Bundesliga-Vertreter erklären Wie kann man beim Schach eigentlich betrügen?
Es bebt in der Schach-Welt. Der Grund: ein Betrugsvorwurf unter Superstars. Das Thema reicht bis ins südhessische Viernheim. Und über allem steht die Frage: Wie kann man Betrüger im Schach-Sport überführen?
Eigentlich ist Dennis Wagner, seines Zeichens Schach-Großmeister, Nationalspieler und Mitglied des südhessischen Schach-Bundesligisten SC Viernheim, ein ruhiger Mensch. Bei einem Thema wird er aber deutlich. "Cheating muss hart sanktioniert werden. Das ist ein absolutes No Go. Das hat keinen Platz im Schachsport und ist nur schädlich für dieses schöne Spiel", betont er im Gespräch mit dem hr-sport. Cheating, also das Betrügen, ist aktuell ein ganz großes Thema in der Welt des viereckigen Brettspiels. Man könnte es auch anders sagen: Die Schachwelt ist in Aufruhr.
Grund dafür ist ein Zwist unter Großmeistern. Der eine, Magnus Carlsen, hat dem anderen, Hans Niemann, Betrug vorgeworfen. Er wolle in Zukunft nicht mehr gegen ihn spielen, betonte Carlsen, aktueller Schach-Weltmeister. Einem Bericht zufolge könnte Niemann mehr als 100 Mal betrogen haben. "Das Thema ist riesig und geht weit über die Schachwelt hinaus. Es ist ein riesiger Medienrummel entstanden", berichtet Stefan Martin, Mannschaftskapitän des SC Viernheim.
Computer schlägt Mensch
Nur: Wie kann man überhaupt im Schach betrügen? "Das Grundproblem ist, dass die Schach-Computer dem normalen Menschen deutlich überlegen sind. Wer Zugang zu einem Computer hat, kann sich dadurch einen Vorteil verschaffen", erklärt Großmeister Wagner. Die Schwierigkeit ist, sich diesen Zugang während einer Partie zu verschaffen.
"Viele, die betrügen wollen, bringen kleine Recheneinheiten am Körper an", berichtet Martin. Brillen, Hörgeräte, Schuhe, sogar ein Turban waren da schon dabei. "Der Empfänger bekommt dann per Morse-Alphabet – beispielsweise in der Schuhsohle – die Züge übermittelt. Zum Beispiel: 'König, D2.' Und er zieht das dann, auch wenn er es nicht versteht." Fremdgesteuert zum Sieg - das ist das Motto beim Betrügen im Schach.
Es hilft nur das Ertappen auf frischer Tat
Das zu beweisen, sei jedoch wahnsinnig schwer, so Martin weiter. Wer nicht auf frischer Tat ertappt würde, sei hinterher schwer zu überführen. "Wir haben noch vieles zu tun", gibt Martin zu. Cheating sei dabei eigentlich eher ein Problem im Amateursport gewesen, fügt Nationalspieler Wagner hinzu. "Wenn da jemand eine Weltklasse-Partie abliefert, fällt das auf. Bei sehr guten Spielern ist das aber viel schwerer zu sehen." Zwei vom Computer gesteuerte Züge gehen in einer Partie auf extrem hohen Niveau deutlich eher unter.
Nun ist das Thema Cheating durch die Carlsen-Niemann-Fehde aber ganz oben im Schach angekommen. Und eben auch Thema bei den Bundesliga-Spielern aus Viernheim. Ganz neu ist das Ganze aber auch dort nicht, Fälle gab es auch in der Bundesliga schon. Dort wurde beispielsweie ein Spieler auf der Toilette am Smartphone ertappt.
15 Mal auf die Toilette gerannt
Oft bleibt aber einfach nur ein ungutes Gefühl. "Wir hatten mal einen Gegner, der 15 Mal auf die Toilette gerannt ist" berichtet Martin. "Alle wussten, er betrügt, aber wir konnten nichts machen." Nur wenige Monate später wurde eben dieser Spieler dann bei einem Turnier überführt. Das Spiel in der Bundesliga war da aber schon verloren aus Viernheimer Sicht.
Überführt werden eben nur die wenigsten - ein weiterer Grund, warum Cheating so ein großes Problem im Schach ist. Vielleicht hat das aktuelle Interesse an der Thematik aber auch etwas Gutes. "Das Thema ist jetzt mehr im Blick", so Martin. Und das könnte helfen, damit der Aufruhr in der Schach-Welt bald wieder kleiner wird.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau Sport, 5.10.2022, 17.55 Uhr
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