WM-Titel für U21-Handballer Carsten Lichtlein schwärmt von David Späth und Neffe Nils
Dreifacher Grund zur Freude für Carsten Lichtlein: Mit ihm als Torwarttrainer werden die U21-Handballer am Sonntag Weltmeister. Sein Schützling David Späth überragt, sein Neffe Nils wird MVP. Im Interview spricht er über die Schlüssel zum Erfolg.
Carsten Lichtlein trat am Montag seinen 14-tägigen Urlaub an, Mitte Juli geht es für ihn wieder in seiner Funktion als Torwarttrainer der MT Melsungen weiter. Vorher erzählte der 42-Jährige im Interview mit dem hr-sport von den besonderen Momenten der U21-Handball-WM und den Rückschlüssen für die deutsche Zukunft.
hessenschau.de: Carsten Lichtlein, am Sonntag sind Sie als Torwarttrainer mit der U21 Weltmeister geworden. Wie war die Party?
Carsten Lichtlein: Wir haben erst in der Kabine ein bisschen gefeiert, dann ist jeder Einzelne zu seiner Familie gegangen. Zwei Spieler mussten noch zur Dopingkontrolle und wir deswegen etwas warten, bevor es zum gemeinsamen Essen ins Hotel ging. Nachts haben wir in einem Club in Berlin getanzt, den der DHB für uns gemietet hatte. Die Jungs von den Füchsen wollten angeblich noch weitere Locations heraussuchen, aber was die Spieler noch angestellt haben, weiß ich nicht (lacht).
hessenschau.de: Die Mannschaft hat einen unglaublichen Willen gezeigt und wurde von der Atmosphäre getragen. Was waren aus Ihrer Sicht die Schlüssel zum Erfolg?
Lichtlein: Genau diese beiden Punkte. Hinzu kommt noch die Breite im Kader, fast alle Spieler verfügen über Bundesliga-Erfahrung. So konnten wir ohne großen Qualitätsverlust gut durchwechseln. Der eine hat für den anderen alles auf der Platte gelassen. Man hat es vor allem in der Abwehr gesehen: Da wurde um den Kreisläufer gearbeitet und nach Bällen gehechtet. Diese Begeisterung ist auf die Fans übergeschwappt. Nach dem Halbfinale waren direkt die restlichen Tickets fürs Finale restlos ausverkauft. Das war sensationell.
hessenschau.de: Der Trainer hat auch die Abwehr hervorgehoben. Was hat sie so stark gemacht?
Lichtlein: Klar sind wir in der Offensive auch gut aufgestellt, wir hatten unglaublich viele Auslöser und Varianten, was wir spielen können. Aber hinten gewinnt man halt die Meisterschaften. Die Jungs waren in dieser Hinsicht eingespielt, schon im Januar haben wir hohe Ergebnisse erzielt. Da hat es auch schon anerkennend in der Presse geheißen, dass der DHB ein 'Handball-Monster' erschaffen würde.
hessenschau.de: Hat dies nicht auch unglaublichen Druck erzeugt? Bob Hanning forderte schon vor dem Turnier den Titel.
Lichtlein: Wir haben das mitbekommen und die Äußerungen verfolgt. Theoretisch können solche Statements den Druck erhöhen, aber die Jungs selbst hatten denselben Anspruch und haben ihn auch offensiv formuliert. Sie wussten um ihre Qualitäten. Wir sind sehr lange ohne Niederlage geblieben und mit breiter Brust ins Turnier gegangen. Trainer Martin Heuberger hat eine Medaille als Ziel ausgegeben, aber in der Kabine ging es früh um den Titel. So wie es Andi Wolff früher gemacht hat.
hessenschau.de: Damit wären wir bei Ihrem Torhüter David Späth, der ein überragendes Turnier ablieferte und auch aufgrund seiner Emotionalität immer wieder mit Wolff verglichen wird.
Lichtlein: Er hat durch seine Größe super Voraussetzungen, außerdem sein tolles Stellungsspiel und seine schnellen Bewegungen. David verfügt über alle Qualitäten, die ein Top-Torhüter haben muss. Manchmal müssen wir ihn bremsen, weil er den Tempogegenstoß zu schnell und unbedingt einleiten will. Da sind schon mal ein, zwei Bälle weg. Das müssen wir rausbekommen (lacht).
hessenschau.de: In der 38. Minute zog er urplötzlich das rechte Bein zu einer wahnsinnigen Parade hoch...
