Unglaubliche Siegesserie in Handball-Bundesliga So spielt die MT Melsungen ihre Gegner "schwindelig"
Siebter Sieg im siebten Spiel: Selbst die gegnerischen Trainer verzweifeln an der MT Melsungen. Gegen Hannover überragt mal wieder der Torhüter - und der gesamte Auftritt zeigt die Verwandlung der Hessen.
Dem eigenen Trainer fehlten die Worte, der gegnerische erzählte von seiner Verzweiflung. Der 34:26-Sieg der MT Melsungen gegen Hannover-Burgdorf am Freitagabend unterstrich noch einmal: Die Hessen treten wie ein absolutes Spitzenteam in der Handball-Bundesliga auf. "Ich weiß gar nicht so richtig, was ich sagen soll. Wir sind in einer tollen Situation", sagte Melsungens Trainer Roberto Garcia Parrondo. Und Hannovers Christian Prokop gab genervt zu Protokoll: "Meine Stimme hat heute schon sehr gelitten. Gerade in der Abwehr, da hat uns Melsungen schwindelig gespielt." Melsungen setzte sich mit dem siebten Sieg im siebten Spiel wieder an die Tabellenspitze.
Eine Szene hatte dabei Symbolcharakter: In der 53. Minute lief Hannovers Justus Fischer bei einem Tempogegenstoß allein auf Melsungens Torhüter Nebojsa Simic zu, doch der hielt wieder einmal einen "freien Ball" spektakulär mit dem Arm. Danach klatschte Simic mit den Händen gegen die Latte und schrie seine Freude mit geballten Fäusten in Richtung der Fans. "Simo, Simo", kam es von den Rängen. Auch Torwarttrainer Carsten Lichtlein ging mit hochgereckten Armen aus dem Sattel. Am Ende standen zehn Paraden von Simic, der in der gesamten Partie mit seinen Emotionen und Reflexen das Team anstachelte.
Überragende Torhüter
Nicht nur Stefan Kretzschmar hält Simic und seinen kongenialen Partner Adam Morwaski für das derzeit beste Torhüter-Duo der Liga. Trainer Lichtlein hatte die beiden schon in der vergangenen Saison zu Höchstleistungen getrieben. Im Interview mit dem hr hatte der ehemalige Nationaltorhüter erklärt, dass sie bei der MT in der Vorbereitung speziell auf diese Eins-gegen-Eins-Situationen und freien Würfe eingehen: "Wir legen nun auch in unserer Arbeit den Fokus auf das Stellungsspiel bei Durchbrüchen. Wir schauen uns in der Videoanalyse genau an, welche Spezialwürfe die gegnerischen Angreifer haben." Im ersten Durchgang hatte eine Parade von Simic sogar direkt einen Tempogegenstoß von Timo Kastening eingeleitet.
Der neue Kapitän verwertete nicht nur diesen Wurf, sondern war mit acht Treffern auch der beste Schütze. Besonders dabei: Kastening traf wie auch sein Kollege Ivan Martinovic mit Hannover auf sein Ex-Team. "Wir wussten, dass Hannover einen schnellen Handball spielt und bis zum Ende kämpft. Sie sind bis auf zwei herangekommen. Ich denke, wir haben einen kühlen Kopf bewahrt", sagte Martinovic hinterher. Genau damit sprach der Rückraumspieler einen entscheidenden Punkt des Melsunger Wandels an.
Wie gut ist die MT wirklich?
Wie schon in Lemgo in der Vorwoche überstand Melsungen die Drangphase des Gegners - noch in den vergangenen Jahren hätte das Team in solchen Situationen das Spiel aus der Hand gegeben. Nun aber sorgen unter anderem Dainis Kristopans und Erik Balenciaga für Ruhe und Varianz im Angriff. Lief früher noch viel auf die Wurfkraft von Julius Kühn aus dem Rückraum hinaus, sind die Melsunger vorne nun schwer auszurechnen. "Wir haben die Angriffe ausgespielt und jeder hat seine Würfe bekommen", erklärte Martinovic treffend. So thront die MT auf Platz eins - die Füchse können am Samstag aber nachziehen.
Relativierend wird immer wieder der "wohlwollende" Spielplan angeführt, wenn es um Melsungen geht. Mit nun fünf Heimspielen in sieben Spielen hatten die Hessen definitiv einen Vorteil, zudem warteten mit Göppingen oder Stuttgart dabei Gegner aus der unteren Tabellenhälfte. Das große Aber: Melsungen nahm mit Kiel auch schon einen richtig Großen auseinander (hatte zwischenzeitlich neun Tore Führung) und gewann die meisten Partien wie am Freitag deutlich. Gerade die vermeintlich Kleinen hatten die MT in den vergangenen Jahren stolpern lassen.
Und: Mit Hannover kam ein Europapokal-Teilnehmer in die Rothenbach-Halle, der mit seinen bisherigen Partien bereits für Aufsehen gesorgt hatte. In Melsungen jedoch musste deren Trainer Prokop feststellen: "So wie heute macht Handball keinen Spaß." Trost für ihn: Den hatte die MT schon anderen verdorben.