Tischtennis-EM in Linz Die drohende Leere nach dem Boll-Rücktritt

Der Deutsche Tischtennis-Bund backt vor der EM in Linz deutlich kleinere Brötchen als früher. Auch wenn mehrere hessische Hoffnungen am Start sind: Ohne Timo Boll wird es kompliziert, ein Generationswechsel ist aktuell nicht in Sicht.

Dimitrij Ovcharov (rechts) mit Tischtennis-Bundestrainer Jörg Roßkopf
Dimitrij Ovcharov (rechts) mit Tischtennis-Bundestrainer Jörg Roßkopf Bild © Imago Images
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Ohne Timo Boll ist die Tischtennis-Welt eine andere - besonders für die deutschen Männer. Ohne ihr international abgetretenes Idol drohen der einst erfolgsverwöhnten Auswahl von Bundestrainer Jörg Roßkopf bei der Einzel-EM ab Dienstag in Linz denkwürdige Nullnummern.

Vor dem Neubeginn ohne wirkliche Zäsur backt die Führungsriege des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) nur kleine Brötchen. "Die Kräfteverhältnisse sind ausgeglichener geworden, aber wir haben vier Weltklassespieler und können um Titel mitspielen", meinte Ex-Doppelweltmeister Roßkopf in den Verbandskanälen vor der Abreise nach Österreich. 

Zwei hessische Hoffnungen am Start

Mit dem Bensheimer Patrick Franziska und Ex-Titelträger Dimitrij Ovtcharov vom TTC Fulda-Maberzell sind zwei hessische Hoffnungen am Start, die genauso wie Titelverteidiger Dang Qiu und Benedikt Duda laut Roßkopf "immer den Anspruch haben zu gewinnen". DTTB-Sportdirektor Richard Prause will aber keine zu hohen Erwartungen schüren. "Wir fahren nicht zur EM, um da Titel zu zählen", stellte der Ex-Profi im DTTB-Organ "tischtennis" klar, "unser Anspruch sind die Medaillenränge."

Doch selbst Podestplätze schafften die Deutschen zuletzt nicht mehr. Zwar schlugen zu Jahresbeginn bei der Team-WM in Südkorea wie zuletzt beim Olympia-Turnier in Paris auch Asiens Weltklasse-Asse auf, doch hatten die DTTB-Stars vor allem in Frankreich bereits mit Rivalen vom eigenen Kontinent zu große Probleme. 

Für einen Generationswechsel fehlen die Alternativen

Entsprechend vermeiden die deutschen Topspieler auch jede forsche Aussage zu ihren Ambitionen. Vielmehr weist Qiu zwei Jahre nach seinem Titelcoup von München auf "den eigentlich katastrophalen Mangel an gezielter Vorbereitung durch die vielen Termine" und die "extreme Bandbreite an Titelkandidaten" hin. Franziska, nach seinem Olympia-Aus im vorigen Frühling mit fast 32 Jahren erstmals in die Top 10 gestürmt, will "weit kommen". Ovtcharov, mit 36 Jahren nach Bolls Abschied der mit Abstand älteste Spieler in Roßkopfs Kader, würde einen dritten EM-Titel nach 2013 und 2015 als "etwas ganz Besonderes" bewerten. 

Die "Goldregen"-Zeiten für die DTTB-Männer scheinen zusammen mit der "Ära Boll" ausgeklungen zu sein. Ohne einen EM-Titel in den Individualkonkurrenzen der Männer waren Boll und Co. zuletzt 2016 in Budapest geblieben. Das bisher letzte EM-Turnier ohne auch nur eine Einzel- oder Doppelmedaille für die DTTB-Männer war 2000 das Heimspiel in Bremen. Zwei Jahre später gewann Boll mit 21 Jahren in Zagreb seinen ersten von acht Einzel-Titeln. Für einen Generationswechsel nach Paris fehlen Roßkopf trotz aller Dringlichkeit schlichtweg seriöse Alternativen. Schon lange hat niemand mehr dauerhaft einen Platz im Elitekreis um den Odenwälder beanspruchen können.

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Fanbo Meng als jüngster Spieler dabei

In Linz ist der 18 Jahre alte Jugendmeister Andre Bertelsmeier per Wildcard für seinen dritten Platz bei der U21-EM der Junior der DTTB-Männer. Regulär als jüngster Spieler nominiert ist Ovtcharovs Teamkollege in Fulda, Fanbo Meng - mit 23 Jahren und als Nummer 151 der Weltrangliste. Für Olympia 2028 jedoch plant Roßkopf noch einmal mit der "Ü30"-Kombo um Ovtcharov. Auf dem Weg nach Los Angeles werden die Ansprüche aber wohl kleiner: Schon bei den kommenden Großereignissen ist nach Ansicht des 55-Jährigen "ein Podestplatz nicht mehr selbstverständlich".

Quelle: hessenschau.de, SID