A49-Abschnitt vor Freigabe Wie die Achterbahn-Autobahn auf ihre Eröffnung vorbereitet wird
Das letzte Teilstück der A49 ist in wenigen Tagen befahrbar. Der umstrittene und von Sabotage begleitete Ausbau endet damit. Die Zeitersparnis im Verkehr zwischen Nord- und Mittelhessen wird sich aber in Grenzen halten.
Nach jahrelangen und teils turbulenten Wald-Rodungen und Bauarbeiten rollen nun Besenwagen fürs Großreinemachen über den neuen Autobahn-Abschnitt. Der Endspurt bis zur Fertigstellung des letzten Teilstücks der A49 in Mittel- und Osthessen läuft auf Hochtouren.
Am 21. März wird der Abschnitt - nach Verzögerungen wegen Baumängeln - für den Verkehr freigegeben. In der Stadthalle von Stadtallendorf (Marburg-Biedenkopf) wird an dem Tag um 15 Uhr ein Festakt zur Freigabe für geladene Gäste veranstaltet.
Ab wie viel Uhr jedermann die neue Route nutzen kann, wissen die Planer derzeit aber noch nicht. Sie sprachen bei einer Vorab-Besichtigung des A49-Abschnitts für die Medien von einer "schrittweisen Freigabe im Tagesverlauf". Eine Uhrzeit wurde nicht genannt.
Autobahn soll "besenrein" sein
Bis die ersten Fahrzeuge das 31 Kilometer lange Teilstück zwischen Schwalmstadt (Schwalm-Eder) und dem Ohmtal-Dreieck (Vogelsberg) nutzen können, haben die Bauarbeiter auch noch zu tun.
Restarbeiten stehen noch an. Markierungen werden angebracht, Schutzplanken montiert und Kehrmaschinen reinigen den Fahrbahnbelag mit Wasser und Bürsten. Ziel: Der Autobahn-Abschnitt soll "besenrein" übergeben werden, wie Projektleiter Thomas Süßmeier sagte.

Einige der Schutz- und Betonwände sind allerdings schon vor der Eröffnung nicht mehr rein. Sie wurden mit Graffiti besprüht. Das war auf der von den Autobahn-Planern begleiteten Fahrt über die A49 bereits zu sehen.
Die Achterbahn unter Hessens Autobahnen
Bei der Medien-Besichtigung der Strecke fiel auch auf: Der neue A49-Abschnitt ist so etwas wie die Achterbahn unter Hessens Autobahnen. Selten geht es mal lange geradeaus. Stattdessen: rauf und runter, eine Kurve nach der anderen. Deswegen sind extra viele Schutzplanken angebracht worden.
Christoph Wetter, Geschäftsführer der A49 Autobahngesellschaft, sprach deswegen auch von einer sehr dynamischen Topografie. "Wir haben uns beim Bau dem hügeligen Gelände anpassen müssen."
Ein Tempo-Limit ist hier allerdings nicht geplant. Diese Entscheidung der Verkehrsbehörden überraschte sogar manch einen Planer.

Ausgleich für Flora und Fauna eingeplant
Die Planer haben aber dafür gesorgt, dass Tiere nicht so leicht auf die Fahrbahn gelangen können. Der A49-Abschnitt ist weitgehend eingezäunt. Entweder mit blickdichten, sogenannten Irritationsschutzwänden, die Tiere vor Verkehrseinflüssen schützen sollen.
Oder es sind 2,50 Meter Wildschutzzäune mit Übersteigschutz montiert. "Alles, was größer ist als ein vollgefressener Hamster, bleibt somit draußen", sagte Süßmeier mit Blick auf den grünen Maschendrahtzaun. Es wurden sogar Barrieren verbaut, damit sich keine Tiere unter dem Zaun durchgraben können.

Als Ausgleich für die Naturzerstörungen vor dem Autobahnbau und die umstrittenen Wald-Rodungen, zum Beispiel im Dannenröder Forst, haben die Autobahn-Planer diverse Umweltmaßnahmen aufgelistet. Auf einer Fläche von insgesamt 750 Hektar wurden und werden Flora und Fauna gefördert. Teiche und Biotope wurden angelegt, Gewässerläufe renaturiert und Flächen umgewidmet, damit sich die Natur wieder entfalten kann.
Vier Anschlussstellen auf neuem Abschnitt
Naturgemäß stärker im Fokus stand aber für die Planer die Baustelle. Dort hat sich seit Baubeginn im Herbst 2020 einiges getan. Vier Anschlussstellen wurden eingerichtet. Von Norden her sind es ab Schwalmstadt dann Neustadt, Stadtallendorf-Nord und Süd sowie Homberg (Ohm). Gebaut wurde auch ein Rastplatz (Diebachsgraben) und eine Autobahnmeisterei in Schwalmstadt.
Der neue, vierspurige Abschnitt komplettiert die A49 und schließt im Norden ab Schwalmstadt an das Teilstück bis nach Fritzlar an. Das wurde bereits in Betrieb genommen. Von dort aus geht es weiter nach Kassel.

