Galaxy-Quarterback im Porträt Jakeb Sullivan: Anführer, Sportler, Familienmensch
Jakeb Sullivan steht vor seiner dritten Saison als Quarterback von Frankfurt Galaxy. Der US-Amerikaner ist kein lautstarker Vertreter seiner Zunft, aber doch klares Vorbild und das Gesicht des Teams. Das Porträt eines Anführers.
Jakeb Sullivan hat noch nicht genug. Vor zwei Jahren heuerte der US-Amerikaner bei Frankfurt Galaxy an und führte die Hessen gleich zum Titel in der neugegründeten European League of Football (ELF). "Nach dem Titelgewinn hatte ich das Gefühl: Jedes Workout, das ich in den vergangenen zehn Jahren um 6 Uhr morgens gemacht habe, war es wert. Und das Gefühl macht süchtig", sagt der 28-Jährige im Gespräch mit dem hr-sport. Seither kennt er nur ein Ziel: die nächste Meisterschaft gewinnen.
Dass Sullivan noch immer bei der Galaxy spielt, ist keine Selbstverständlichkeit. In Europa wird man mit Football nicht reich. Die meisten US-Amerikaner, die nach dem College auf dem alten Kontinent anheuern, sind auf Abenteuer aus. Hier mal ein Jahr Wien erleben, weiter nach Italien und in Skandinavien soll es doch auch schön sein. Die Mittzwanziger wollen die Welt sehen. Wer kann es ihnen verdenken?
"Ich wollte nie der Typ sein, der von Team zu Team zu Team weiterzieht", erklärt hingegen Sullivan. In Frankfurt habe er eine zweite Familie gefunden. "My kind of people", nennt er seine Teamkameraden, seinen Schlag Mensch. "Die reißen sich den Hintern für das Team auf. Und das sind die Jungs, die du brauchst, um eine Meisterschaft zu gewinnen." Dass harte Arbeit zum Leben dazugehört, das weiß der US-Amerikaner schon seit seiner Kindheit.
Ein gutes Vorbild
Jakeb Jon Wayne Sullivan wuchs in South Dakota auf, in Rapid City, einem Städtchen etwa ein Zehntel so groß wie Frankfurt. Sein Vater, Wayne Sullivan, war der Brötchenverdiener der Familie. Um Jakeb und seinen vier Geschwistern ein möglichst gutes Leben zu bescheren, hatte er teilweise drei Jobs gleichzeitig.
Tagsüber fungierte er als Rektor der örtlichen High School, am Nachmittag tauschte er Krawatte gegen Trainingsanzug und arbeitete als Football-Trainer der Schule. Abends ging es weiter in eine Bar kellnern. Wayne war ein gutes Vorbild, sagt sein Sohn: "Ich habe gelernt, dass beschäftigt zu sein nicht schlecht ist. Mein Vater hatte immer zu tun, aber er mochte die Sachen, die er tat. Und er war gut in den Sachen, die er machte."
Auch Jakeb Sullivan ist gut, in dem, was er macht. In der ELF gehört der Quarterback zu den besten seiner Zunft. Vergangene Saison warf er den Ball über insgesamt 2.930 Yards (Platz vier) für 31 Touchdowns (Platz zwei). Mehr als 66 Prozent seiner geworfenen Bälle kamen bei seinen Mitspielern an: Liga-Bestwert. "Er hat auf dem Platz einfach diese Präsenz. Selbst in Crunch-Situationen bleibt er ruhig. In so einen Quarterback hat das Team großes Vertrauen", lobt sein Trainer Thomas Kösling.
Mit sieben Jahren ins Spiel verliebt
Mit sieben Jahren hat Sullivan sein Herz an den Sport verloren. Er begleitete seinen Vater zum Training mit den älteren Kindern, wollte immer mitmachen. Coach Sullivan ließ seine Mannschaft Sprintübungen absolvieren. Nach jedem Sprint durfte einer aus der Mannschaft versuchen, den Football aus 15 Yards Entfernung an die Torstangen zu werfen. Das ganze Team musste so lange sprinten, bis es einer der Jungen schaffte.
Nach einigen Fehlversuchen und Sprints war Sullivan an der Reihe. Und der Siebenjährige traf die Stangen sofort. Seine Mitspieler hievten den Knirps auf ihre Schultern und feierten das Ende der anstrengenden Laufübungen. "In diesem Moment wusste ich: Ich liebe dieses Spiel!"
