Unbesetzte Lehrstellen Ausbildungsgarantie: Junge Menschen sollen nicht verloren gehen

Es könnte so einfach sein: Junge Menschen in Hessen suchen nach Ausbildungsplätzen, Unternehmen suchen nach Azubis. Doch oftmals finden sie nicht zueinander. Ein Fortbildungsprogramm der Jobcenter soll da nachhelfen.

Fotocollage von 3 Auszubildenden
Abdullah, Hanan und Jonas: Junge Menschen aus Hessen, die eine Ausbildung machen wollen. Bild © hessenschau.de
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Rund 50 Bewerbungen hat der 21 Jahre alte Abdullah in den vergangenen Monaten geschrieben. Die Absage lautete meistens: "Aufgrund vieler Bewerbungen müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir Ihre Bewerbung nicht berücksichtigen können."

Abdullah würde gerne eine Ausbildung zum Bürokaufmann oder zum Verwaltungsfachangestellten machen. "Mein Wunsch wäre, dass es bei der Stadt Wiesbaden klappt", sagt er. Doch bislang hat er weder dort noch woanders einen Platz bekommen. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr, denn an diesem Donnerstag beginnt das neue Ausbildungsjahr.  

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Ausbildungsjahr startet

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So wie dem 21-Jährigen mit Realschulabschluss geht es vielen jungen Menschen in Hessen. Bis Ende Juli waren 13.466 Ausbildungsplätze unbesetzt. Zugleich suchten 10.500 junge Menschen nach einer Stelle, wie die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit mitteilte. Die hessischen Betriebe meldeten rund 33.000 Ausbildungsstellen, die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber stieg auf rund 32.000.

Rechtsanspruch auf außerbetriebliche Ausbildung

Für manche Suchenden ist nun Besserung in Sicht: Denn für junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb finden, gilt ab 1. August die sogenannte Ausbildungsgarantie. Das ist ein Rechtsanspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung in einem Bildungszentrum, finanziert vom Staat.

Die Ausbildungsgarantie greift für alle jungen Menschen,
· die sich nachweislich erfolglos beworben haben,
· die eine Berufsberatung besucht haben,
· die dann nicht vermittelt werden konnten und
· die in einer Region leben, in der es nicht genügend Ausbildungsplätze gibt.  

Garantie greift in vier hessischen Städten

Abdullah wohnt in einer Stadt, in der es mehr Suchende gibt als Ausbildungsplätze. Die Ausbildungsgarantie greift laut Bundesagentur für Arbeit aber nicht nur in Wiesbaden, sondern auch in Offenbach, Bad Homburg und Gießen. Die Behörde setzt dabei voraus, dass die Bewerberinnen und Bewerber "hinreichende Bewerbungsbemühungen unternommen und die Angebote der Berufsberatung wahrgenommen haben". 

Azubis, die das Recht auf eine außerbetriebliche Ausbildung in Anspruch nehmen, absolvierenden den praktischen Teil in Werkstätten des staatlich beauftragten Bildungsträgers. Das kann ein Berufsbildungswerk, eine Kammer oder Akademie sein. Oder die Auszubildenden gehen in einen Ausbildungsbetrieb, mit dem der Bildungsträger zusammenarbeitet. Parallel zur Praxis besuchen sie die Berufsschule. In der Regel dauert die außerbetriebliche Ausbildung 24 bis 42 Monate, je nach Beruf.

Interessen, Qualifikation oder Ort passen nicht

"Auf dem Ausbildungsmarkt wird es immer schwieriger, junge Menschen mit den Ausbildungsplätzen zusammenzubringen", sagt Frank Martin, der Leiter der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Manchmal passten die Interessen, die Qualifikation oder der Ort, an dem die Ausbildung stattfindet, einfach nicht.  

Ziel sei es, möglichst viele Ausbildungsstellen zu besetzen, um dem Fachkräftemangel der nächsten Jahre zu begegnen. "Und wir müssen unbedingt einen Fokus als Gesellschaft darauf setzen, keinen jungen Menschen zu verlieren und jedem ein Angebot zu machen", sagt Martin.

In Hessen gibt es viele junge Leute, die keinen Berufsabschluss haben. Im Jahr 2022 waren 21 Prozent der 20- bis 34-Jährigen im Land ungelernte Arbeitskräfte. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 19,1 Prozent. 

Jugendliche ohne Ausbildung

Wie Abdullah will auch die 19-jährige Hanan aus Wiesbaden nicht verloren gehen. "Ich suche einen Ausbildungsplatz als Hotelfachfrau und bis jetzt habe ich mindestens 20 Absagen bekommen", sagt sie. "Es ist sehr enttäuschend. Man denkt dann: Cool, ich habe jetzt endlich etwas gefunden. Und dann wird einem plötzlich doch noch abgesagt."

