)
hessenschau.de: Von der EM 2016 sind vier Spieler auch bei der EM 2024 dabei. Was können Sie dem jungen Team mitgeben?
Fäth: Junge Spieler kriegen immer viele Ratschläge, aber es ist etwas anderes, wenn diese von erfahrenen Spielern kommen. Von Leuten, die die Situationen schon erlebt haben. Als Beispiel: Junge Spieler machen sich schon einmal einen Kopf, wenn es nicht so läuft. Die vier von 2016 können direkt erzählen, wie wir mit der Niederlage gegen Spanien damals umgegangen sind.
hessenschau.de: Sie sind der Experte für den Rückraum. Wie ist die deutsche Mannschaft da besetzt?
Fäth: Ich finde, sie hat einen interessanten Mix. Es gibt viele Spieler, die individuell gut ausgebildet und auch variantenreich sind. Die Jungen wie Martin Hanne oder Nils Lichtlein haben auf sich aufmerksam gemacht, Julian Köster ist schon unglaublich erfahren. Sebastian Heymann wäre stark, wenn er sein Potenzial aufs Feld bringt. Philipp Weber macht immer wieder gute Spiele, aber nicht konstant genug, deswegen sehe ich andere vor ihm. Also ich würde auf Köster und Kai Häfner setzen, Juri Knorr als Mittelmann ist ohnehin gesetzt.
hessenschau.de: Zum Schluss: Wie schneidet das deutsche Team ab?
Fäth: Wenn die deutsche Mannschaft es schafft, eine gute Vorrunde zu spielen und sich da viel Selbstvertrauen holt, dann kann sie es schon ins Halbfinale schaffen. Danach ist es dann alles eh ein bisschen Tagesform abhängig. Der klare Favorit ist für mich aber Dänemark.
Das Gespräch führte Ron Ulrich.