Dass er dieses Spiel nicht auf allerhöchstem Niveau werde spielen können, wurde ihm spätestens nach der High School klar. Er bekam Stipendien von einigen Colleges angeboten: für Football und für Baseball. Sullivan musste sich entscheiden. Im Baseball hatte er ein Angebot von der Washington State University, einem Division-I-College. Dort hätte er sich auf dem höchsten College-Niveau mit anderen messen können. Das Problem: Im Baseball gab es damals kein volles Stipendium. Washington State hätte nur 25 Prozent der Uni-Kosten übernommen. Im Football bekam er 100 Prozent – an einer Division-II-Schule. Es war der bessere Deal.
Challenge accepted!
Nach einem Jahr an der Northern State University wechselte er an die South Dakota School of Mines and Technology, eine Ingenieursschule in der Nähe seiner Heimat. "Da hatte ich die Chance, meinen Geschwistern beim Aufwachsen zuzuschauen", erzählt er. Und: Er konnte neben dem Footballspielen eine Ausbildung zum Ingenieur machen.
Als er seinem Coach an der Northern State von seinen Wechselplänen berichtete, sagte der ihm, dass er das nicht schaffen würde. Die Schule würde ihn zu sehr fordern, da bleibe keine Zeit für Football. Sullivan nahm das als Ansporn: Challenge accepted! "Es war wirklich sehr hart", gesteht er rückblickend. "Aber es hat mir für mein weiteres Leben gezeigt: Ich kann das extra bisschen Arbeit investieren und es packen. Egal, worum es geht."
"Sport war immer und überall"
Jakeb Sullivan ist Sportler mit Leib und Seele. Wenn er nicht auf dem Football-Feld steht, spielt er gerne Golf. Er joggt und hat sich vor einigen Wochen einen neuen Basketball gekauft. Er arbeitet nicht nur als Ballschmeißer für die Galaxy, sondern auch als Trainer im Fitnessstudio.
"Sport war immer und überall", erinnert er sich an seine Kindheit. Die Familie Sullivan ist nie in Urlaub gefahren. Stattdessen ging es zu Basketball- oder Baseball-Turnieren. Irgendeines der fünf Kinder hatte immer irgendwo einen Wettbewerb.
Den Laden am Laufen halten
Sullivan hat früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Weil sein Vater viel arbeitete und er das älteste Kind im Haushalt war, musste er seiner Mutter helfen, den Laden daheim am Laufen zu halten. Mit 14 Jahren lernte er Autofahren, um seine Geschwister zum Training zu fahren und wieder abzuholen.
"Vielleicht hatte ich schon immer eine Art Leadership-Position", sagt er heute. Ein richtiger Team-Leader auf dem Football-Feld wurde er auf der Ingenieursschule. In seiner letzten College-Saison brach er 17 Schulrekorde und wurde zum besten Quarterback der Division II ernannt. Das Beste kommt zum Schluss. Sullivan dachte, seine Football-Karriere sei damit vorbei.
Corona in Wien, in Frankfurt zu Hause
Anders als in den USA gibt es in Europa aber großes Interesse an guten D2-Quarterbacks. Sullivan heuerte 2019 bei den Marburg Mercenaries an, einem damals mittemäßigen Team in der German League of Football (GFL). Er war statisch gesehen prompt der beste Quarterback der Liga und führte die Mittelhessen direkt in die Playoffs. Das erregte Aufmerksamkeit von größeren Clubs.
Ein Jahr später wechselte er zu den Vienna Vikings, die damals noch ein Top-Team in der starken österreichischen Liga waren. Die Corona-Pandemie verhinderte, dass er auch nur ein Pflichtspiel für die Wiener bestritt. 2021 lotste ihn Galaxy-Coach Kösling nach Frankfurt.
In den vergangenen Jahren ist die Mainmetropole zu seinem zweiten Zuhause geworden. Er hat eine Wohnung im Nordend gefunden und eine Lebensgefährtin aus Bensheim. "Ich mag die Stadt, ich mag es, die Stadt zu repräsentieren", sagt er. Und: Er hat mit der Galaxy hier noch "unfinished business". Sullivan kann den Saisonstart am Sonntag kaum erwarten. "Eine Meisterschaft ist gut, aber zwei, vielleicht auch drei sind besser", sagt er und grinst. Mit einem extra bisschen Arbeit ist schließlich alles möglich.