Nach ihrem Hauptschulabschluss jobbte sie zwei Jahre lang, um Geld zu verdienen. Jetzt will sie ihre Zukunft mit einer Ausbildung sichern. Hanans Lebenslauf liest sich allerdings nicht perfekt. Sie begann bereits eine Ausbildung in einem Vier-Sterne-Hotel, durfte aber nicht bleiben. "Ich wurde in der Probezeit gekündigt", berichtet sie. Sie wagt nun einen neuen Anlauf, will pünktlicher und gewissenhafter arbeiten. 

Hotelier: "Schwierig, geeignete Bewerber zu finden"

Der Hotelleiter Gerald Kink kennt die Herausforderungen im Dienstleistungsbereich. Er leitet seit 28 Jahren das Hotel Oranien in Wiesbaden. "Es ist wirklich schwer, geeignete junge Menschen für die Ausbildung in unserer Branche zu finden", sagt er. Bei einigen müsse man bei Null anfangen. "Manchen muss beigebracht werden, wie ein Staubsauger funktioniert. Wir müssen auch schulisch nacharbeiten, zum Beispiel in der Mathematik, beim Rechnen", sagt Kink.

Hotelleiter Gerald Kink aus Wiesbaden
Hotelleiter Gerald Kink aus Wiesbaden Bild © hr

Ebenso schwierig sei es, junge Leute für Ausbildungen zu begeistern - etwa zum Koch, zur Fachkraft für Gastronomie oder zur Kauffrau für Hotelmanagement, erzählt der Hotelleiter. Das liege auch an den Diensten am Wochenende. "Da brauchen wir wunderbare Menschen, die um 6 oder 6.30 Uhr anfangen", so Kink. Nicht alle Jugendlichen seien motiviert, sich einen Beruf mit solchen Arbeitszeiten zu suchen. Momentan seien in seinem Hotel vier Azubis beschäftigt.

Und in der Tat: Die Hotel- und Gaststättenbranche findet kaum interessierte Bewerberinnen und Bewerber, wie aus dem aktuellen Berufsbildungsbericht hervorgeht. Verkäufer im Lebensmittelbereich wollen Azubis ebenfalls selten werden. Auch Berufe in der Baubranche sowie Metallberufe stehen laut Bericht nicht hoch im Kurs. Besonders beliebt sind bei jungen Menschen dagegen Ausbildungsstellen in der Kfz-Technik, in der Softwareentwicklung, der Mediengestaltung, der Raumausstattung, der Tierpflege und im Büromanagement. 

Angehender Azubi: "Ich bin jetzt beruhigt"

In eines der unter Azubis weniger beliebten Berufsfelder zieht es den 16 Jahre alten Jonas aus Kassel. Im September beginnt er eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker beim Metallverarbeitungsunternehmen MTO Nordhessen. Als Schüler sei er "ein relativ fauler Mensch gewesen", sagt der Hauptschulabsolvent. Weiter zur Schule zu gehen, sei für ihn keine Option gewesen. "Auf jeden Fall bin ich beruhigt, weil meine Zukunft jetzt sicher ist. Ich habe einen sicheren Ausbildungsplatz", so Jonas. 

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Ausbildungsjahr in Hessen – Projekt in Kassel

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Jonas gehört zu den 36 Prozent, denen es dank einer Übergangsmanagerin an den acht allgemeinbildenden Schulen in Kassel gelang, direkt in die Ausbildung zu gehen. Das Angebot ist in dieser Form einzigartig in Hessen. "Wir helfen erst mal mit einem Beratungsgespräch: Welche Interessen und Stärken hast du? Welche Berufsbilder könnten dazu passen?", erklärt Übergangsmanagerin Jenny Werderich. Die Sozialarbeiterin hat auch Jonas beraten.

Übergangsmanagerin: Es gibt viele Hemmschwellen

Es gibt laut Werderich viele Stolpersteine und Hemmschwellen auf dem Weg ins Berufsleben. "Die Schülerinnen und Schüler sind lange im Schulsystem. Sie sind es gewohnt, getragen zu werden." 

Darauf deutet auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung hin: Bei einer Befragung gaben 56 Prozent der jungen Teilnehmenden an, dass es zwar ausreichend Informationen zur Berufsorientierung gebe, es aber schwierig sei sich zurechtzufinden. Rund ein Drittel derjenigen, die Erfahrungen mit der Suche nach einem Ausbildungsplatz gemacht haben, wünscht sich dabei mehr Unterstützung. 

Diese Unterstützung leistet sich die Stadt Kassel seit zehn Jahren. "Natürlich ist auch in Kassel der Fachkräftemangel längst angekommen. Wir wollen unseren Wirtschaftsstandort hier in Nordhessen zukunftsfähig aufstellen", sagt Bildungsdezernentin Nicole Maisch. "Wir sind keine reiche Stadt, das heißt: Es gibt viele Jugendliche, die von zu Hause nicht die Netzwerke mitbringen."

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de