Nordhesse widmet Ironman-Titel seiner verstorbenen Mama Patrick Lange triumphiert auf Hawaii: Wenn sich selbst Götter beugen
Patrick Lange kürt sich zum König der Triathleten. Auf Hawaii ist der Nordhesse nicht aufzuhalten - nicht von Quallen, nicht von der Hitze, nicht von der Konkurrenz. Den Sieg widmete er seiner verstorbenen Mutter.
Auch Stunden nach seinem historischen Sieg hatte Patrick Lange noch überall diese roten Flecken. Ein heftiger Ausschlag, vor allem im Gesicht, der nach Aussage des Geschädigten "verdammt weh tut".
Schuld daran war eine Qualle. Oder mehrere. Man weiß es nicht genau. Beim Einschwimmen im Pazifik wurden Lange und andere von Quallen gestochen, was den 38-Jährigen dazu veranlasste, noch vor dem Start einen Fotografen zu fragen, ob er denn Essig dabei habe, um es sich auf die Wunden zu schmieren. Weil Fotografen aber selten Essig in ihrer Ausrüstung führen, war für Lange an dieser Stelle nichts zu holen. Außer einem verdutzten Blick.
Das Problem mit der Qualle, das durchaus auch hätte schlimmer enden können, erklärt in Summe ganz gut, warum Lange sich am Samstag in beeindruckender Manier zum König der Triathleten krönte: Er war nicht aufzuhalten. Nicht von einer Qualle. Nicht von der Hitze. Nicht von der Konkurrenz.
Von Lange ging eine Urgewalt aus, der sich zuerst sämtliche Mitfavoriten und am Ende auch die vielbeschworenen Götter dieser Insel beugen mussten. "Das bedeutet mir alles", strahlte Lange. Und das sah man.
Lange siegt für verstorbene Mama
Als der Weltmeister nach 7:35:53 Stunden ins Ziel auf dem Alii Drive in Kailua-Kona einlief, und nicht einfach nur siegte, sondern damit auch den Streckenrekord pulverisierte, da schnappte er sich das Zielband, wedelte damit um sich, gestikulierte, schrie und tanzte seine Freude heraus. Ein Moment der Gänsehaut, den der gebürtige Bad Wildunger hinterher erklärte. "Der Titel geht definitiv an meine Mama", sagte Lange im Ziel der ARD-Sportschau.
Seine Mutter war vor vier Jahren an Krebs verstorben, im Hospiz habe sie sich gewünscht, dass ihr Sohn sich nach 2017 und 2018 noch einmal den Traum des Hawaii-Champions erfüllen möge. "Diesen Wunsch habe ich ihr jetzt erfüllt", sagte Lange. Nach fünf Kilometern auf der Laufstrecke habe er etwas gespürt, "da ist es mir wie ein Blitz eingefahren, ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper und da wusste ich, dass sie da ist."
Genugtuung ist beim Sieg auch dabei
Und natürlich wird beim Jubel im Ziel auch ein bisschen Genugtuung dabei gewesen sein. Denn obwohl Lange als amtierender Vizeweltmeister auf die Pazifikinsel gereist war, obwohl er als einziger im Starterfeld den Mythos Hawaii schon zweimal gewonnen hatte, wurde eher wenig über ihn geredet.
Der Hype gehörte den Jüngeren. Dem Franzosen Sam Laidlow, der seine wilde Flucht auf dem Rad teuer bezahlte, dem Norweger Kristian Blummenfelt, der sich schon früh übergeben musste, und dem Dänen Magnus Ditlev, der sich immerhin Silber schnappte. Am Ende hat es Lange allen gezeigt.
Selbst die Wackeldisziplin flutscht
Und vielleicht ist es genau diese Routine des 38-Jährigen, die ihm den Sieg gebracht hat. Denn Lange war bereit, nach zwei missratenen Heimrennen in diesem Sommer in Roth und Frankfurt inmitten der Saison den Trainer zu wechseln. Von Björn Geesmann zu Ben Reszel – und das nur neun Wochen vor der WM. Es sollte sich auszahlen.
Langes Wackeldisziplin war bisher das Schwimmen, darauf hatte er schon zu Beginn des Jahres einen Fokus gelegt, wurde aber bitter ausgebremst. In Roth kassierte er einen Tritt auf die Rippen und musste aussteigen. Dieser Unfall inmitten des schwimmenden Getümmels beschäftigte ihn so sehr, dass er einige Wochen später in Frankfurt kurz vor dem Start eine Panikattacke erlitt.
Die Taktik des neuen Trainers geht auf
Wie also damit umgehen? Reszel, der neue Coach, hatte eine Idee. Er erinnerte sich an Sascha Vetter, einen modernen Fünfkämpfer, der in den Amateurklassen ebenfalls auf Hawaii startete – und der fast zwei Meter misst. Ihn ließ Reszel im Training direkt neben Lange schwimmen.
"Wenn der den Arm zum Kraulen hebt, wird’s dunkel", schilderte Reszel. Offenbar nahm genau das Lange die Angst. Sein Schwimmen jedenfalls geriet vorzüglich, er kam auf Platz vier mit der Spitze aus dem Wasser.
Und auch für das Radfahren hatte sich Reszel eine besondere Taktik überlegt. Zum ersten Mal war auf Hawaii der so genannte Race Ranger zum Einsatz gekommen, eine Technik, die den Athleten und Kampfrichtern zeigt, wie weit zwei Sportler auf dem Rad voneinander entfernt sind. Windschattenfahren ist schließlich nicht erlaubt, und blinkt der Race Ranger rot, dann muss überholt werden.
"Der perfekte Triathlon-Tag"
In der Lavawüste der Insel mit seinem schnurgeraden Highway und seinen ewigen Wellen sorgte das in der ersten großen Gruppe für ein ständiges Hin und Her, viele mussten überholen, obwohl sie gar nicht wollten – und verloren so wertvolle Kraft.
Lange aber hatte den Auftrag bekommen, schon direkt nach der Wechselzone in der Stadt aufs Tempo zu drücken und sich so aus allem rauszuhalten. Das gelang. "Er hat das unfassbar gut aufgenommen", erklärte Reszel: "Dafür bin ich ihm dankbar."
Nur beim Laufen, das war vorher klar, braucht Lange praktisch keine Tipps. Da ist er das Nonplusultra der Szene, da sammelte er auch diesmal wieder alle ein. Lange flog nur so durch die Hitze der Insel als wäre das alles nichts. 3,8 Kilometer Schwimmen? 180 Kilometer Radfahren? Und noch einen Marathon laufen? Kein Problem!
Mit seinem dritten WM-Titel zieht er nun mit Jan Frodeno als deutschem Rekordhalter gleich. "Ich hatte den perfekten Triathlon-Tag", strahlte Lange. Daran konnte auch eine nervige Qualle nichts ändern.