Lichtlein: ... ja, das war aber auch im Vorfeld der Partie Thema unserer Analyse: Wenn der Außen in der Position so springt und den Arm auf diese Art bewegt, dann zielt er links ins Eck. Man kann natürlich immer viel besprechen, aber umsetzen müssen es die Jungs selbst. David hat da das Eck angeboten und glänzend reagiert. Ich will noch betonen, dass auch Lasse Ludwig unsere Pläne perfekt umgesetzt hat. Sich auf diese Analysen einzulassen, zeichnet am Ende Spitzentorhüter aus. So hatten wir nie unter zehn Paraden pro Partie.
hessenschau.de: Wann war diese Entwicklung bei Späth abzusehen?
Lichtlein: Bei den Junioren war er sowieso immer dabei. Seitdem er bei den Rhein-Neckar Löwen Spielanteile bekommt, hat er gezeigt, was er kann. Selbst wenn er nur fünf Minuten drin war, hat er Leistung gezeigt. Das zeugt auch von Qualität.
hessenschau.de: Ist Späth schon ein Kandidat für das Heimturnier der Männer im nächsten Jahr?
Lichtlein: Das muss der Bundestrainer Alfred Gislason entscheiden. Das Potenzial dafür hat er ohne Zweifel. Der Sprung von den Junioren ist schon sehr groß, aber als zweiten oder dritten Mann müsstest du ihn schon mitnehmen - allein schon, um ihn für die Zukunft aufzubauen. David hat allerdings starke Konkurrenz im Verein mit Mikael Appelgren und Joel Birlehm. Er muss jetzt spielen. Das ist das A und O, um sich weiter zu entwickeln.
hessenschau.de: Würden Sie ihm zu einem Wechsel raten?
Lichtlein: Ich bin kein Berater oder Manager. Ich weiß auch nicht, was die Rhein-Neckar Löwen ihm anbieten. Aber er braucht die Zusage, dass er Spielzeit bekommt. Nur fünf oder zehn Minuten, das kann ihn nicht zufrieden stellen. Für die A-Nationalmannschaft musst du spielen und nicht sitzen. Nun hat er gezeigt, was er kann, und es verdient, bester Torhüter des Turniers zu werden.
hessenschau.de: Zum MVP wurde Ihr Neffe Nils Lichtlein gewählt. Was haben Sie ihm danach gesagt?
Lichtlein: Ich habe diese Ehrung erst hinterher in der Kabine nebenbei mitbekommen und ihm einfach gratuliert. Auch er hat diese Wahl verdient. Diese Spielübersicht als Mittelmann, dieses Auge und Spielverständnis, seine Schlagwürfe und Hüftwürfe - das ist sensationell. Übers ganze Turnier hat er konstant gute Leistungen gebracht. Ich sehe ihn in der Zukunft auch eher in der Mitte als auf der Halbposition. Seine Situation ist mit jener von David vergleichbar.
hessenschau.de: Inwiefern?
Lichtlein: Der Weg über Potsdam war goldrichtig für ihn, um langsam an die Bundesliga heranzukommen. Nun will er Bundesliga spielen, doch die Konkurrenz bei den Füchsen ist ebenfalls groß. Wenn er nicht auf seine Spielzeit kommt, muss er sich Gedanken machen.
Er braucht die Zusage, dass er Spielzeit (im Verein) bekommt. Nur fünf oder zehn Minuten, das kann ihn nicht zufrieden stellen. Für die A-Nationalmannschaft musst du spielen und nicht sitzen. Zitat von Torwarttrainer Carsten Lichtlein über David SpäthZitat Ende
hessenschau.de: Zum Abschluss: Magdeburg ist Champions-League-Sieger, die U21 Weltmeister - wo steht der deutsche Handball derzeit?
Lichtlein: Wir haben Aufwind, der Fußball lässt derzeit Federn. Trotzdem kommen wir an dessen Popularität nicht ran, ganz klar. Dennoch: Das Handball-Image in diesen paar Wochen ist aller Ehren wert. Jetzt geht es um die Nachhaltigkeit! 2016 nach der EM hat ein paar Wochen später - überspitzt gesagt - kein Hahn mehr nach dem Titel gekräht. Die HBL und der DHB müssen zusehen, dass wir im Rennen bleiben.
hessenschau.de: Hieße auch: Die Jungen aus der U21, die für so viel Euphorie gesorgt haben, müssen nun ins A-Team?
Lichtlein: Auf jeden Fall würde ich die Leistungsträger schon mal für die Lehrgänge nominieren. Du kannst sie ja nicht einfach ins kalte Wasser schmeißen, sondern musst sie schon an die Kabine und an das Niveau gewöhnen. Ihnen gehört die Zukunft.
Das Gespräch führte Ron Ulrich.