Die A49 soll die Regionen Gießen und Kassel besser verbinden. Bis zum 21. März muss man noch über die A5 gen Osten fahren und dann auf die A7 in Richtung Norden. Bald ist der direkte Weg frei.
Zeitersparnis für Autofahrer gering
Doch sonderlich viel Strecke und Zeit ersparen sich Autofahrer nicht. Die Distanz von Lohfelden im Norden bis zum Ohmtal-Dreieck im Süden ist nur 13 Kilometer kürzer über die A49 im Vergleich zur Route A7/A5. Das hat ein Sprecher der Projektgesellschaft DEGES errechnet. So wird die Fahrzeit - je nach Geschwindigkeit - nur wenige Minuten geringer ausfallen.
Ein Benefit, der teuer erkauft ist. Das Bauprojekt, die Betriebskosten für die nächsten 30 Jahre und Aufwendungen zum Erhalt des Abschnitts werden pauschal mit 1,45 Milliarden Euro veranschlagt.
Planer sehen viele Vorteile
Die Planer sehen dennoch großen Nutzen und listen Vorteile auf: Kapazitätsengpässe würden abgebaut und Unfallgefahren auf der A5 und A7 vermindert. Laut Verkehrsministerium in Wiesbaden ist der Autobahn-Abschnitt bedeutsam für die Landes- und Regionalplanung. Stark frequentierte Bundesstraßen wie die B254 und die B3 würden entlastet. Aktuell seien Ortsdurchfahrten von überregionalem Verkehr, von Lärm und Schadstoffausstoß stark beeinträchtigt.
Besonders profitieren wird etwa Stadtallendorf (Marburg-Biedenkopf) als Industrie-Standort mit seinen 13.000 Arbeitsplätzen. Dort fließt jetzt schon viel Verkehr hin.
Laut Prognosen rechnen die Planer mit einer Verkehrsmenge von 32.000 bis 35.000 Fahrzeugen pro Tag auf dem neuen A49-Teil, 30 Prozent davon soll auf Schwerlastverkehr entfallen.
Proteste gegen Autobahn-Ausbau
Diese Blechlawinen und Verkehrsströme wollten die Gegner der A49 vehement verhindern. Gegen die Rodungen für den Autobahn-Weiterbau hatte es im Herbst und Winter 2020 massive Proteste von Umweltschützern gegeben. Sie sahen das Projekt im krassen Widerspruch zu einer umweltfreundlichen Verkehrswende und Klimapolitik. Der A49-Weiterbau wurde zu einem der umstrittensten Verkehrsprojekte Deutschlands.
Externen Inhalt von YouTube (Video) anzeigen?
An dieser Stelle befindet sich ein von unserer Redaktion empfohlener Inhalt von YouTube (Video). Beim Laden des Inhalts werden Daten an den Anbieter und ggf. weitere Dritte übertragen. Nähere Informationen erhalten Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Einer der Schauplätze, an denen es zum Zusammentreffen von Demonstrierenden und Polizei kam, war der Dannenröder Forst bei Homberg (Ohm) im Vogelsbergkreis - er wurde zum Symbol des Konflikts. Die Polizei war dort über Wochen mit einem Großaufgebot präsent, um die Waldrodungen zu sichern.

Sabotage bei Bauarbeiten
Auch nachdem die Räumung und Rodung beendet war, ging es während der Bauarbeiten laut Projektleiter Süßmeier mit "kleineren Sabotageakten" weiter. "Das hat uns stetig begleitet." So seien Radmuttern an Baumaschinen gelockert und Metallkrallen in Baustellen eingegraben worden, um Reifen zu beschädigen. In zahlreichen Fällen wurden Anzeigen erstattet – "mit wenig Erfolg", wie Süßmeier sagte.
"Es ist nach wie vor so, dass wir so einen massiven Widerstand gegen Rodungen noch nie erlebt und auch seitdem nicht wieder erlebt haben", erklärte die Projektgesellschaft Deges. Am 21. März findet dieses Kapitel mit dem Lückenschluss der A49 ihr Ende.