Golla und Kohlbacher in Topform Bei der Handball-WM schließt sich der hessische Kreis
Der deutsche Handball zählt vor dem Viertelfinale gegen Frankreich auf zwei Hessen. Jannik Kohlbacher und Johannes Golla präsentieren sich bei der WM in Galaform. Auch ein Weltmeister gerät ins Schwärmen.
Manchmal haben auch Brecher reizend klingende Kosenamen: "Golli" und "Kohli" werden bei den deutschen Handballern immer gerufen, wenn es hart werden kann. Die Nationalmannschaft hat bei der WM mit dem Einzug ins Viertelfinale (Mittwoch, 20.30 Uhr) gegen Frankreich bislang absolut überzeugt. Das liegt auch an zwei Hessen: Johannes Golla aus Erbach (Rheingau) und Jannik Kohlbacher aus Reisen. Beide Kreisläufer lieferten zuverlässig ab und bildeten nach der Vorrunde das beste Duo auf dieser Position im gesamten Turnier.
Und auch nach der Hauptrunde sprechen die Zahlen für sich: Golla schaffte bislang 23 Treffer und acht Assists. Der Kapitän stand von allen deutschen Akteuren am längsten auf der Platte. Kohlbacher war genauso oft erfolgreich bei geringerer Spielzeit und verwertete dabei sogar 80 Prozent seiner Versuche. Damit gehören die Deutschen zur Weltspitze, nur das ungarische Kreisläufer-Duo erzielte einen Treffer mehr. Große Nationen wie Spanien, Dänemark oder Norwegen folgen in dieser Wertung weit dahinter.
Auch der ehemalige Nationalspieler Christian Schwarzer ist voll des Lobes. Beim "Ball des Sports" am Samstag sagte er dem hr-sport: "Die beiden gefallen mir als ehemaligem Kreisläufer sehr, sehr gut. Sie sind elementar wichtige Spieler." Schwarzer hatte mit dem DHB-Team 2007 den Weltmeistertitel und 2004 die olympische Silbermedaille gewonnen. "Sie haben beide überragende Quoten im Angriff, Johannes ist zudem eine zentrale Figur in der Abwehr. Auf dieser Position muss sich der Bundestrainer also keine Gedanken machen."
Golla auch in der Defensive wichtig
Doch was macht das Duo so stark? Zunächst einmal sticht die Einstellung der beiden heraus, denn selbst im Fallen und mit dem Rücken zum Tor haben sie schon getroffen. Mit ihrer physischen Wucht stellen sie die gegnerischen Verteidiger regelmäßig vor Probleme und antizipieren die Anspiele. Interessant: Alle ihre Würfe in die rechte untere Ecke verwandelten Kohlbacher und Golla (Golla sieben, Kohlbacher elf).
Kapitän Golla ist auch als Abwehrchef gefordert, weswegen Kohlbacher ihm die nötigen Pausen verschaffen kann – ohne einen deutschen Qualitätsverlust in der Offensive. Der ehemalige Wetzlarer Kohlbacher kommt oft in Über- oder Unterzahlsituationen aufs Feld. "Unser zweiter Anzug sitzt", sagte der Europameister von 2016 nach der Vorrunde.
"Blindes Verständnis" mit Spielmacher Knorr
Außerdem entscheidend ist die besondere Harmonie der beiden mit Juri Knorr, dem Dreh- und Angelpunkt der deutschen Mannschaft. Kohlbacher und Knorr spielen zusammen bei den Rhein-Neckar Löwen, durch ihr "blindes Verständnis" haben sie schon in der laufenden Bundesliga-Saison die Gegner reihenweise vor Probleme gestellt. "Es ist einfach schwierig, dieses Gespann zu verteidigen", sagte beispielsweise Wetzlars Lenny Rubin nach dem Aufeinandertreffen im Dezember.
Kapitän Golla und Spielmacher Knorr stimmen sich immer wieder bei den Spielzügen ab, sie führen das Team. Der Hesse antizipiert oftmals die Bodenpässe von Knorr, als würden sie schon jahrzehntelang zusammen auflaufen. Dabei zählt Golla erst 25 Jahre, Knorr nur 22. Deutschland spielt wie kaum eine andere Mannschaft gerne über den Kreis, doch diese Vorgehensweise kann auch Tücken haben: In der Vorrundenpartie gegen Serbien passte Knorr ein paar Mal zu oft zu seinen prädestinierten Abnehmern, sodass sich der Gegner darauf einstellte. "Ich bin dankbar, wenn Kohli und Golli die Anspiele fangen und reinmachen. In der Schlussphase habe ich es aber übertrieben mit den Kreisanspielen, das war ärgerlich", meinte auch Knorr selbst.
In der Stärke liegt auch eine Gefahr
Generell könnte Deutschland durch den Fokus auf den Kreis im Vergleich mit den absoluten Topteams zu leicht ausrechenbar sein. Würfe aus der Distanz gelingen zwar Spielmacher Knorr wie zuletzt gegen Norwegen, ansonsten strahlt der Rückraum aber weniger Gefahr aus. Philipp Weber beispielsweise auf halblinks traf bislang erst sieben Mal, auch Kai Häfner von der MT Melsungen war zuletzt außer Tritt.
Für Deutschland wird es gegen den Olympiasieger zudem darauf ankommen, effizienter als bei der jüngsten Niederlage gegen Norwegen zu agieren. "Das war unser schwächstes Spiel", sagte Golla. "In der ersten Halbzeit war die Abwehr viel zu durchlässig, in der zweiten Halbzeit verwerfen wir viel zu viele Bälle." Auch er selbst kam in dieser Partie nur auf eine Quote von 43 Prozent.
Wenn also die Deutschen die große Überraschung gegen Frankreich schaffen wollen, brauchen sie wieder ihre hessischen Kreisläufer in Topform. Mut macht der Vorgänger von "Kohli" und "Golli", nämlich "Blacky": "Die Mannschaft hat einen guten Geist und Selbstvertrauen. Deutschland muss sich vor keinem Team der Welt verstecken", sagt Christian Schwarzer.